Ansprache von Kandels Stadtbürgermeister Michael Niedermeier zur Corona-Krise

18. März 2020 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional

Michael Niedermeier
Foto (Archiv): Pfalz-Express

Im Wortlaut

Liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Kandel,

seit meiner letzten Ansprache an Sie, hat sich das Rad der Neuigkeiten und Entwicklungen nochmals sehr stark gedreht. Die Herausforderungen an uns alle, als Gesellschaft, als Bürgerinnen und Bürger, als Entscheidungsträger sind wieder enorm gewachsen. Die Lage in Sachen Corona hat sich wieder verschärft und wir sind alle – da schließe ich Sie wirklich alle mit ein – in der Verantwortung dieser Lage entgegenzuwirken.

[Video von Michael Niedermeier: https://www.youtube.com/watch?v=nfwriuqgic0&feature=youtu.be]

Die Ausbreitung des Coronavirus trifft uns in der EU mit immer größerer unglaublicher Härte. Schauen wir zu unseren Freunden in Italien, wo das Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch steht. Es sterben in so großem Umfang Menschen, Menschen wie Sie und ich, die sich von Ihren Angehörigen nicht mehr verabschieden können, weil die Ansteckungsgefahr für diese wieder zu hoch ist. Die Ärzte in diesem Land sind wie im Krieg vor der Entscheidung, wen sie noch behandeln und wen nicht, weil die Kapazitäten nicht ausreichen. Das ist die Lage, wenige hundert Kilometer, von uns entfernt.

Ich möchte Ihnen mit diesen Einstiegsworten keine Angst machen, oder Panik betreiben. Ich möchte Ihnen nur die Realität vor Augen halten und Ihnen die Wahrheit sagen. Drastisch, ja, aber es ist die Wahrheit. Ich richte das vor allem an die Personen, die ich auch persönlich immer wieder in den letzten Tagen und heute getroffen oder gesprochen habe, die die Lage nicht ernst nehmen und immer noch versuchen nur sich zu sehen oder die Lage versuchen schönzureden.

Die nun von Bundes- wie Landesseite beschlossenen Maßnahmen sind dazu gedacht, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Die Maßnahmen bedeuten für die Stadt Kandel, dass

1. Alle Spielplätze gesperrt werden

2. Die Stadtbücherei für den Publikumsverkehr gesperrt wird

3. Das Jugendzentrum für den Publikumsverkehr gesperrt wird

4. Die Musikschule keinen Unterricht mehr geben darf

5. Die Volkshochschule keine Kurse mehr geben darf

6. Alle Sportanlagen im Innen- und Außenbereich für jeglichen Sport- und Trainingsbetrieb gesperrt werden

Die Maßnahmen bedeuten gemäß der Allgemeinverfügung auch, dass folgendes für den Publikumsverkehr zu schließen sind:

1. alle Bars und Kneipen,

2. Freizeitpark,

3. Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen,

4. der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm und Spaßbäder, Fitnessstudios, Saunen, Solarien, Sonnenstudios und ähnliche Einrichtungen,

5. Verkaufsstellen des Einzelhandels

Diese Regelung gilt nicht für Einzelhandelsbetriebe für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte und der Großhandel. Eine Öffnung dieser genannten Einrichtungen erfolgt unter Auflagen zur Hygiene (z.B. Bereitstellung von Desinfektionsmittel) und zur Steuerung des Zutritts, um Warteschlangen zu vermeiden (z.B. Einlasskontrollen). Dienstleister und Handwerker können weiterhin ihre Tätigkeit ausüben, sofern sie die erforderlichen Schutzmaßnahmen gewährleisten können.

Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens bleiben unter Beachtung der hygienischen Anforderungen geöffnet.

Der Zugang zu Mensen, Restaurants, Speisegaststätten und Hotels ist zu beschränken und nur unter der Auflage zulässig, dass Hygienevorschriften eingehalten und Hinweise ausgehängt werden, die Besucherzahl reglementiert wird und Abstände zwischen den Tischen 2 Meter betragen. Es dürfen höchstens vier Personen gleichzeitig an einem Tisch sitzen Die Öffnungszeiten von Restaurants und Speisegaststätten werden auf 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr begrenzt.

Übernachtungsangebote im Hotelgewerbe sind nur zu notwendigen und ausdrücklich nicht zu touristischen Zwecken zulässig.

Verboten sind

a. Zusammenkünfte in Vereinen, sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich (auch Fahrschulen und Prüfungseinrichtungen) sowie Reisebusreisen,

b. Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften. Veranstaltungen sind untersagt. Die Maßnahmen gelten ab 18. März 2020, 0:00 Uhr. Die Maßnahmen sind bis 19. April 2020 befristet.

Dies sind Maßnahmen, die sehr einschneidend sind und besonders neben dem gesellschaftlichen und persönlichen auch unsere Wirtschaft hier direkt vor Ort treffen.

Ich kann Ihnen schon jetzt zusagen, dass ich unser Citymanagement angewiesen habe alle notwendigen Maßnahmen zu prüfen und dementsprechend auch anzubieten, den Betrieben hier vor Ort auch vonseiten der Stadt Kandel aktiv zu helfen – finanziell wie proaktiv. Das Citymanagement wird hier auch aktiv auf die Betriebe und Unternehmen in der Stadt zugehen.

Eine weitere Allgemeinverfügung betrifft die Einschränkung des Besuchsrechts für Krankenhäuser, Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Jede Patientin, jeder Patient, Bewohnerin, Bewohner oder Betreute einer Einrichtung wie dem Willi-Hussong-Haus oder Krankenhaus darf nur eine Besucherin oder einen Besucher, pro Tag für je eine Stunde empfangen. Dies gilt nicht für Kinder unter 16 Jahren sowie für Menschen mit erkennbaren Atemwegsinfektionen.

Meine Damen und Herren, ich bin mir durchaus bewusst, dass wir in eine Stufe eintreten, die das bisherige Ausmaß der Entscheidungen und Einschränkungen weiter überschreiten. Wir müssen uns darauf einstellen, diesen Modus noch eine Weile auszuhalten. Unter Umständen werden hierbei auch noch weitere einschränkende Maßnahmen getroffen, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können.

Ich bin deshalb auch allen dankbar, die für unsere Gesundheit und unseren Schutz da sind. Ich konnte mich heute in einem Gespräch mit dem Verantwortlichen unseres Kandeler Krankenhauses überzeugen, dass hier alle gut vorbereitet sind. Auch die anderen Katastrophenschutzdienste sind sehr gut vorbereitet. Ich danke allen hauptamtlichen wie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.

Ich bitte Sie in diesem Zusammenhang Ruhe zu bewahren. Die Lebensmittelversorgung und Waren des täglichen Bedarfs ist sichergestellt. Übertriebene Hamsterkäufe sind nicht notwendig.

Auf meinen Vorschlag hin und der gleichen Idee des Bürgermeisterkollegen Poß wird die Stadt Kandel gemeinsam mit der Verbandsgemeinde Kandel einen Service anbieten um Personen die nicht mehr in der Lage sind Einkäufe und Besorgungen zu machen zu unterstützen.

Personal der Stadt Kandel oder der Verbandsgemeinde werden Sie darin unterstützen sofern Sie die Hilfe benötigen. Wenden Sie sich gerne an folgende zentrale Telefonnummer 07275/960-128. Hier werden die Hilfemaßnahmen gebündelt für die gesamte Verbandsgemeinde koordiniert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir machen das, und jeder einzelne von Ihnen ist aufgerufen mitzumachen, weil wir nicht nur die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen wollen. Wir tun dies auch um die Schwachen, Kranken, Älteren und Risikopatienten zu schützen. Wir tun dies um Leben zu retten.

Also helfen Sie mit. Und bleiben Sie gesund!

Ihr Stadtbürgermeister

Michael Niedermeier

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