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Kandel: Marodes Gemeindezentrum kaufen – oder doch nicht?

6. Oktober 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional
Haben sich die Köpfe heiß geredet: Die Kandeler Stadträte am Dienstagabend. Foto: pfalz-express/Licht

Haben sich die Köpfe heiß geredet: Die Kandeler Stadträte am Dienstagabend.
Foto: pfalz-express/Licht

Kandel – Soll die Stadt das schwer sanierungsbedürftige evangelische Gemeindezentrum in der Schulgasse 2 kaufen und für eigene Zwecke nutzen? Oder doch besser sparen und auf den Kauf verzichten?

Mit dieser Frage tat sich der Stadtrat in seiner Sitzung am Dienstag schwer.

Letztendlich ging es dann doch erst einmal um die Frage, ob Geld für eine Kosten-und Wirtschaftlichkeitsrechnung ausgegeben werden soll. Aber auch damit hatte Stadtbürgermeister Günther Tielebörger seine liebe Not.

Nach dessen Vorstellung soll im Kellergeschoss die neue Mensa für benachbarte Grundschule (jetzt Ganztagsschule) eingerichtet werden. Nach Ende des Mensabetriebs könnten dort Seniorentreffen, Kochkurse oder Koch- und Bewirtungsmöglichkeiten für Asylbewerber und Bedürftige stattfinden, warb Tielebörger in der Sitzung.

Im Erdgeschoss könne der Pflegestützpunk, die Beratungsgesellschaft BellA und die Senioren- und/oder die Migrationsbeauftragte der Stadt unterkommen. Alle zusammen müssten derzeit sehr beengt arbeiten, sagte der Stadtchef.

Im Obergeschoss soll die Volkshochschule untergebracht werden. Deren Gebäude in der Turmstraße 7 ist ebenfalls sanierungsbedürftig, das oberste Stockwerk ist zudem brandschutztechnisch bedenklich.

Das Gemeindezentrum hat derzeit einen ermittelten Wert von 480.000 Euro. Eine Bezuschussung von 80 Prozent hat das Land im Rahmen des Programms „Städtebauliche Erneuerung / Aktive Stadt“ in Aussicht gestellt. Das Gebäude ist aber in einem maroden Zustand, Kosten für eine Sanierung oder einen Neubau wurden bislang nur geschätzt und bewegen sich etwa im Bereich von 700.000 bis 1 Million Euro.

So geht’s nicht, protestierten da die Fraktionen von CDU, Grünen, FWG, FDP und Linken.

Die CDU-Fraktionsvorsitzende Judith Vollmer kritisierte Tielebörger scharf. Der habe seine Hausaufgaben nicht gemacht, denn die CDU-Fraktion habe zwar Kauf und und Sanierung im letzten Jahr mit beschlossen, aber nur, wenn ein Sanierungskonzept und ein Nutzungskonzept vorliege, bei dem die Nutzer ihre Bereitschaft erklären, sich an den laufenden Kosten zu beteiligen. Außerdem müsse ein Bewilligungsbescheid für den Zuschuss definitiv vorliegen. Das sei bislang nicht geschehen: „Es wäre ein Kauf Kauf ins Blaue.“

Man sei immer noch bereit zuzustimmen, wenn diese Punkte erfüllt seien. Tielebörger habe das in einer Veröffentlichung im Amtsblatt falsch dargestellt, so Vollmer.

Auch sonst stieß Tielebörger auf eine Wand der Ablehnung: Die Folgekosten seien viel zu hoch wie bei allen Bauprojekten in den letzten Jahren (Ludwig Pfanger, FWG), man stehe finanziell mit dem „Rücken zur Wand“, könne sich nicht noch eine weitere städtische Immobilie leisten (Jutta Wegmann, Grüne), das Gebäude entspreche keinen heutigen Standards mehr, damit „legen wir uns ein Kuckucksei“ (Markus Schowalter, FDP).

Volker Blatsch (Die Linke) schlug vor, zuerst eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anstellen zu lassen. Die bisherigen Zahlen seien „nichts Greifbares.“ Deshalb werde die Linke „zähneknirschend“ (der Begriff fiel häufiger in der Sitzung) zustimmen, das Architekturbüro Mohr-Neumeister aus Bellheim für eine für Berechnung zu beauftragen und dann gegebenenfalls das Thema neu zu beraten.

Michael Gaudier (CDU) sagte, nur mit einer Planung ins Rennen zu gehen, reiche nicht. Eine Kostenermittlung müsse sein, man brauche ein Nutzungskonzept, das sich rechne.

Zudem sei ein Grundsatzbeschluss obligat, dass alle laufenden Kosten durch die Mieter gedeckt werden müssten.

Tielebörger räumte ein, möglicherweise etwas „vorschnell über einen Erwerb“ geredet zu haben. Dennoch sei es wichtig, auf Folgewirkungen in der Zukunft zu schauen. Der Bedarf an Betreuung und Beratung werde zunehmen. Sollte das Gebäude in „Hände fallen, die uns nicht gefallen“, dann sei Ärger vorprogrammiert.

Eine grobe Rechnung hatte der Bürgermeister ebenfalls parat: Von Gesamtkosten von rund 1,5 Millionen ausgehend, seien nach Abzug der möglichen Zuschüsse von 80 Prozent noch 300.000 Euro (20 Prozent) zu bezahlen. Außerdem könne man mit den potenziellen Mietern Vorvereinbarungen treffen. Auch die Verbandsgemeinde könne in ihrem Bereich etwa 30.000 Euro beitragen.

Auf Nachfrage von Volker Blatsch bestätigte Tielebörger, dass die Kosten für ein Wirtschaftlichkeitsgutachten bis zu 20.000 Euro von der Kreisverwaltung gedeckelt seien.

Am Ende ragen sich die Räte durch: Mit vier Enthaltungen stimmten sie dafür, das Architekturbüro Mohr-Neumeister mit einer Kostenermittlung zu beauftragen. (cli)

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