Herxheim am Berg: „Hitler-Glocke“ im Kirchturm – Kirchengemeinde: „Inschrift ist ein Zeitdokument“

1. September 2017 | Kategorie: Kreis Bad Dürkheim, Regional
Im Kirchturm der prot. St. Jakobskirche hängt die umstrittene Glocke. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Im Kirchturm der prot. St. Jakobskirche hängt die umstrittene Glocke.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Herxheim am Berg. Die prot. St. Jakobskirche ist fast 1000 Jahre alt. Wenn man sich im Schlossgarten direkt neben der Kirche aufhält, hat man einen phantastischen Blick über die Rheinebene bis zum Odenwald und Nordschwarzwald.

Die Herxheimer lieben ihre Kirche und auch das Glockengeläut der drei Glocken. Eine der Glocken, 1934 gegossen, hängt im Kirchturm und steht seit geraumer Zeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Seit Mai läuft nämlich eine Diskussion um die Glocke. Eine ehemalige Organistin hat darauf hingewiesen, dass die 1934 gegossene c“-Glocke eine Aufschrift trägt: ALLES FUER’S VATERLAND ADOLF HITLER. Sie zeigt außerdem auch das Hakenkreuz. Die Glocke befindet sich im Besitz der politischen Gemeinde.

Die evangelische Kirchengemeinde hat nun auf das große Medieninteresse reagiert und schreibt: „Durch eine Brandstiftung wurden am Kerwesamstag 1934 die Kirche, der Turm und alle Glocken zerstört, auch die einst sogenannte „Polizeiglocke“, die dann im Dezember 1934 durch diese in Apolda (Thüringen) gegossene Glocke ersetzt wurde.

1942 mussten (wie zuvor schon 1917) zwei Glocken abgeliefert werden. Dies betraf die beiden Kirchenglocken, die kleinste Glocke, die Polizeiglocke der politischen Gemeinde, durfte als einzige Glocke im Turm bleiben.

Während des Krieges war die Glocke zum „Signalläuten“ unverzichtbar geworden, insbesondere wenn kein Strom zur Verfügung stand.

Im Jahre 1951 erst war die Kirchengemeinde wieder in der Lage (Material, Geld fehlten zuvor), zwei Kirchenglocken anzuschaffen. Diese wurden tonlich mit der noch vorhandenen Glocke abgestimmt, so dass ein Moll-Dreiklang zu hören ist.

Die Läuteanlage im Kirchturm ist eine komplexe technische Einrichtung, verschlossen und war nie für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Kirchengemeinde läutet im vollen Geläut (dem sogenannten „Plenum“) , z.B. zum Einläuten eines Gottesdienstes, alle drei Glocken.

Dass das Vorhandensein der politischen Glocke unter den Teppich gekehrt wurde, ist eine bewusste oder ungewusste Irreführung. Im Jahre 2011 hat das Pfarramt aus Anlass „60 Jahre Kirchenglocken“ auf die Existenz der Glocke von 1934 in einer Presseinformation an die regionale Tageszeitung mit dem Hinweis auf die besondere Kreuzform: „Hakenkreuz“ aufmerksam gemacht.

Von der Inschrift nehmen wir inhaltlich Abstand und distanzieren uns. Sie ist ein Zeitdokument.“ So weit die Kirchengemeinde in ihrem veröffentlichten Statement.

Die 240 Kilogramm schwere Glocke war aktuell Gegenstand einer Gemeinderatssitzung, in der das weitere Vorgehen beschlossen wurde.

Der Gemeinderat von Herxheim am Berg beabsichtigt, sich von einer Sachverständigen zur Zukunft der umstrittenen Glocke beraten zu lassen. Sobald das Gutachten vorliegt, soll weiter entschieden werden, ob die Glocke entfernt wird oder eine Gedenktafel an der Kirche angebracht werden soll.

Sollte eine neue Glocke gegossen werden müssen, würde das 50.000 Euro kosten – Geld, das die prot. Kirchengemeinde nicht hat, bzw. das für die Behebung von Rissen im Mauerwerk vorgesehen ist. Außerdem sind die drei Glocken im Klang aufeinander angepasst.

Die Anwohner selbst und auch Besucher von außerhalb können die Aufregung nur bedingt verstehen.

Immerhin besteht wohl doch noch Aufklärungsbedarf. Am 26. Oktober soll im Dorfgemeinschaftshaus, Hauptstraße 34, um 19 Uhr ein Vortrag stattfinden. Roland Paul, bisheriger Leiter des Historischen Instituts der Pfalz referiert über die „Nazizeit an der Weinstraße“. (desa)

Vom Schlossgarten neben der Kirche bietet sich ein schöner Panoramablick. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Vom Schlossgarten neben der Kirche bietet sich ein schöner Panoramablick.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

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5 Kommentare auf "Herxheim am Berg: „Hitler-Glocke“ im Kirchturm – Kirchengemeinde: „Inschrift ist ein Zeitdokument“"

  1. Philipp sagt:

    Es ist wirklich toll, wenn man keine anderen Probleme hat.
    Die Hysteriker sollen sich mal mit dem Hammer auf den Daumen hauen – dann haben sie dieses Thema für eine gute Weile vergessen!
    Und wenn das „Problem“ sich wieder ins Bewusstsein schiebt – einfach nochmal mit dem Hammer auf den Daumen!
    Die Kirchengemeinde könnte sich aber als Zeichen der Kompromissbereitschaft dazu verpflichten, eine Glocke ohne „anstössige“ Inschrift zu beschaffen, wenn die vorhandene das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht hat.

  2. Odradek sagt:

    Man könnte ja die Glocke als ein zeitgeschichtliches Artefakt begreifen, aber nein, es muss sofort wieder eine Hysterie evoziert werden. Der ganze Nazi-Quatsch hat es mal wieder ins Fernsehen geschafft: Am 31.08.2017 kam bei „Kontraste“ der Fall auf die Mattscheibe. Magischerweise wird durch das Geläut selbst Adolf Hitler wieder lebendig. So erfährt der staunende Zuschauer:

    „Sigrid Peters findet das unerträglich. Die Organistin war viele Jahre in eben dieser Kirche tätig. Von der Glocke mit Hakenkreuz und Führerspruch aber hat sie lange nichts gewusst. Als gläubige Christin meint sie nun, jedes Mal die Stimme Adolf Hitlers zu hören.“

    Deutschland – ein Irrenhaus für hysterische Moralapostel.

    http://mediathek.daserste.de/Kontraste/Kontraste-vom-31-08-2017/Video?bcastId=431796&documentId=45595374
    (Beitrag ab Minute 9:46)

  3. Werling sagt:

    Zitat der Organistin: „ Als gläubige Christin meint sie nun, jedes Mal die Stimme Adolf Hitlers zu hören.“

    Leider hat die Christin ihren Christus nicht verstanden. Deshalb etwas katholische Nachhilfe (Mk 7,18):

    Und er sprach zu ihnen: Seid denn auch ihr so unverständig? Versteht ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann? 19 Denn es geht nicht in sein Herz, sondern in den Bauch und kommt heraus in die Grube. Damit erklärte er alle Speisen für rein. 20 Und er sprach: Was aus dem Menschen herauskommt, das macht den Menschen unrein. 21 Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen heraus die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, 22 Ehebruch, Habgier, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Missgunst, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. 23 All dies Böse kommt von innen heraus und macht den Menschen unrein.

    Quelle: https://www.bibleserver.com/text/LUT/Markus7%2C18

    Für die ganz Unverständigen: Hätte die Glocke jemals zu „bösen Taten“ aufgerufen, könnte man wirklich über eine Entsorgung (sic!) nachdenken. Doch die Glocke war nie etwas anderes als eine Glocke auf dem Kirchturm. Leute, das ist eine Glocke, nur eine Glocke!

  4. Makamabesi sagt:

    Man sollte nicht alles an die Große Glocke hängen!

  5. GGGGKEEEE sagt:

    „Jetzo mit der Kraft des Stranges
    Wiegt die Glock mir aus der Gruft,
    Daß sie in das Reich des Klanges
    Steige, in die Himmelsluft.
    Zehet, ziehet, hebt!
    Sie bewegt sich, schwebt,
    Freude dieser Stadt bedeute,
    Friede sei ihr erst Geläute.“

    – Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke