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Herxheim am Berg: „Hitler-Glocke“ im Kirchturm – Kirchengemeinde: „Inschrift ist ein Zeitdokument“

Im Kirchturm der prot. St. Jakobskirche hängt die umstrittene Glocke. Foto: Pfalz-Express/Ahme [1]

Im Kirchturm der prot. St. Jakobskirche hängt die umstrittene Glocke.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Herxheim am Berg. Die prot. St. Jakobskirche ist fast 1000 Jahre alt. Wenn man sich im Schlossgarten direkt neben der Kirche aufhält, hat man einen phantastischen Blick über die Rheinebene bis zum Odenwald und Nordschwarzwald.

Die Herxheimer lieben ihre Kirche und auch das Glockengeläut der drei Glocken. Eine der Glocken, 1934 gegossen, hängt im Kirchturm und steht seit geraumer Zeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Seit Mai läuft nämlich eine Diskussion um die Glocke. Eine ehemalige Organistin hat darauf hingewiesen, dass die 1934 gegossene c“-Glocke eine Aufschrift trägt: ALLES FUER’S VATERLAND ADOLF HITLER. Sie zeigt außerdem auch das Hakenkreuz. Die Glocke befindet sich im Besitz der politischen Gemeinde.

Die evangelische Kirchengemeinde hat nun auf das große Medieninteresse reagiert und schreibt: „Durch eine Brandstiftung wurden am Kerwesamstag 1934 die Kirche, der Turm und alle Glocken zerstört, auch die einst sogenannte „Polizeiglocke“, die dann im Dezember 1934 durch diese in Apolda (Thüringen) gegossene Glocke ersetzt wurde.

1942 mussten (wie zuvor schon 1917) zwei Glocken abgeliefert werden. Dies betraf die beiden Kirchenglocken, die kleinste Glocke, die Polizeiglocke der politischen Gemeinde, durfte als einzige Glocke im Turm bleiben.

Während des Krieges war die Glocke zum „Signalläuten“ unverzichtbar geworden, insbesondere wenn kein Strom zur Verfügung stand.

Im Jahre 1951 erst war die Kirchengemeinde wieder in der Lage (Material, Geld fehlten zuvor), zwei Kirchenglocken anzuschaffen. Diese wurden tonlich mit der noch vorhandenen Glocke abgestimmt, so dass ein Moll-Dreiklang zu hören ist.

Die Läuteanlage im Kirchturm ist eine komplexe technische Einrichtung, verschlossen und war nie für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Kirchengemeinde läutet im vollen Geläut (dem sogenannten „Plenum“) , z.B. zum Einläuten eines Gottesdienstes, alle drei Glocken.

Dass das Vorhandensein der politischen Glocke unter den Teppich gekehrt wurde, ist eine bewusste oder ungewusste Irreführung. Im Jahre 2011 hat das Pfarramt aus Anlass „60 Jahre Kirchenglocken“ auf die Existenz der Glocke von 1934 in einer Presseinformation an die regionale Tageszeitung mit dem Hinweis auf die besondere Kreuzform: „Hakenkreuz“ aufmerksam gemacht.

Von der Inschrift nehmen wir inhaltlich Abstand und distanzieren uns. Sie ist ein Zeitdokument.“ So weit die Kirchengemeinde in ihrem veröffentlichten Statement.

Die 240 Kilogramm schwere Glocke war aktuell Gegenstand einer Gemeinderatssitzung, in der das weitere Vorgehen beschlossen wurde.

Der Gemeinderat von Herxheim am Berg beabsichtigt, sich von einer Sachverständigen zur Zukunft der umstrittenen Glocke beraten zu lassen. Sobald das Gutachten vorliegt, soll weiter entschieden werden, ob die Glocke entfernt wird oder eine Gedenktafel an der Kirche angebracht werden soll.

Sollte eine neue Glocke gegossen werden müssen, würde das 50.000 Euro kosten – Geld, das die prot. Kirchengemeinde nicht hat, bzw. das für die Behebung von Rissen im Mauerwerk vorgesehen ist. Außerdem sind die drei Glocken im Klang aufeinander angepasst.

Die Anwohner selbst und auch Besucher von außerhalb können die Aufregung nur bedingt verstehen.

Immerhin besteht wohl doch noch Aufklärungsbedarf. Am 26. Oktober soll im Dorfgemeinschaftshaus, Hauptstraße 34, um 19 Uhr ein Vortrag stattfinden. Roland Paul, bisheriger Leiter des Historischen Instituts der Pfalz referiert über die „Nazizeit an der Weinstraße“. (desa)

Vom Schlossgarten neben der Kirche bietet sich ein schöner Panoramablick. Foto: Pfalz-Express/Ahme [2]

Vom Schlossgarten neben der Kirche bietet sich ein schöner Panoramablick.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

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