Donnerstag, 18. April 2024

Von Königinnenpulver und Schikanenkraut: Aus der Geschichte des pfälzischen Tabakanbaus

11. Januar 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim
Der Referente (l.) im Dialog mit einem langjährigen Tabakpflanzer. Foto: Beil

Der Referente (l.) im Dialog mit einem langjährigen Tabakpflanzer.
Foto: Beil

Rheinzabern. Bis auf den letzten Platz besetzt war das Kleine Kulturzentrum anlässlich des jüngsten vhs-Vortrags über den Tabakanbau in der Pfalz.

Kulturwissenschaftler Helmut Seebach beschäftigt sich mit dem Thema seit mehr als 35 Jahren und hat auch Basisarbeit in Hatzenbühl betrieben, weswegen aus dem einst bedeutendsten deutschen Tabakanbaudorf eine stolze Besucherschar gekommen war.

Jahrzehnte lang prägte der Tabakanbau die Südpfälzer Landwirtschaft, hat aber mittlerweile erheblich an Bedeutung verloren. Aus dem Erfahrungsbereich weiter Bevölkerungskreise ist er seit etwa 20 Jahren fast verschwunden, weil zuletzt Arbeitskräfte aus Polen die schwierige Arbeit übernommen hatten.

Helmut Seebach verfolgte die Spuren des Tabaks, der – einst von Kolumbus aus Amerika mitgebracht – zunächst als Zierpflanze an Adelshöfen Verwendung fand, wie übrigens auch die Kartoffel.

Die Einführung des Tabakanbaus bei uns geht wohl auf Franzosen und Holländer zurück, worauf einige Begriffe hinweisen. Mit dem französischen Wort Plantage bezeichnete man früher ein Tabakfeld (Plantage ist übrigens in Rheinzabern als Gewanne- und Straßenname erhalten).

Zum Schnupfen nahm man eine Prise (sprich Priz – eine kleine Menge Tabaks). Um den Tabak zum Trocknen aufhängen zu können, fädelte man ihn in Bandouliers ein. Aus dem Holländischen stammt der Begriff Knaster, womit schlechter und somit billiger Tabak gemeint ist.

Tabak wurde nicht nur geraucht, sondern zuerst geschnupft, gekaut, auch geschlürft und getrunken. Das sogenannte „Königinnenpulver“ galt als Wunderheilmittel gegen Zahnweh, Geschwüre und Pest.

Im 30-jährigen Krieg brachten englische Soldaten das Tabakrauchen mit. Ähnlich wie heutige Promis für bestimmte Produkte werben, mag es auch beim Tabak gewesen sein. Als „early adapters“ und Nachahmer (Seebach) gelten neugierige Schulmeister und Pfarrer.

Aus dem anfänglichen Zubrot zum Ackerbau und Viehzucht, das den Flachsanbau verdrängte, entwickelte sich vielfach ein Haupterwerbszweig, wobei Ackerbau stets zum Fruchtwechsel und zur Anreicherung der Bodenfruchtbarkeit benötigt wurde. Tabakanbau prägte den Dörfern einen besonderen Lebens- und Arbeitsrhythmus auf.

Im Laufe der Zeit entstanden für Tabak etliche Ersatzbegriffe, die auf die Mühen und Plagen des Anbaus, aber auch auf die Wertschöpfung hindeuteten: Kraut, 9-Wochen-Kraut, Deiwelskraut, Schikanenkraut erinnern mehr an den immensen Arbeitsaufwand.

Man denke bei dieser Intensivkultur etwa an die von Teer klebrigen Hände, die Nässe, die Hitze und die unzähligen Schnaken und Bremsen, das Aufhängen und viele Arbeiten mehr. Schieberkraut ist ein Hinweis auf den Wert des Tabaks in schlechten Zeiten, als mit der Ersatzwährung Tabak „gefuggert“ wurde.

Der Name Eigenheimer drückt aus, womit für so manchen Zeitgenossen der Hausbau verbunden war.

In der mit vielen Bildern unterlegten breiten Gesprächsrunde wurde auf viele Lokaldetails Bezug genommen, natürlich auch auf die Folgenutzung der einst mächtigen Tabakschuppen eingegangen, die eine städtebauliche Herausforderung bedeuten.

Sei anzumerken, dass heute in der Südpfalz angebauter Tabak quasi in die alte Heimat zurück exportiert wird, weil der typische Geschmack des Pfälzer Tabaks gefragt ist. Allerdings funktioniert der Weltmarkt nach eigener Gesetzlichkeit.

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