Vom Kaiserhof zum Bauernhof: Historisches Stationentheater in Steinweiler echtes kulturelles Highlight

9. September 2018 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Kultur, Landau, Regional

Vor dem Start: Alle Darsteller mit den Bürgermeistern Detzel und Poß, Landrat Dr. Fritz Brechtel und dem Bundestagsabgeordneten Thomas Gebhart.
Fotos: Licht/Wih

Steinweiler begeht in diesem Jahr – wie schon mehrfach berichtet – sein 1050-jähriges Dorfjubiläum. Ein Highlight in der Reihe der Veranstaltungen war am Wochenende das historische Stationentheater.

Mit einem Fotoshooting im Hof des Gemeindehauses startete das Event. Neben Ortsbürgermeister Michael Detzel und Verbandsbürgermeister Volker Poß waren auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Gebhart und Landrat Dr. Fritz Brechtel gekommen.

„Ein großes und tolles Projekt“ sei die Inszenierung, sagte Detzel bei der Begrüßung der Schauspiel-Truppe. „Es zeigt, wo wir herkommen.“ Dass gleichzeitig noch „Kaiserwetter“ herrschte, freute alle Beteiligten.

An acht Stationen haben die rund 60 überwiegend einheimische Darsteller unter der Regie von Theaterwissenschaftlerin Sabine Daibel-Kaiser die Ortsgeschichte lebendig werden lassen. „Vom Kaiserhof zum Bauernhof – Stäweilrer Gschicht(l)e“ wurden eindringlich und auch humorvoll erzählt.

Die erste Station war die Evangelische Kirche, wo der „Mann mit der Glocke“ die Besucher begrüßte. Ein Thema dort: Schule früher und heute – zu Zeiten, als der Unterricht noch nach Konfession getrennt war. Auch der Rohrstock kam damals reichlich zum Einsatz. Der Gemeinderat hatte kein Geld für Renovierung von Lehrerwohnung. Zumindest gab es eine spätere Anordnung, die wenigen „Zimmer zu wärmen“.

Geschehen zu Kriegsende nachgestellt

Eine weitere Szenerie: Die Amerikaner stehen auf dem Wingertberg und beschießen Steinweiler. Kinder und Frauen flüchten in die evangelische Kirche beim Anblick der Panzer. Ein Mann will Deutschland verteidigen – bis zum letzten Blutstropfen. Ein anderer – Fritz Bossert – hängt eine weiße Fahne auf die Kirche. Der reichstreue Deutsche holt sie wieder herunter und beschimpft alle als Vaterlandsverräter.

Bossert geht mit der weißen Fahne den Amerikanern entgegen. Steinweiler wird verschont, doch die Bewohner müssen Platz machen für die Besatzer, erst für die Amerikaner, später für die Franzosen. Man haust in Nebengebäuden oder im Keller. Der tapfere Bossert wurde der erste Bürgermeister nach dem Krieg.

Einigen Zeitzeugen kamen beim Betrachten dieser Szene beinahe die Tränen – sie wurde als die beeindruckendste im Stationentheater benannt. Innerhalb der Akte gab es immer wieder Darstellungen mit Bezug zur Gegenwart – Zeitsprünge sozusagen.

Die nächste Station: Nach Kriegsende herrschte erst einmal Not. So brauchte man einen Feldschütz (Flurhüter), denn es musste viel gesät und geerntet werden. Mäusefang wurde mit einem Pfennig pro Maus belohnt. Es gab Zuteilungen, zum Beispiel Nägel.

Eine andere Station war die Obergasse 42. Dort war früher ein Tanzlokal. Nach dem Krieg hatte man im Ort wieder Mut gefasst und tanzte – und im Gässchen daneben gab es so manche Liebelei.

In der Obergasse 21 hielt man alle möglichen Nutztiere. Ausmisten war tägliche Arbeit. Heute mistet man auch, allerdings für Pferde. Früher brauchte man die Pferde zum Pflügen, heute ist es Freizeitsport, machten die Darsteller deutlich.

Für amtliche Meldungen oder Warnungen war die Dorfrufanlage da, mit der man Durchsagen machen konnte – beispielsweise der Ruf zu einer Ratssitzung.

Weiter ging es zum Hof Bohlender, wo sich in der Szene Handwerker und Landwirte treffen – der Schuhmacher, der Schmid, der Bauer, ein Winzer oder der Bierbrauer.

Wichtig war natürlich auch der Dorftratsch. Viel „betratscht“ wurde ein Streich, den die Gesellen dem Metzgerlehrling gespielt hatten: Sie hatten die Schlachtschweine freigelassen. Man hatte ordentlich zu kämpfen, bis die Tiere im Dorf wieder eingefangen waren.

In der katholischen Kirche betete Schwester Fidelis dafür, dass die Kirche nicht wieder abbrennt, was in der Vergangenheit mehrmals vorgekommen ist. Kinder kommen mit ihren Verletzungen zur Schwester. Doch darf ein evangelisches Kind in einer katholischen Kirche behandelt werden? Schwester Fidelis beweist Herz und kümmert sich um den Jungen.

Zurück zum Kaiserhof

Majestätisch wurde es dann im Gemeindehof: Kaiserin Adelheid begrüßte ihre Untertanen und verlas die Schenkungsurkunde.

Der Fürstbischof von Hutten war ebenfalls mit von der Partie, genauso wie die spätere „Napoleons-Eiche“ (sie wurde nach dem zweiten Weltkrieg zu Brennholz zerhackt) und die „Napoleons-Säule“ (die „überlebt“ hatte, weil aus Stein).

Am Ende erhielten die Schauspieler für ihre Darstellungen viel Applaus. Die Freiwillige Feuerwehr bot Essen und Trinken im Feuerwehrhaus an.

Die Schauspieler indes hatten, bevor sie in Aktion traten, von Bürgermeister Detzel Gutscheine bekommen, falls Hunger und Durst sie übermannten – mit einer direkten „Hotline“ zur Feuerwehr.

Insgesamt zwölf Mal wurde gespielt, sechs Mal jeweils am Samstag und am Sonntag – eine beachtliche Leistung. Die meistens Vorstellungen waren ausverkauft. (cli/wih)

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