TuS Haardt legt Reste der „Eremitage“ frei

21. Juli 2018 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer

Das einzige vorhandene Foto (1951).
Bildarchiv Felicitas von Roessler

Neustadt-Haardt. Was macht man als Sportgruppe des TuS Haardt, wenn in den Sommerferien die Sporthallen geschlossen sind und man trotzdem etwas für sich tun möchte?

Hans Peter Michel weiß die Antwort: Man geht mit Spaten Pickel, Hacke, Rechen und Besen in den fünf Hektar großen Waldpark hinter dem Wohnheim für Asylsuchende im Mandelring. Nachdem die Gruppe im vergangenen Jahr den „Lindenplatz“ samt ehemaligem Wasserfall von Jahrzehnte alten Humusschichten gereinigt hatte, waren in diesem Jahr die „Eremitage“ und ein Brunnenschacht an der Reihe.

Die um 1840 errichtete „Eremitage“ war in den 1960-er Jahren zusammengefallen und nur noch als Steinhaufen erkennbar. Nun wurde sie von Bewuchs befreit.

Die auf den Weg gefallenen Steine räumte man beiseite.

Der Umriss des Gebäudes und die Begrenzungssteine des Weges sind jetzt wieder deutlich erkennbar.
Foto: privat

Der Brunnenschacht, der früher der Wasserversorgung der Wasserspiele im Park diente, konnte nur mühsam gereinigt werden, da der Einstieg nur 48 mal 48 cm groß ist. Anschließend gab es auf dem Dorfplatz in Haardt eine Vesper, zu der Ortsvorsteher Richard Racs die Getränke spendierte. Man war sich einig, einen weiteren Arbeitseinsatz für diese schöne Anlage durchzuführen.

Wer mehr über diesen historischen Park erfahren möchte, kann am Mittwoch, 1. August, 18 Uhr, an einer Führung mit Hans Peter Michel, dem Haardter Dorfführer, teilnehmen. Treffpunkt ist am Kriegerdenkmal an der Auffahrt zum Schloss.

Der ehemalige Wasserfall bei der Eremitage.
Quelle: privat

Ergänzende Infos:

Die „Eremitage“ war eine künstliche Einsiedelei. Sie bestand aus Trockenmauerwerk, das aus großen, grob zugehauenen Sandsteinquadern aufgeschichtet worden war. Auf dem Satteldach aus Birkenholz-Sparren saß ein offener, hölzerner Dachreiter mit hohem, schlankem Spitzhelm und Glocke.

Zwei der historischen Abbildungen aus der Mitte des 19. Jh. zeigen das Bauwerk jedoch idealisiert mit einer klassizistischen Front aus Säulenportikus und Dreiecksgiebel sowie einer runden Turmbekrönung. Tatsächlich dürfte es wesentlich schlichter, ja geradezu „rustikal“ ausgesehen haben, wie das einzige vorhandene Foto von 1951 belegt (siehe ganz oben).

Auch an einen Säulenportikus auf der Schauseite können sich Zeitzeugen nicht erinnern. Wie die gesamten Wolf’schen Anlagen, so war wohl auch die Eremitage eine Liebhaberei des Wachenheimer Weingutbesitzers Johann Ludwig („Louis“) Wolf.

Dieser hatte das Grundstück des heutigen Wohnheims samt dem späteren Waldpark um 1840 als Sommerwohnsitz erworben. Man betrat die Einsiedelei durch eine Tür auf der Südseite. Trat man auf eines der Holzbretter im Boden, wurde ein Seilzug-Mechanismus ausgelöst und die Mönchspuppe auf einem Stuhl hinter dem Tisch vollführte eine Verbeugung in Richtung des Besuchers (siehe Grundriss).

Grundriss der Eremitage.
Quelle: privat

Die Eremitage war auch mit Betbank und Bett für den frommen Einsiedler ausstaffiert. Neben der Tür hing ein Seil, mit dem die Glocke im Dachreiter bedient werden konnte. Was der geistige bzw. geistliche Hintergrund für die Anlage der Eremitage war, bleibt spekulativ.

Immerhin schafften es Bauwerk und Aussicht in August Beckers „Die Pfalz und die Pfälzer“ von 1858 sowie in touristische Führer aus dieser Zeit. In der Nachkriegszeit war das Gebäude von den Bewohnerinnen des benachbarten „Schweizerhauses“ noch als Hühnerstall und Geräteschuppen genutzt worden. Danach verfiel es oder wurde mutwillig zerstört. (red)

 

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