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Stimmen zum NPD-Urteil: Auschwitzkomitee entsetzt – de Maizière: „NPD zu schwach und unwichtig“ -Türkische Gemeinde: Keine Stärkung rechter Kräfte

17. Januar 2017 | Kategorie: Nachrichten, Politik
Foto: dts nachrichtenagentur

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Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, hat sich entsetzt über das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur NPD geäußert.

„Heute ist ein tragischer Tag für die wehrhafte Demokratie. Das IAK hat dieses Verbot der NPD immer wieder gefordert und das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung gedrängt. Die heutige Entscheidung ist für die Überlebenden des Holocaust eine empörende und erschreckend realitätsferne Entscheidung“, sagte er der „Bild“.

Wie könne es sein, „dass diejenigen, die den Holocaust nicht nur klammheimlich bejubeln und in vielen Kommunen ständig neue Kapitel des Hasses provozieren, im demokratischen Spektrum bleiben dürfen und vom Staat weiter bei Hetze und Gewalt gegen die Demokratie allimentiert werden?“.

Darüber hinaus sei „diese realitätsblinde und unzeitgemäße Entscheidung ein fatales Signal nach Europa, wo Rechtsextreme und Rechtspopulisten längst neue Schnittmengen miteinander finden und ständig versuchen, Angst und Unsicherheit von Menschen in Hass und Aggression zu verwandeln“.

Türkische Gemeinde: Keine Stärkung rechter Kräfte durch NPD-Urteil

Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der türkischen Gemeinde in Deutschland, sieht in dem abgelehnten NPD-Verbot keine Stärkung der rechten Kräfte in Deutschland. „Ich kann mit dem Ergebnis leben. Was Parteienverbote betrifft, bin ich sowieso sehr skeptisch. Unsere Demokratie ist stark genug, um gegen rechtsextremistische Kräfte vorzugehen“, sagte Sofuoglu.

Er forderte zudem ein gemeinsames Vorgehen aller Demokraten in Deutschland gegen rechtspopulistische Kräfte. „Wir müssen hier jetzt endlich klare Kante zeigen.“ Dass sich durch das abgelehnte NPD-Verbot die Situation für Menschen mit Migrationshintergrund verändere, glaube er hingehen nicht. Dazu sei die NPD inzwischen zu sehr marginalisiert. „Die NPD zu verbieten und gleichzeitig die AfD als legitim zu betrachten, wäre sowieso keine Lösung gewesen“, so Sofuoglu weiter.

Antisemitismus gebe es nicht nur in der NPD, sondern auch in der AfD, die inzwischen immer mehr in der Mitte der Gesellschaft verankert sei. Deswegen müsse der Verfassungsschutz die AfD permanent im Blick haben. Diese sei ein „Sammelbecken für Rechtsextremisten“.

de Maizière: „NPD zu schwach und unwichtig“

Bundesinnenminister de Maizière zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Heute hat das Bundesverfassungsgericht den Antrag des Bundesrates, die NPD zu verbieten, zurückgewiesen.

Wir werden uns also weiter mit dieser Partei, ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung und ihren verfassungsfeindlichen Zielen politisch auseinandersetzen.

Unsere Auffassung, dass die Ideologie der NPD verfassungsfeindlich und mit dem Demokratieprinzip unvereinbar ist sowie die Menschenwürde missachtet, hat das Bundesverfassungsgericht heute deutlich bestätigt.

Das Verbot der NPD ist also nicht daran gescheitert, dass sie keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt, sondern daran, dass sie zu schwach und unwichtig ist, sie auch zu verwirklichen. Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass wir in den letzten Jahrzehn-ten die Auseinandersetzung mit der NPD erfolgreich geführt haben.

Das sollte und muss uns ermutigen, denn angesichts eines ansteigenden rechtsextremistischen Perso-nenpotenzials ist die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Demokratiefeindlichkeit und Rassismus dringlich. Sie ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, die wir zusammen annehmen müssen, mit präventiven wie mit repressiven Elementen. Hierzu zählt die Beobachtung der NPD durch die Verfassungsschutzbehörden, die ich weiter für geboten halte, und ich werde wie in der Vergangenheit auch in Zukunft rechtsextremistische Vereine verbieten.

Das Urteil schafft Rechtssicherheit. Über 60 Jahre nach dem letzten Parteiverbot hat das Bundesverfassungsgericht die Maßstäbe dieses Instruments an die heutige Zeit angepasst und damit wichtige Leitlinien formuliert. Das Instrument des Parteiverbotes hat damit sehr viel klarere Konturen bekommen.

In seiner Einführung hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts auch Handlungsspielräume des verfassungsändernden Gesetzgebers bei der Parteienfinanzierung angedeutet. Das werde ich jetzt sorgfältig prüfen lassen.“

Justizminister Heiko Maas: „Klare Haltung gegen Rassismus zeigen“

Heiko Maas sagte zur heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: „Wir nehmen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit größtem Respekt zur Kenntnis. Das Gericht hat die Grenzen für ein Parteiverbot klar gezogen und auch sehr deutlich gemacht: Das politische Konzept der NPD missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.

Unabhängig vom konkreten Ausgang des Verfahrens bleibt es dabei: Kein Verbot allein beseitigt Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Denn: Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus kann uns niemand abnehmen.

Klare Haltung gegen rechte Hetze zu zeigen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für uns alle: Für die Politik, für die Sicherheitsbehörden und für die Zivilgesellschaft. Die Entscheidung sollte uns allen Ansporn sein, unsere Demokratie und unsere Grundrechte umso entschlossener zu verteidigen.

Das Grundgesetz enthält eindeutige Regeln für das Verbot von Parteien, aber auch für den offenen und toleranten Umgang miteinander. Die klarste Antwort an alle Rassisten und Fremdenfeinde – ob in der NPD oder wo auch immer – steht schon in Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Kubicki: NPD-Urteil „beschämend“ für deutsche Sozialdemokratie

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot vor allem als Niederlage für die SPD gewertet: „Vor allem für die bundesdeutsche Sozialdemokratie ist die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes beschämend“, sagte Kubicki am Dienstag.

„Es zeigt sich: Wer – wie führende Sozialdemokraten – das politische Symbol zum überragenden Ziel aller seiner Überlegungen macht, wird am Ende einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen und sich selbst bis auf die Knochen blamieren.“

Das NPD-Verbotsverfahrens habe „von vornherein nichts mit Sachpolitik“ zu tun gehabt. „Man hätte erwarten können, dass die Innenminister nach dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens nun keinen Fehler machen wollten und gewichtige Anhaltspunkte für die Rechtfertigung eines solchen Verbotes ins Feld führen. Dies war ersichtlich nicht der Fall“, so Kubicki weiter.

Barley fordert „entschlossenen Kampf“ gegen die AfD

Nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens hat SPD-Generalsekretärin Katarina Barley ein entschlossenes Vorgehen gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten in der AfD gefordert. „Der Kampf gegen rechts geht weiter“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Viele frühere NPD-Anhänger hätten „ihre neue politische Heimat inzwischen in der AfD gefunden und prägen die Politik dieser Partei maßgeblich mit“.

Barley verlangte: „Gegen alte Nazis und neue Rechtspopulisten müssen wir entschlossen auftreten.“ Auch wenn sich die neue Rechte in Deutschland nicht mehr „so dumpf und gewalttätig“ gebe wie die NPD, sei sie doch „eine Gefahr für unser weltoffenes und demokratisches Land“.

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