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Rheinzabern: „Vom blühenden Land zum Distelfeld“ – Der 30-jährige Krieg und die Südpfalz

22. Mai 2019 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kultur

Rolf Übel fesselte die Zuhörer.
Foto: Beil

Rheinzabern – Der 30-jährige Krieg 1618 bis 1648 gilt als schlimmster Krieg in der Erinnerung der Deutschen. In einem ebenso temperamentvoll wie spanendem Vortrag bei der vhs-Rheinzabern ging Archivar Rolf Übel M.A. insbesondere auf die Kriegsauswirkungen in der Südpfalz ein.

Tatsächlich verringerte sich die Bevölkerungszahl zwischen 1618 und 1648 um 50 Prozent. Betroffenes Schweigen im Saale, als man diesen Prozentsatz auf die heutige Bevölkerung von 80 Millionen bezog. Und der Westfälische Friede von 1648 gelte als Grundgesetz des deutschen Separatismus, so Übel, wurde doch dort eine Entwicklung eingeleitet, die erst Bismarck mit der deutschen Einigung im 19. Jahrhundert überwinden konnte.

Zwar, so der Referent, sei schon vieles geschrieben worden und etliche TV-Sendefolgen scheinen schon alles angesprochen zu haben, dennoch gäbe es noch viele unerforschte Quellen, die allerdings weit verstreut lägen. Sogenannte Key-Sources (herausragende Quellen) sind die Kriegstagebücher von Peter Hagendorf und Egon Häberle. Immer wichtiger wird die Schlachtfeldarchäologie.

Der Ursachen für den 30-jährigen Krieg gab es einige: Konfessionsstreit, Vormachtstreben in Europa, Herausbildung von absolutistischen Strukturen gegenüber den vielen Herrschaften, regelrechte Kriegsunternehmer dienten sich den Landesherren an, Schlachten waren wahre Großversuche für Waffentechnik.

Und Propaganda war dabei, beispielsweise bei der Berichterstattung über das Fanal des Krieges, den Prager Fenstersturz. Sah die katholische Seite die kaiserlichen Beamten als von Engeln gerettet, führte die protestantische Seite deren Überleben auf das Vorhandenseins eines Misthaufens zurück. Gustav Adolf wurde als „Lichtgestalt“ des Protestantismus dargestellt, obwohl auch seine schwedischen Söldner (80 Prozent der jungen Schweden verloren ihr Leben) ordentlich hausten – wie alle Söldner, die aus ganz Europa angeworben worden waren.

Tod und Verderben herrschten in Europa.
Stiche über Rolf Übel

Spanier, Franzosen, Habsburger, Wittelsbacher, Kurpfalz, Fürstbistum Speyer, Pfalz-Zweibrücken, Neuscharfeneck, Landau, Winterkönig Friedrich V., Wallenstein, Mansfeld, Tilly, Spinola, Gustav Adolf – zahlreiche Namen und Orte wurden genannt, wobei es auch nach über 400 Jahren schwer fiel, einen roten Faden zu behalten.

Umso weniger verstand die damalige Bevölkerung, was geschah, wer Freund oder Feind, gut oder schlecht. Prägend war: Der Krieg muss den Krieg ernähren. Und dies hieß immer wieder: Gewalt, Kontributionen an die durchziehenden Truppen, Brandschatzung (Freikaufen von der Belagerung und Zerstörung) und Salveguardia (teuere Schutzbriefe). In Grimmelshausens Simplicissimus steht so Manches.

Schon 1621, nach der Niederlage des Winterkönigs Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz am Weißen Berg bei Prag, wurde die Kurpfalz besetzt, Wittelsbachisches Gebiet. Die die fürstbischöflich-speyerische Madenburg wurde ebenso zerstört, wie die Burg Neuscharfeneck, eine der stärksten Festen ihrer Zeit. Sie gehörte einem prot. Zweig der Wittelsbacher. Bayern indes, das katholische Haus Wittelsbach, trachtete nach der pfälzischen Kurwürde, die in Hand der protestantische Linie Kurpfalz war.

1627 marodierten „grazische Reiter“ (Kroaten) in der Pfalz, an die unter anderem der Krawatten (Kroaten)-Woog beim Hermersbergerhof erinnert. Zwischen 1635 und 1648 herrschte in der Pfalz Soldatenanarchie, die verbrannte Erde hinterließ. Und sieben Jahre lang herrschte die Pest.

Kein Wunder, dass das Land vom „blühenden Land zum Distelfeld“ wurde. Landau hatte zehnmal den Besitzer gewechselt, 1645 wurde es von Marschall Turenne eingenommen und kam 1648 zu Frankreich, wo es bis zum Ende Napoleons verblieb.

In die wüst gefallenen Dörfer siedelten später die Landesherren Einwanderer aus Gegenden Europas an, in denen Menschenüberschuss herrschte oder Glaubensverfolgung wütete. Im Zuge der sogenannten Peublierung durch Kurfürst Ludwig VI. kamen Menschen aus der Schweiz, aus Tirol, aus Savoyen, Piemont, dem Jura u.a. Regionen Europas in die Pfalz. So mancher Familienname erinnert noch daran. (gb)

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