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„Ich lasse mich nicht festlegen“ – Interview mit dem Sänger Marc Marshall

19. Dezember 2012 | Kategorie: Kultur, Leute, Musik regional, Regional

 

Vielseitiger Künstler: Marc Marshall singt, komponiert – und organisiert.

Kandel – Kräftige, mitreißende Klänge auf der Bühne, privat eher leise Töne. Marc Marshall ist Sänger, Komponist, Produzent, Entertainer – und sehr erfolgreich.

Er studierte unter anderem Gitarre in Los Angeles, daneben widmete er sich der klassischen Musik. Sein Studium als Bariton schloss er an der Hochschule für Musik in Karlsruhe ab.  Mit „Marshall & Alexander“ ist er einem breiten Publikum bekannt geworden, bei den Auftritten des Gesangsduos sind Kirchen und Konzertbühnen ausverkauft, die Alben boomen. Trotzdem ist er immer auf dem Teppich geblieben. Mit einem großen Herz für die Menschen – und natürlich für die Musik.

Das PEX-Interview mit Marc Marshall über Kindheit, die Welt des Showbusiness und persönliche Quintessenzen.

Herr Marshall, was führt Sie nach Kandel?

Wir waren mit unterschiedlichen Programmen auf Tournee und ich dachte, es wäre schön, mal wieder in der Nähe der Heimat aufzutreten. Außerdem: Mein Urgroßvater stammt aus Godramstein. Ich habe drei Jahre lang für Rheinland-Pfalz eine Sendung moderiert, den Fröhlichen Weinberg. Dabei habe ich sehr viele neue Freunde gewonnen. Ich bin immer wieder hier gelandet, in Deidesheim, Ellerstadt, Neustadt. Und seit ich weiß, dass ich auch noch Wurzeln hier habe, ist es noch schöner.

Sie sind kein Gesangsduo, desssen Stücke den ganzen Tag im Radio rauf und runter laufen. Dennoch scheint „Marshall & Alexander“ jeder zu kennen – wie kommt´s?

Wir haben ganz viel live gesungen – seit 15 Jahren. Und seit zehn Jahren sind wir quasi auf Dauertournee. Durch einige hundert Kirchen, in großen Metropolen, wir sind auch viel im Fernsehen gewesen – irgendwann erreicht man damit sehr viele Menschen. Wir haben keinen Ehrgeiz, jeden Tag im Radio gespielt zu werden. Wir fallen sowieso durch alle Formate, passen in keine Schublade. Früher sagte man uns, wir würden nie erfolgreich sein – und heute sind wir erfolgreicher denn je.

Ihr Publikum mag ja ganz offensichtlich die wechselnden Musikrichtungen…

In der Regel wird man in ein bestimmtes Genre gesteckt, aber für uns war immer klar, dass wir uns nicht festlegen. Da musste das Publikum schon manches mitmachen. Ich habe als Produzent, Manager und Stratege Wert darauf gelegt, dass wir uns immer weiter entwickeln, mal Deutschpop singen, dann wieder sakrale Musik – das ist für Fans und Freunde unserer Musik nicht immer ganz einfach. Für uns ist es ein großes Privileg, dass wir unsere unterschiedlichen Musikrichtungen machen dürfen und den Menschen damit eine Freude bereiten können.

Sie haben ungefähr 180 Auftritte im Jahr – woher nehmen Sie die Zeit, Ihre Ideen zu entwickeln?

Es sind sogar noch mehr, zumindest was die Tage betrifft – ich bin ja auch noch mit anderen Dingen befasst. Über 200 Tage unterwegs kommen da schon zusammen. Ich betreue seit sechs Jahren mein eigenes Jazz-Festival in Baden-Baden („Mr. M’s Jazz Club“, jährlich im März, Anm. d. Red). Das ist mir ein großes Anliegen. Till Brönner, Klaus Doldinger, Roger Cicero, Take 6, New York Voices sind ebenfalls schon bei uns aufgetreten. Ich habe zusammen mit meinem Freund Gernot Rothenbach Musikkompositionen für die Kinderserie „Bummi“ geschrieben, organisiere Konzerte für Veranstaltungen, kreiere Ideen, wie man Veranstaltungen interessanter gestalten kann. Mein Team und ich sind viel unterwegs, auch im Ausland – das macht großen Spaß und fordert mich zusätzlich.

Das klingt nach einem 26-Stunden Tag.

Nein! Das klingt nach großem Glück! Mich hat immer interessiert: Wie kommen diese Dinge überhaupt zustande? Es fasziniert mich, dass es ein künstlerisches Produkt gibt, das die Menschen dazu veranlasst, sich eine Karte zu kaufen, ins Konzert zu gehen und zuzuhören. Mir war es nie genug, einfach nur gebucht zu werden. Schon in den 90ern habe ich Festivals betreut, eigene Opern produziert, Open-Air Konzerte organisiert. Ich finde es großartig, Plakate zu entwerfen, Sitzpläne zu machen – also sich die Unabhängigkeit als Künstler selbst zu erarbeiten.

Sie arbeiten mit vielen nationalen und internationalen Musik-Größen, haben unter anderem mit Aretha Franklin und Andrea Bocelli gesungen – wie ist das, wenn man mit Legenden auf der Bühne steht?

Das war großartig. Zu Andrea Bocelli habe ich eine ganz besondere Verbindung – das erste Konzert, das er in Deutschland gegeben hat, habe ich seinerzeit in Baden-Baden veranstaltet. Das war noch vor seinem Welterfolg „Time to say good bye“. Als ich ihn dann später nochmals für ein Open Air haben wollte, war er schon der große Bocelli – er sagte sofort zu und wir haben zusammen gesungen.

Mit Aretha Franklin bin ich auf einer Veranstaltung in Washington im National Building Museum, für die ich das künstlerische Programm organisiert hatte, gemeinsam auf der Bühne gestanden. Das war einfach unbeschreiblich. Und mit ihr danach im Hotel zu sitzen und Gulaschsuppe zu essen – das sind Erlebnisse, bei denen man als Künstler das Gefühl hat, man macht die Dinge nicht ganz falsch, eine solche Begegnung kommt nicht von ungefähr. Es ist fast eine kindliche Neugier, es macht Spaß, man kann sich auf neue Dinge einlassen und auch den ganz Großen auf Augenhöhe begegnen. Auch Harry Belafonte habe ich zwei Mal getroffen, diese Begegnungen bereichern mich sehr.

Wann wussten Sie, dass Sie diesen Beruf ergreifen wollten?

Durch meinen Vater (Schlagersänger Tony Marshall, Anm. der Red.) habe ich sehr früh gelernt, was in diesem Geschäft schön ist und was nicht. Ich bin damit groß geworden. Und die negativen Seiten haben mich nicht abgehalten, ich wollte schon sehr früh Sänger werden. Das war quasi ein lebenslanges Praktikum – ein großes Privileg.

Wie entstehen Ihre Ideen? Und was ist, wenn Sie und Jay unterschiedlicher Meinung sind?

Woher die Ideen kommen, kann ich nicht so genau beschreiben. Die sind einfach irgendwann da. Wenn ich eine Idee habe, arbeite ich sie aus, um festzustellen, ob sie auch was taugt.

Dann geht man in einen Denkprozess, überlegt, kommt zu dem Schluss, das könnte was sein. Wir diskutieren darüber und entscheiden – Jay vertraut mir da schon (lacht). Wenn wir als Duo auftreten – es gibt ja auch immer wieder Solo-Projekte von jedem von uns – ist es für das Publikum wichtig, dass wir beide als gleichberechtigte Sänger agieren.

Privat ist über Sie recht wenig bekannt.

Das ist eine Sache, die ich gelernt habe – mein Bruder und ich waren als Kinder ununterbrochen in der Presse mit Fotosessions, Homestories …als ich ein Teenager war, hatte ich darauf überhaupt keine Lust mehr, ich fand es grauenhaft. Deshalb habe ich mir geschworen, dass ich mein Privatleben aus der Öffentlichkeit raushalte. Trotz der Berühmtheit meines Vaters haben unsere Eltern uns so erzogen, dass wir nicht in dieser harten, künstlichen und manchmal verlogenen Welt des Showbiz lebten. Sie hatten uns ein ganz normales Leben ermöglicht, mit Schule, Sportunterricht, Musikunterricht. Wir sind auch immer in Baden-Baden geblieben, haben bodenständig gelebt, es ging nie um Status und Reichtum – das verschafft einem die Grundlagen, um später in diesem Beruf stabil zu bleiben.

Eine „verlogene Welt des Showbiz“?

Oft. Es gibt einen irrsinnigen Konkurrenzdruck, ein Hauen und Stechen. Und eine Oberflächlichkeit in den zwischenmenschlichen Beziehungen – man sieht sich kurz, versteht sich vielleicht auch gut, aber dann zieht jeder wieder seiner Wege. Es ist schwer, in diesem Umfeld verlässliche Freundschaften aufzubauen. Von Familienfreundlichkeit ganz zu schweigen. Manchmal ist es auch eine seltsame, sogar schockierende Erfahrung, wenn vertraute Menschen verlernen, mit einem umzugehen, weil man berühmt ist.

Engagieren Sie sich noch bei der Welthungerhilfe?

Weniger, wir haben uns mehr auf punktuelle Hilfe konzentriert. Z. B. Typisierungsaktionen, Benefizkonzerte…wenn es schwere Einzelschicksale gab, sind wir aufgetreten und haben das Geld dann gespendet. Ich engagiere mich für „Kinderlachen“ und für die Lebenshilfe Baden-Baden und Bühl als Botschafter. Da weiß ich, was passiert, ich kenne die Menschen persönlich – meine Schwester hat dort ihren Lebensmittelpunkt gefunden – es ist selbstverständlich, dass ich mich dort einsetze.

Sind Sie nervös vor einem Auftritt?

Nein. Kein bisschen. Ich habe als Siebenjähriger entschieden, ich werde Sänger, das war einfach in mir drin. Ich tue nur das, was ich kann. Ich könnte mit so einem Lampenfieber-Stress nicht leben.

Wie ist Ihre Beziehung zum Publikum, wenn Sie auftreten?

Da passiert emotional ganz viel – es ist wie ein energetischer Austausch. Ich glaube, viele Menschen im Publikum wissen gar nicht, wie sehr sie auch Verantwortung tragen, dass ein Konzertabend schön wird. Ich habe Ohren, Augen und Herz offen, ich habe Sensoren, aber ich bin keiner der sich durch etwas, was im Publikum passiert, aus der Ruhe bringen lässt.

Was ist Ihr persönliches Lieblingsalbum?

Eine große Verbindung habe ich natürlich zum Album Götterfunken – das war das Album, das ich als erstes für M&A selbst produziert habe. Und jeder sagte, das wird nichts. Wenn man vier Monate zwischen Fertigstellung und Veröffentlichung nur von allen hört: „Das interessiert keinen Menschen“ – da wird man schon unruhig. Es ist unser erfolgreichstes Album geworden.

Und welches Album mag Ihr Gesangspartner am liebsten?

Jay mag das erste Album „Marshall & Alexander“. Er ist ein ganz großer Fan dieser Anfänge.

Treffen Sie und Jay sich auch privat?

Nein. Bei so vielen gemeinsamen Tagen im Jahr ist jeder froh, sein eigenes Leben außerhalb von Marshall & Alexander zu haben.

Bekommen Sie viele Liebesbriefe?

Ich habe sie nicht gezählt, aber es sind schon einige. Ich sehe das als Anerkennung für meine Arbeit, ohne die man mich gar nicht kennen würde. 

Was können Sie unseren Lesern zu Weihnachten mit auf den Weg geben?

Gesundheit – und ein Lächeln verschönert den Tag. In der kleinen Einheit die Welt verbessern und nicht die große Weltpolitik bedienen. (cli)

Hinweise:

Homepage von Marc Marshall: www.marcmarshall.de

 

Marc Marshall und Eva Lind moderieren das „Chorfest der Weihnachtslieder“.


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