Europa-Kongress der CDU in Rülzheim mit David McAllister: „Europa ist wichtig. Europa ist gut.“

11. Mai 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Politik regional, Politik Rheinland-Pfalz, Regional

CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner, Europawahl-Spitzenkandidat David McAllister: Leidenschaftliches Plädoyer für Europa.
Fotos: pfalz-express.de/Licht
Fotogalerie und Video am Textende

Rülzheim – Europa bedeutet Frieden, Europa bedeutet Sicherheit, Europa bedeutet Wirtschaftsstärke. Das war der Tenor des Europa-Kongresses der rheinland-pfälzischen CDU in der Rülzheimer Dampfnudel am 9. Mai, dem Europa-Tag.

Nicht nur ein Staatengebilde auf dem europäischen Kontinent, nicht nur Regulierungswahn und Bürokratie, sondern vor allen Dingen Frieden, gelebte Nachbarschaft und Fortschritt habe die EU den Menschen gebracht, lautete dann auch das Fazit der zuvor diskutierten und verabschiedeten Europa-Erklärung „Rheinland-Pfalz im Herzen der EU“.

Anwesend war alles, was in der hiesigen CDU Rang und Namen hat: Die Landesvorsitzende Julia Klöckner, Generalsekretär Patrick Schnieder, Ex-Minister Heiner Geißler und – etwas später und mit Spannung erwartet – der Spitzenkandidat der CDU Deutschland für Europa, David McAllister, charismatischer Deutsch-Schotte und ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen. Selbstredend natürlich auch die Vertreter der lokalen Politik und der Wirtschaft.

Für Fragen standen die Kandidaten der ersten drei Listenplätze für die Europawahl zur Verfügung: Dr. Werner Langen, MdEP, Birgit Collin-Langen, MdEP sowie Simone Thiel.

Matthias Schardt, Verbandsgemeinde-Bürgermeisterkandidat für Rülzheim, warb eingangs für die Fitness- und Wohlfühlregion Rülzheim und hob die gute wirtschaftliche Entwicklung durch die Ansiedlung des Gewerbegebiets hervor.

Jean-Claude Juncker grüßt Rülzheim

Eigens für die Veranstaltung in Rülzheim hatte Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission, eine Grußbotschaft per Videoleinwand geschickt.

Die Krise sei noch nicht vorbei, aber die Talsohle überschritten, sagte Juncker und betonte, dass es mit ihm weder Wachstum auf Pump noch „von oben befohlenes“ Wachstum geben werde. „Dadurch unterscheiden wir uns am meisten von den Sozialdemokraten.“

Klöckner: Identität bewahren – Zuständigkeiten klären

Julia Klöckner erinnerte an frühere Zeiten, als die Jugend Europas gegeneinander in den Krieg gezogen sei. „Und heute steht Europa offen – für Arbeit, Ausbildung, Schüler- und Studentenaustausch oder auch einfach nur den Urlaub. Europa ist im Alltag viel leichter geworden und beginnt direkt vor der Haustür.“ 18 Staaten hätten mittlerweile die gemeinsame Währung, die Grenzen seien fließend.

Klöckner sprach sich deutlich auch im Namen ihrer Partei für mehr Deregulierung innerhalb der EU aus. Lokale und regionale Spielräume müssten bleiben, damit es auch ein Europa der Kommunen bleibe. Es gelte, deutlich die Zuständigkeiten zu klären, gleichzeitig aber auch die eignen Identitäten zu bewahren.

Die rheinland-pfälzische Regierung wurde von der CDU-Landesvorsitzenden angemahnt, die von der EU zur Verfügung gestellten Mittel vollständig abzuschöpfen und die Zahlen dazu transparenter zu machen. Dies sei bislang nicht der Fall, sagte Klöckner und nannte konkret das Agrarförderprogramm PAUL, bei dem nur 67 %, im Programm ELER zur ländlichen Entwicklung lediglich 68 % abgerufen worden seien. Diese Abrufraten müssten sich in Anbetracht der schwierigen finanziellen Lage von Rheinland-Pfalz deutlich erhöhen.

Gemeinsame europäische Ziele sieht Klöckner unter anderem in der Energiepolitik, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, dem Verbraucher- und Datenschutz, der Kontrolle von Lebensmitteln und einer geschlossenen Stimme in der außereuropäischen Politik. Eurobonds und „Schuldenunion“ allerdings erteilten Klöckner und die gesamte CDU – wie bereits seit Jahren – eine deutliche Absage. „Europa muss stärker, wettbewerbsfähiger und auch gerechter werden“, bekräftigte Klöckner.

Freihandelsabkommen überwachen – „Chlorhühnchen“ seit 15 Jahren angewehrt

Den nächsten Abschnitt des Abends, die Fragen an die Kandidaten, moderierte der CDU-Bundestagsabgeordnete für die Südpfalz, Dr. Thomas Gebhart.

Diskutiert wurde über Infrastruktur, bezahlbare Energien, den Rettungsschirm, Finanzmarktregulierung, ergänzende Vorschriften zum Beispiel gegen Steueroasen, die Vernetzung der Energie- und Sicherheitspolitik.

Heiner Geißler äußerte Bedenken bezüglich des Freihandelsabkommens, bei dessen Verhandlung lediglich ein einzelner Kommissar die Gespräche mit den USA führe. Diese entscheidende Frage würde fernab der Öffentlichkeit behandelt – am Ende sei man vor ein fait accompli gestellt.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär und Bundesminister zeigte auch Herz für die Arbeitnehmer: „Wir wollen die Arbeitnehmerrechte erhalten“, so Geißler. Die Partnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war immer Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland.“

Werner Langen beruhigte am Beispiel des mittlerweile berühmt gewordenen US-amerikanischen Chlorhähnchens: „Das wehren wir schon seit 15 Jahren ab. Wir werden unsere Interessen zu schützen wissen.“

McAllister: Europa ist ein Segen

Der Star des Abends, David McAllister, hatte sich im Vorfeld erst einmal erkundigen müssen, was eine Dampfnudel ist – die süddeutsche Hefeteig-Leckerei war dem Mann aus dem Norden bislang unbekannt. Mit seinem Bekenntnis, er freue sich, einen ganzen Tag in Rheinland-Pfalz verbringen zu dürfen, machte er diese „Wissenslücke“ jedoch im Handumdrehen wieder wett.

McAllister appellierte eindringlich, am 25. Mai zur Wahlurne zu gehen und trat kämpferisch auf: „Wir wollen bundesweit stärkste Kraft werden, so viele Abgeordnete wie möglich nach Straßburg entsenden und Jean-Claude Juncker unterstützen, wo wir nur können.“

Der Spitzenkandidat betonte, dass es bei der Europa-Wahl nur eine einzige Stimme gebe und konnte sich einen deutlichen Hieb gegen die FDP nicht verkneifen. Diese habe sich durch ihre „unsägliche“ Zweitstimmenkampagne beim CDU-Stammwählerpotenzial bedient und so den Sozialdemokraten zum Sieg in Niedersachsen verholfen.

McAllister schilderte, wie sein Vater im zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten gegen Nazi-Deutschland gekämpft hatte  – in der Uniform der Highland-Division.  Und Jahre später beim Bundeswehr-Gelöbnis seines Sohnes David zu Tränen gerührt war, da so etwas in Europa nun freundschaftlich möglich sei.

Demnach fühlt sich McAllister auch aufgrund seines familiären Hintergrunds berufen mitzuwirken, Europa in seiner Einigung weiter voranzubringen.

Drei Punkte stelle er kurz und bündig heraus: „Europa ist gut und wichtig, die Einigung ein Segen. Das Parlament hat enorm an Bedeutung gewonnen. Europa steht vor einer Richtungsentscheidung.“

„Rechtsradikale Dumpfbacken“

Diese Richtung müsse unter allen Umständen frei von radikalen Kräften links wie rechts gehalten werden. McAllister fand ungewohnt deutliche Worte für rechtsradikale Parteien wie etwa die französische Front National oder die niederländische Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit) von Geert Wilders.

Rassistische, chauvinistische, dumme Parteien seien sie, so McAllister: „Unser großes, gemeinsames Werk, die europäische Einigung, darf nicht von irregeleiteten Dumpfbacken wieder in Frage gestellt werden“, rief der Spitzenkandidat unter heftigem Applaus ins Publikum.

Auch die Europa-Gleichgültigen fanden keine rechte Gnade vor den Augen des Politikers: „Man sollte einmal für sechs Monate wieder Grenzen einführen, damit sich jeder wieder erinnert, wie es damals war“, so McAllister. „Handelsbarrieren, Zollschranken, Visa- und Ausweispflicht, keine Anerkennung von Schulabschlüssen, keine grenzübergreifenden Berufsausbildungen mehr. Das wäre für die Meisten ein Schock.

Mehr Europa im Großen, weniger Europa im Kleinen“, das ist es , was wir brauchen“, betonte McAllister.

Für den Pfalz-Express beantwortete David McAllister im Interview weitere Fragen.

Herr McAllister: Von Niedersachsen nach Brüssel – wie kam das?

Angela Merkel hat mich vorgeschlagen als Spitzenkandidat der CDU Deutschlands. Ich komme aus einer europäischen Familie, bin zweisprachig aufgewachsen und war als Ministerpräsident oft für die Europa-Politik verantwortlich.

Die letzten Monate habe ich mich intensiv auf diese neue Aufgabe vorbereitet – ich habe diese Entscheidung weit vor der Bundestagswahl getroffen – und zwar FÜR Brüssel und nicht gegen etwas. Ich tue das mit vollster Überzeugung.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Ich habe monatelang immer wieder europäische Länder bereist, mit Politikern gesprochen, mit Wissenschaftlern, mit Kommissionspartnern. Ich war in Polen, in Rumänien, in Großbritannien, in Frankreich, Italien, Spanien, auf dem Balkan und habe mit sehr vielen Leuten gesprochen, die über große europapolitische Erfahrung verfügen. Schritt für Schritt hat sich bei mir auf diese Weise eine Agenda entwickelt. Ich habe auch im Wahlprogramm der Bundes-CDU kräftig mitgeschrieben.

Was steht ganz oben auf Ihrer Agenda?

Mehr Gemeinsamkeit in der europäischen Sicherheits- und Außenpolitik, Stabilität für unsere gemeinsame Währung und wirtschaftliches Wachstum, das die Grundvoraussetzung für Arbeit und Beschäftigung. Insbesondere gilt das auch dem Kampf gegen die viel zu hohe Jungendarbeitslosigkeit in Südeuropa.

Konnten Sie sich einen Eindruck über die Arbeit auf europäischer Ebene verschaffen?

Ja, ich war mehrfach in Straßburg und Brüssel. Die deutschen CDU/CSU-Abgeordneten haben mich mit offenen Armen empfangen. Auch die Abgeordneten Werner Langen und Birgit Collin-Langen haben mich mitgenommen in die deutsche Gruppe und in die EVP-Fraktion. Ich habe mir Plenarsitzungen angeschaut – und in den letzten Monaten alle Drucksachen des Europäischen Parlament online abonniert.

Natürlich wird das zuerst einmal alles neu sein, aber zumindest in der theoretischen Beobachtung der europäischen Politik kenne ich mich gut aus. Ich habe ja als Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag und als Ministerpräsident das politische Einmaleins bestens kennengelernt.

Was halten Sie von den jüngsten Forderungen der Nato, diese im Osten zu verstärken?

Ganz Europa schaut mit Sorge auf die Lage in der Ukraine. Die Stimmung in den osteuropäischen Ländern ist angespannt, sie sind ganz besonders beunruhigt. Wichtig ist, Augenmaß und Besonnenheit zu bewahren.

Das bedeutet konkret?

Das heißt, dass dieser Konflikt nur mit diplomatischen Mitteln gelöst werden kann. Militärische Auseinandersetzung haben wir in Europa überwunden. Die Ukraine hat als souveräner Staat jedoch genauso den Anspruch und das Recht wie alle Länder auf die Wahrung ihrer territorialen Integrität.

Die russische Führung ist Teil des Problems, aber zugleich auch Teil der Lösung. Konkrete Hilfe für die Ukraine, diplomatische Gespräche und auch der Hinweis an Russland: Bitte keine weiteren Maßnahmen ergreifen, um die Lage weiter zu destabilisieren – dieser Dreiklang ist entscheidend. Wir dürfen keine weitere Eskalation herbeiführen. Aber letztendlich liegt es an Russland, dass es nicht dazu kommt.

Also keine verstärkten Truppen im Osten?

Wenn es konkrete Bitten von Nato-Partnern gibt, muss in den Nato-Gremien darüber gesprochen werden. Die Nato ist eine Gemeinschaft, die zusammen steht. In Guten wie auch in nicht so guten Zeiten. Für die Nato gelten die Statuten des Nato-Vertrags. Die baltischen Staaten beispielsweise haben gar keine Luftwaffe. Dort übernehmen bereits Nato-Partner die Luftraumüberwachung. Auch hier gilt: Augenmaß und Besonnenheit.

Bei rationaler Betrachtung kann die russische Führung doch kein Interesse an weiteren Wirtschaftssanktionen haben: Der Wirtschaft dort ist schwach, der Rubel ist unter Druck und viele ausländische Investoren tätigen ihre geplanten Vorhaben nicht mehr.

Vielen Dank für das Gespräch. (cli)

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken

Kommentare sind geschlossen