Kandel – Der südpfälzische Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Gebhart (CDU) hatte in Kandel im Rahmen von Gebharts „Zukunfts-Foren“ zur Podiumsdiskussion „Kreis Germersheim Schulstruktur mit Zukunft ?!“ eingeladen.
Als Diskussionsteilnehmer kamen Landrat Dr. Fritz Brechtel, Bettina Gersch, Vorsitzende des Arbeitskreises Unterrichtsversorgung und Landtagsabgeordneter Martin Brandl (CDU), Mitglied im Bildungsausschuss. Als Diskussionsgrundlage waren Fragen wie: Welche Schulen brauchen wir, um unsere Schüler bestmöglich zu versorgen? Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben wir? Wie sieht es mit der Unterrichtsversorgung aus? Wo liegen Probleme, wo gibt es Lösungsansätze? Welche Anforderungen haben Eltern und Schüler?
„Schule und Bildung ist eins der wichtigsten Themen überall“, sagte Thomas Gebhart eingangs. Durch die rasend schnelle Wissenspotenzierung und -verbreitung aufgrund der Globalisierung verdopple sich das Wissen der Menschheit alle fünf Jahre. Aufgrund der demographischen Entwicklung, im Zuge derer die Zahl der jungen Menschen zurückgehe, würden jeder einzelne Mann und jede einzelne Frau gebraucht, so Gebhart. Erhebungen ergaben in der Tat, dass sich die Jahrgangsstärke von 1200 auf 1000 Schüler in den nächsten Jahren reduzieren wird. Gleichzeitig sprach sich der Bundestagsabgeordnete gegen einen ausschließlichen „Run“ auf das Abitur und für mehr Wertschätzung der Handwerks- und Pflegeberufe aus.
Landrat Dr. Fritz Brechtel gab per Video-Präsentation einen Überblick über die Schulstruktur im Landkreis Germersheim. Brechtel betonte gleichzeitig, dass der Kreis keine Zuständigkeit für Lerninhalte oder Lehrerbemessung habe, sondern lediglich für Gebäude und den Schulentwicklungsplan. So zeigte der Landrat anhand einer Karte die positive Entwicklung von immer mehr Schulstandorten im Kreis seit 2005 auf. Demnach hat sich die Anzahl der Schulen bis heute nahezu verdoppelt. Das Ziel, Zugang zu qualifizierten Bildungsabschlüssen herbeizuführen, sei aber weiterhin zu verfolgen – und zwar wohnortnah. Die Schulen seien sehr transparent, eine Umsteigen auf eine höhere Schulstufe möglich, sagte Brechtel.
Bettina Gersch, Vorsitzende des Arbeitskreises Unterrichtsversorgung, berichtete von ihren seit 15 Jahren andauernden Kampf gegen stetigen Unterrichtsausfall, der bislang nicht von Erfolg gekrönt gewesen sei.
Martin Brandl sprach sich gegen eine weitere Umstrukturierung der Schullandschaft aus. „Wir müssen uns auf die Inhalte konzentrieren, um die Kinder kümmern und sie nicht mit immer neuen Strukturreformen überfordern. Qualität in Bildung ist das Schlagwort für die nächsten Jahre“, so Brandl. Nicht gut zu sprechen war Brandl auf die aktuelle Landesregierung: „Da werden bewusst 2-3 % Untersichtausfall einkalkuliert. Diese Gelder könnte man an anderer Stelle einsetzen. 30 Millionen Euro jährlich werden aufgewendet, um alle Eltern von Schülerbeförderungskosten zu befreien. Mit 30 Millionen könnte der Unterrichtsausfall innerhalb eine Jahres halbiert werden“, ist der Landtagsabgeordnete überzeugt. Auch sollten sich die Eltern mehr einbringen, forderte Brandl, denn: „Zwei Drittel des 2/3 Bildungserfolgs hängen vom Elternhaus ab.“
Zur Diskussion im Publikum erschienen waren auch zahlreiche Rektoren verschiedener Schulen im Kreis, von denen ein Jeder von „seiner“ Schulform am meisten überzeugt war und in jeweiligen Statements dafür eintrat. Die Diskussion, welche nun die beste Schulform sei – Gymnasium, Realschule Plus, Fachoberschule, Berufsbildende Schule – konnte naturgemäß niemand für sich entscheiden. Klarer Tenor jedoch: Qualitative Bildung und Alternativen zum klassischen Abitur. Dennoch: Die Rechtschreibung und Allgemeinbildung der Absolventen habe sich in den letzten Jahren immer mehr verschlechtert, berichtete eine Unternehmerin und beklagte falsch geschrieben Bewerbungen und fehlende Kenntnisse vielen Bereichen bei Schulabgängern.
Das Problem für sämtliche Vorschläge und Gedankenspiele: Wie üblich der Kostenfaktor. Angedacht wurde eine soziale Staffelung für Kitas oder der Schülerbeförderung, bei der Kinder gut verdienender Eltern „nicht alles umsonst haben müssten“, wie eine Diskussionsteilnehmerin einwarf.
Kritisiert wurde von so Manchem die fehlende Orientierung auf Kinder, die kein Abitur machen. „Viele Abiturienten sind gut für den Kreis, das ist noch immer der heilige Gral“, mahnte ein Schuldirektor einer ehemaligen Grund- und Hauptschule, jetzt Realschule. „Wir aber bereiten die Jugendlichen auf die Ausbildung vor, mit Projekten und Praxis.“ Das würde jedoch wenig honoriert und anerkannt sein.
Die Überlastung junger Lehrer einerseits, zu viele, die selbst mit besten Abschlüssen nicht eingestellt würden andererseits, wurde ebenfalls thematisiert. Landrat Dr. Brechtel sagte zu, sich um eine höhere Einstellungsrate von Lehrern zu bemühen.
Inklusion – die Einbindung behinderter Kinder in den normalen Schulalltag – wurde teilweise emotional diskutiert. „Träume am Kamin“ nannte der Pädagoge, Bildungsjournalist und Filmemacher Dr. Paul Schwarz, eigentlich ein Verfechter gemeinsamen Lernens, die „deutsche Vorstellung, alle und jeden zu inkludieren“. In der Praxis sei es nicht machbar, schwer erziehbare, autistische oder pflegebedürftige Kinder gemeinsam auf eine konkrete Unterrichtsebene zu bekommen. Ein integratives System wie beispielsweise in Skandinavien üblich, habe weit mehr Möglichkeiten, den Kindern gerecht zu werden.
Der Landrat war wohl ähnlicher Meinung und lobte die IGS (Integrierte Gesamtschule) als eine Schulform, die „sich um Gesamtheit der Kinder kümmert, wie der Name schon sagt.“ (cli)
Diesen Artikel drucken