Freitag, 26. April 2024

Die ePrivacy-Verordnung: (Alb-)Traum vom modernen Datenschutz im Internet 

21. Januar 2022 | Kategorie: Computer & Internet, Ratgeber, Vermischtes

Foto: dts Nachrichtenagentur

Ein Gesetzgebungsverfahren in der Europäischen Union kann sich schonmal in die Länge ziehen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die ePrivacy Verordnung. Das Gesetz zum Schutz der Privatsphäre europäischer Bürgerinnen und Bürger sollte eigentlich längst verabschiedet sein. Der 25. Mai 2018 war ursprünglich als Datum anberaumt worden, an dem die Verordnung mit ihrem Schwestergesetz, der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), in Kraft treten sollte. Daraus wurde nichts. Jetzt, dreieinhalb Jahre später, ist die DSGVO zwar in Kraft, doch am Gesetzestext der ePrivacy-Verordnung wird noch immer gefeilt. Auf absehbare Zeit ist ein Inkrafttreten der Verordnung nicht in Sicht.

Bis vor einigen Jahren war der Datenschutz in der EU noch zu einem Großteil durch die ePrivacy-Richtlinie geregelt. Problematischer Weise stammt diese aus dem Jahr 2002 – das Jahr in dem ein gewisser Mark Zuckerberg sein Studium antrat, das er Jahre später hinschmeißen würde, um sich voll und ganz seiner neuesten Erfindung, Facebook, zu widmen. Aber nicht nur Facebook war 2002 noch unvorstellbar. Auch YouTube, Twitter und Smartphones waren höchstens Zukunftsmusik. Da ist es nicht verwunderlich, dass diese Richtlinie mit dem modernen Internet überfordert ist.

Also verschrieb sich die EU eine Novellierung ihres Datenschutzes in Form von zwei Verordnungen: Die Datenschutz-Grundverordnung sollte das generelle Gesetz zum Schutz von personenbezogenen Daten werden. Die ePrivacy-Verordnung sollte sich auf jene Daten und Systeme konzentrieren, die nicht unbedingt personenbezogen, aber dennoch schützenswert sind. Das perfekte Duo: Die DSGVO verhindert, dass achtlos mit persönlichen Daten wie Adressen, Namen und Krankenakten umgegangen wird, sodass diese sich nicht unkontrolliert im Netz verteilen und die ePrivacy-Verordnung stellt sicher, dass sich Unbefugte gar nicht erst Zugang zu Daten und Endgeräten verschaffen. Soweit die Theorie – die Realität sah anders aus.

Die EU war bei weitem nicht der einzige Raum mit veralteten und laxen Datenschutzgesetzten. So hatte es sich die weltweite Internetwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten bequem eingerichtet im Neuland. Die Grenzen des Machbaren waren weit, die Skrupel gering und die Gewinne groß. Besonders in den USA hatten viele Unternehmen den richtigen Moment erwischt und wurden vom Auftrieb des Internets zu immer größeren Erfolgen getragen.

In China war es ähnlich, nur dass sich dort zusätzlich auch die Regierung eng in die aufstrebenden Tech-Giganten eingeflochten hatte. Beide Länder profitieren bis heute von dem finanziellen Erfolg und dem rasant wachsenden Einfluss der aufstrebenden Big-TechUnternehmen auf ihrem Boden und tuen sich dementsprechend schwer damit regulierend einzugreifen.

Die EU hingegen hatte das Internet in vielerlei Hinsicht verschlafen. Was viele hier ihren Regierungen vorwarfen, entpuppte sich zumindest in Sachen Datenschutz als Vorteil. Umfassende Datenschutzgesetzte im Interesse der Verbraucher lassen sich eben deutlich einfacher auf den Weg bringen, wenn man dabei nicht Sorge haben muss, seiner eigenen Großindustrie den Boden unter den Füßen zu nehmen. Und so hatte die DSGVO direkt nach ihrer Einführung Vorbildcharakter. Andere Länder folgten ihrem Beispiel und führten eigene Datenschutzgesetze ein, einige, wie Brasilien oder Südafrika, nahmen sich dabei die DSGVO direkt als Vorlage.

Es ist zweifelhaft, ob dieser Ruhm der ePrivacy-Verordnung zugutekam. Immer wieder blockierte der europäische Rat das Gesetzesvorhaben. Ein Grund dafür war sicherlich der “industrielle Gegenwind”. Insider berichten von einem enormen Druck, der von der Werbe- und Tech-Lobby auf das Gesetzgebungsverfahren ausging und die New York Times zitiert aus einem internen Memo von Google indem sich das Unternehmen rühmt erfolgreich die Verabschiedung von Privatsphäreschutzgesetzen in der EU verlangsamt zu haben. Ob es sich bei diesem Gesetz um die ePrivacy-Verordnung handelt, ist nicht sicher, es liegt jedoch nahe. Big Tech scheint bemerkt zu haben, dass die EU drauf und dran ist ihren fragwürdigen Geschäftspraktiken den Riegel vorzuschieben.

Zuletzt gab es dennoch positiv stimmende Meldungen zur ePrivacy-Verordnung. Der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft ist gelungen, woran vor ihr die deutsche und die kroatische Ratspräsidentschaft gescheitert waren. Unter ihr einigte sich der Rat auf eine eigene Version der ePrivacy-Verordnung.

Mit diesem Schritt ist nun der Weg geebnet für den sogenannten Trilog zwischen dem Rat, der Kommission und dem Parlament der EU. Damit ist die Verordnung ihrer Verabschiedung immerhin einen Schritt nähergekommen. Einfacher werden die Verhandlungen von hier aus aber kaum werden, denn in einigen Punkten stehen die Positionen von Rat und Parlament noch in direkter Opposition zueinander und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Lobbyisten dem Verfahren von nun an Tatenlos zusehen werden.

Es bleibt also abzuwarten, wann das Gesetz wirklich in Kraft tritt. In jedem Fall ist es im Moment ein Ding der Unmöglichkeit diesen Zeitpunkt verlässlich zu prognostizieren.

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