De Maizière legt neue Vorschläge zur Sicherheit und Abschiebepraxis vor – SPD: „Gefährlich“

3. Januar 2017 | Kategorie: Nachrichten, Politik
Innenminister Thomas de Maizièr (CDU). Foto:dts Nachrichtenagentur

Innenminister Thomas de Maizièr (CDU).
Foto:dts Nachrichtenagentur

Berlin Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) tritt für eine Neuordnung der deutschen Sicherheitsarchitektur und der europäischen Flüchtlingspolitik ein.

„Um unser Land, aber auch Europa krisenfest zu machen, halte ich Neuordnungen für erforderlich“, schreibt de Maizière in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Dazu zählt er unter anderem eine Stärkung des Bundeskriminalamts (BKA), eine Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz zugunsten einer Bundesverwaltung, den Ausbau der Bundespolizei zu einer „echten Bundes-Polizei“ sowie auf europäischer Ebene einen „Massenzustrom-Mechanismus“.

Zwei Wochen nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin schreibt de Maizière, dass die Befugnisse des BKA zu eng gefasst seien. „Wir brauchen einheitliche Regeln und eine bessere Koordinierung, zum Beispiel bei der Kontrolle von Gefährdern.“

Der Bund brauche eine „Steuerungskompetenz über alle Sicherheitsbehörden“, wo Bund und Länder in Angelegenheiten der Sicherheit des Bundes zusammenarbeiten. Die Verantwortung für die Polizei müsse aber weiterhin bei den Ländern liegen.

Auch Fahndungsmaßnahmen müssten künftig stärker vom Bund gelenkt werden können. „Wir brauchen wirksamere polizeiliche Fahndungsmaßnahmen“, schreibt de Maizière. „Die derzeitige geografische Bindung der Schleierfahndung der Bundespolizei an den 30-Kilometer-Grenzraum wird der grenzüberschreitenden Kriminalität im 21. Jahrhundert nicht mehr gerecht.“ Die Bundespolizei müsse deshalb „neben den Polizeien der Länder eine zentrale Verfolgungs- und Ermittlungszuständigkeit zur konsequenten Feststellung unerlaubter Aufenthalte in Deutschland erhalten“.

Der Bundesminister plädiert außerdem für eine „gesamtstaatliche“ Perspektive. Es sollte darüber diskutiert werden, „die gesamte Aufgabe in die Bundesverwaltung zu übernehmen“.

De Maizière schreibt: „Kein Gegner unserer Verfassung strebt die Beseitigung der Verfassung in nur einem Bundesland an“. Das bedeutete die Übernahme der Landesämter für Verfassungsschutz in das Bundesamt.

Auch zur Abwehr von Cyber-Angriffen schlägt de Maizière mehr Kompetenzen für den Bund vor. Das nationale Cyber-Abwehrzentrum müsse „bei komplexen Schadenslagen“ die Federführung an sich ziehen können, „um etwa die schnellen Eingreiftruppen anderer Sicherheitsbehörden, gegebenenfalls auch der Bundeswehr, zu koordinieren“.

Der Innenminister fordert außerdem „tragfähige Rechtsgrundlagen“, um Gegenmaßnahmen und Gegenangriffe durchführen zu können. Die bisherigen Maßnahmen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene hält de Maizière für ungenügend. „Wir brauchen mehr. Wir brauchen eine strukturelle Antwort. Wir brauchen einen echten Massenzustrom-Mechanismus, der Europa krisenfest macht, wo, wie und wann auch immer eine Migrationskrise entsteht.“

Mit den Staaten Nordafrikas seien Abkommen nach dem Muster des EU-Türkei-Abkommens kaum möglich. Das verhindere die EU-Asylverfahrensrichtlinie mit ihren hohen Anforderungen an den „sicheren Drittstaat“. Als „sicherer Drittstaat“ sollte deshalb schon ein Staat gelten, wenn dort an einem „sicheren Ort“ menschenwürdige und sichere Aufnahmebedingungen gewährleistet werden.

„Diese Einrichtungen könnten von der EU mit verantwortet werden, in Zusammenwirken mit dem Partnerstaat und dem UNHCR. Damit würde es uns möglich werden, die drei Pfeiler des EU-Türkei-Abkommens angepasst auf andere Staaten zu spiegeln: Rückführung ohne Asylsachprüfung, menschenwürdige Aufnahme am „sicheren Ort“ und legale Zugangswege“, heißt in dem Beitrag des Bundesinnenministers.

Außerdem geht er über die Forderungen bei einer neuen Abschiebepraxis hinaus, die er schon in einem Gesetzentwurf vorgelegt hatte.

Dazu zählt, abgelehnte Asylbewerber, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten, in Abschiebehaft zu nehmen: „Ich schlage vor, dass der Bund eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung erhält“, heißt es in dem Text. Abschiebungen könnten so unter der Regie des Bundes „unmittelbar vollzogen“ werden.

Der Minister schlägt dazu die Einrichtung von „Bundesausreisezentren“ vor, die den Ländern „eine Verantwortungsübergabe“ für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts von Ausreisepflichtigen ermöglichen sollten. „Ausreisezentren sind gesetzlich bereits möglich und könnten vorzugsweise in der Nähe deutscher Verkehrsflughäfen errichtet werden“, heißt es in dem Beitrag des Maizières.

SPD-Fraktionsvize Högl nennt de Maizières Vorschlag „richtig gefährlich“

Berlin – Die Vorschläge von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Umbau der Sicherheitsstrukturen stoßen in der SPD-Bundestagsfraktion zumindest teilweise auf Widerstand.

„Eines halte ich aber für richtig gefährlich: Wenn wir jetzt bei der inneren Sicherheit den Föderalismus einschränken würden, um dem Bund mehr Kompetenzen zu geben“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl. Dafür biete auch der Fall des Attentäters Anis Amri keinen Anlass.

Högl sagte allerdings auch, dass die SPD hinsichtlich mancher anderer Vorschläge des Innenministers „gesprächsbereit und einer Einigung schon nahe“ sei. Das gelte etwa für die Ausdehnung von Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen oder für den vermehrten Einsatz von Technik zur Gesichtserkennung oder die Nutzung sogenannter elektronischer Fußfesseln.

Die SPD-Innenpolitikerin zeigte sich zurückhaltend hinsichtlich der Forderung de Maizières, eine Gesetzesänderung zu beschließen, um einen als gefährlich eingestuften abgelehnten Asylbewerber in Abschiebehaft zu nehmen: „Meiner Meinung nach bietet das Aufenthaltsgesetz jetzt schon die Möglichkeit, abgelehnte Asylbewerber, die als gefährlich eingestuft wurden, in Abschiebehaft zu nehmen. Das hätte auch im Fall Anis Amri geschehen können und müssen.“

(dts Nachrichtenagentur/red)

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