Dienstag, 07. Mai 2024

Bundesverfassungsgericht: Legasthenie-Vermerke in Abi-Zeugnissen unter Umständen möglich

22. November 2023 | Kategorie: Ausbildung & Beruf, Nachrichten, Ratgeber, Recht
klassenraum schule Tafel

Foto: dts Nachrichtenagentur

Karlsruhe  – Bemerkungen im Abiturzeugnis über die Nichtbewertung einzelner Leistungen von Menschen mit Behinderung sind grundsätzlich rechtens.

Anmerkung der Redaktion: *Leichtes Lesen am Ende des Artikels – vereinfachte Zusammenfassung

Das Bundesverfassungsgericht gab am Mittwoch zwar mehreren Klagen gegen sogenannte Legasthenie-Vermerke statt, bekräftigte zugleich aber, dass solchen Zeugnisbemerkungen legitime Ziele von Verfassungsrang zugrunde liegen.

Schon die Berücksichtigung der Rechtschreibung im Abiturzeugnis, auf deren Nichtbewertung die Zeugnisbemerkungen verweisen, sei zulässig, so die Karlsruher Richter. Ziel schulischer Bildung sei auch die Entwicklung der Schüler zu Persönlichkeiten, die ihre individuelle Leistungsfähigkeit unabhängig von ihrer sozialen Herkunft entfalten und im Anschluss an die Schule ihrer Leistungsfähigkeit und Neigung entsprechend Ausbildungsgänge und Berufe frei wählen und zur Grundlage einer eigenverantwortlichen Lebensführung machen können.

Als Nachweis der allgemeinen Hochschulreife diene das Abiturzeugnis dem Ziel, allen Schülern die gleiche Chance zu eröffnen, entsprechend ihren erbrachten schulischen Leistungen und persönlichen Fähigkeiten Zugang zu Ausbildung und Beruf zu finden.

Dieser Zielsetzung werde der Gesetzgeber in besonderem Maße gerecht, wenn alle Prüflinge dieselben schulisch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unter denselben Voraussetzungen nachweisen müssen und die unterschiedliche Qualität der gezeigten Leistungen durch eine differenzierte Notengebung genau erfasst und in allen Abschlusszeugnissen aussagekräftig und vergleichbar dokumentiert werde, hieß es weiter.

Auch die Bewertung der Rechtschreibleistungen diene dem verfassungsrechtlichen Ziel der Ermöglichung eines bezogen auf die erbrachten schulischen Leistungen chancengleichen Zugangs zu Ausbildung und Beruf. Es sei gegenüber Schülern mit einer Legasthenie gerechtfertigt, die Rechtschreibung zum Gegenstand der durch das Abitur vermittelten allgemeinen Hochschulreife zu machen.

Im konkreten Fall seien die Zeugnisbemerkungen den Beschwerdeführern allerdings nicht zumutbar gewesen, da sie allein bei Schülern mit einer Legasthenie Anwendung gefunden hätten. Für eine solche Diskriminierung der legasthenen Schüler gegenüber den Schülern mit anderen Behinderungen und Schülern, bei denen nach dem Ermessen der Lehrkraft ebenfalls von einer Bewertung der Rechtschreibleistungen abgesehen wurde, habe es keine Rechtfertigung gegeben, so das Gericht.

Hintergrund sind die Verfassungsbeschwerden dreier Abiturienten mit Legasthenie aus Bayern. Den Beschwerdeführern, denen fachärztlich Legasthenie bescheinigt worden ist, wurden für die Abiturprüfung, die sie in Bayern ablegten, jeweils auf ihren Antrag hin Prüfungserleichterungen gewährt. Insbesondere wurden ihre Rechtschreibleistungen in Deutsch und teilweise auch in Fremdsprachen nicht benotet.

Hierauf wurde in Vermerken hingewiesen, die die Schulverwaltung in den Abiturzeugnissen der Beschwerdeführer anbrachte. Gegen die Anbringung dieser Zeugnisvermerke hatten die Beschwerdeführer erfolglos geklagt – die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen die letztinstanzlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.

Den Beschwerdeführern ist nach dem Urteil aus Karlsruhe ein Abiturzeugnis ohne Zeugnisbemerkung auszustellen (Urteil vom 22. November 2023 – 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15, 1 BvR 2579/15).

Zusammenfassung leichtes Lesen

* Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es in Ordnung ist, wenn im Abiturzeugnis steht, dass die Rechtschreibung von Schülern mit Legasthenie nicht bewertet wurde. Das Gericht sagte, dass die Rechtschreibung wichtig ist, um später einen guten Beruf zu finden. Deshalb muss sie im Abiturzeugnis gezeigt werden.

Aber das Gericht sagte aber auch, dass die Zeugnisbemerkungen nur für Schüler mit Legasthenie unfair waren. Andere Schüler mit Behinderungen oder ohne Rechtschreibprüfung hatten keine solchen Bemerkungen. Das sei nicht gerecht. Deshalb müssen die Schüler mit Legasthenie neue Abiturzeugnisse ohne Bemerkungen bekommen.

(dts Nachrichtenagentur/red)

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