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Zoff in Bellheim: Wer darf in die „Alte Post“?

28. September 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional

Anna Dietl (2.v.li) und eine Mitarbeiterin. Kundenservice und das persönliche Gepräch werden im Laden großgeschrieben.
Fotos: pfalz-express.de

Bellheim – Seit elf Jahren betreibt Anna Dietl in der „Alten Post“ ihr Geschäft. Ein großes Wollsortiment gibt es dort, Zeitschriften, man kann die Wäsche zur Reinigung abgeben und Lotto spielen.

Es gibt nicht mehr viele solcher Geschäfte – der Laden ist Treffpunkt für zahlreiche Bellheimer Bürger, man sieht sich, trinkt Kaffee, unterhält sich, tauscht Neuigkeiten aus und wird in Sachen Stricken und Häkeln kompetent beraten.

Damit soll nun Schluss sein, wenn es nach Bürgermeister Paul Gärtner geht. Ende Juli flatterte – für Anna Dietl völlig überraschend – eine Kündigung der Gemeinde ins Haus, unterschrieben vom Bürgermeister.

Dieser meldet Eigenbedarf an und hat schon einmal „vorsorglich“ gekündigt, obwohl bislang noch kein Nutzungskonzept vorliegt. Da eine Kündigung der Immobilie nur einmal im Jahr möglich sei, habe er sich zur Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt entschlossen, so Gärtner.

Gärtner, dessen Dienstzimmer momentan im Keller des Verbandsgemeinderathauses untergebracht und nach seinen Angaben sehr beengt ist, will nun sein Büro in die Räume des Wollladens verlegen. Die Kündigung sollte ursprünglich zum 31. Januar 2015 wirksam werden. Anna Dietl hat Widerspruch eingelegt.

In der zweigeteilten Immobilie befindet sich außerdem die Deutsche Post. Dieser wurde nicht gekündigt.

Gärtner hat die Kündigung ohne Ratsbeschluss ausgesprochen. Der Gemeinderat soll nun in der übernächsten Sitzung – quasi nachträglich – darüber entscheiden, ob die Kündigung aufrecht erhalten wird. Wenn der Rat dagegen stimme, könne die Kündigung wieder rückgängig gemacht werden, sagte Gärtner auf Nachfrage.

Die Alternative für die Amtszimmer, die oberen Räume im alten Rathaus in der Hauptstraße 125, lehnt Gärtner derzeit wegen Sanierungsbedürftigkeit ab.

Saniert werden muss aber auch in der Alten Post: Das Dach ist bereits seit Monaten und trotz Reparaturen undicht, Wollware im Laden wurde mehrfach beschädigt. Nach etlichen Reklamationen wurde letztendlich eine Mietkürzung vereinbart.

Schwierige Umstände

Für die alleinstehende Anna Dietl, die mit dem Ladengeschäft ihren Lebensunterhalt verdient, ist die Kündigung ein Schock. Neue Räumlichkeiten zu finden gestaltet sich wegen der Lotto-Annahmestelle extrem schwierig – in Richtung Ortsmitte gibt es bereits zwei weitere Lottostellen. Auflagen der Lottogesellschaft verhindern ein zu dichtes Ansiedeln mehrerer Annahmestellen. Im schlimmsten Fall müsste Anna Dietl ihre Lotto-Konzession aufgeben, die einen nicht unerheblichen Teil ihrer Einnahmen ausmacht.

Auch die Nichtverfügbarkeit anderer Objekte in einer lohnenswerten Lage, höhere Mietpreise, Parkplatzauflagen und Zugänglichkeit machen es Anna Dietl schwer, ein geeignetes Objekt zu finden.

Ein in der Nähe gelegenes eventuelles Ausweichobjekt scheiterte an den Parkplatzauflagen. So hätte, laut Anna Dietl und ihrem Sohn Martin Trafoier, die potenzielle Vermieterin – eine Bekannte – über 30.000 Euro für sechs Parkplätze bezahlen müssen, was finanziell nicht zu stemmen war.

Ein Missverständnis, sagt wiederum der Ortsbürgermeister, es wären lediglich zwei Parkplätze zu bezahlen gewesen.

Mittlerweile hat Bürgermeister Gärtner angeboten, die Kündigungsfrist ein Jahr bis 2016 zu verlängern – für Anna Dietl und Martin Trafoier, der seine Mutter in dieser Angelegenheit unterstützt, keine befriedigende Lösung. Es fehlt die Planungssicherheit.

Unterschriftenaktion

Natürlich habe ein Bürgermeister das Recht, gemeindeeigene Räume zu kündigen, sagt Martin Trafoier. Man wäre aber doch ganz gerne in einem persönlichen Gespräch vorab informiert worden oder hätte sich gemeinsam auf die Suche nach einer anderen Lösung machen können.

Eine Kompetenz im Umgang mit Bürgern oder gar Bürgernähe sei hier nicht erkennbar. Die Zukunft seiner Mutter von Eventualitäten abhängig zu machen, sei ein Vabanquespiel.

Das Ladengeschäft von Anna Dietl in der Schulstraße 18.

Anna Dietl und Martin Trafoier haben vor einigen Wochen eine Unterschriftenaktion gestartet und schon etwa 500 Unterstützer gefunden. Auch eine Online-Petition gibt es. Zudem wurde der Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, eingeschaltet.

Für die Unterstützer von Anna Dietl ist der „Rauswurf“ die erste gefühlte Amtshandlung des neuen Ortschefs. Die Situation ist indes in einem Patt erstarrt: Anna Dietl möchte gerne bleiben, Paul Gärtner möchte die Räumlichkeiten ebenfalls.

„Eine Kostenfrage“

Gärtner begründet den Schritt unter anderem mit der Kostenfrage: Als Bürgermeister habe er den Wählerauftrag, sorgsam mit den Finanzen der Gemeinde umzugehen. Ein Umzug in das Alte Rathaus in der Hauptstraße 125 wäre zu kostenintensiv, sagte Gärtner dem Pfalz-Express.

Dort stehen mehrere Räume leer. Eingebaut werden müsste laut Gärtner unter anderem ein Aufzug, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Diese Maßnahme wäre mit geschätzten 100.000 Euro zu veranschlagen.

Die Alte Post sei bereits barrierefrei, in direkter Nähe und könne für weniger Geld gut saniert werden.

Dass sein momentanes Büro im Keller sei, spiele für ihn keine Rolle, es gehe lediglich um die beengten Verhältnisse, betonte der Bürgermeister. Bereits sein Amtsvorgänger Tobias Baumgärtner habe angeregt, die Räume zu verlegen, allerdings in Richtung Hauptstraße 125. Dazu gebe es Ratsbeschlüsse.

„Plan B“

Tobias Baumgärtner sagte dazu, die Ratsgremien hätten in seiner Amtszeit nie endgültig beraten, wo ein Ortsbürgermeister nach der Kommunalwahl sitzen solle. Die „Alte Post“ in der Schulstraße aber hätte sowieso niemals zur Debatte gestanden. Die Verbandsgemeindeverwaltung hätte allerdings in den letzten Jahren darauf hingewiesen, dass sie unter Umständen in Zukunft Räume für ihre Mitarbeiter brauche.

Daraufhin habe man in den Ratsgremien Gedanken über einen „Plan B“ gemacht, sollten Ortsbürgermeister und Ortsbeigeordnete eine andere Unterkunft benötigen.

Die Beratungen seien aber immer in Richtung „Altes Rathaus“ in der Hauptstr. 125 gegangen, betonte Baumgärtner. Dort stünden im ersten Obergeschoss alle Räume leer und seien ohnehin sanierungsbedürftig.

Zudem wären für die Sanierung ab 2015 Zuschüsse aus Städtebaufördermitteln in Höhe von bis zu 50% der Sanierungskosten möglich. Darum habe auch der Haupt- und Finanzausschuss in seiner Sitzung im Januar 2014 die Empfehlung an den Rat gegeben, diese Räumlichkeiten so herzurichten, dass sie als Büros für den Ortsbürgermeister und seine Beigeordneten genutzt werden könnten.

Außerdem sei durch Entscheidung des Bauausschusses bereits der neue Treppenaufgang ins „Alte Rathaus“ so gestaltet, dass jederzeit für 9.000 – 15.000 Euro ein Lift dahinter installiert werden könne.

„Wenn jetzt also Frau Dietl in der „alten Post“ mit diesem Argument gekündigt wurde, dann steht das zumindest in keinem Einklang mit irgendeinem Beschluss aus meiner Amtszeit. Im Gegenteil: Sie steht sogar den Beratungen und Beschlussempfehlungen aus dieser Zeit entgegen“, sagte Baumgärtner.

Bürgermeister Paul Gärtner wird sich vermutlich auch weiterhin der Frage stellen müssen, ob es nicht für ihn selbst eine Alternative zur „Alten Post“ gibt. Am 30. September ist die nächste Gemeinderatssitzung – man darf gespannt sein. (cli)

 

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3 Kommentare auf "Zoff in Bellheim: Wer darf in die „Alte Post“?"

  1. EinerAusBellheim sagt:

    Unglaublich, dieser Gärtner…

    Hat bei Amtsantritt gleich mal bekanntgegeben, dass er nur eine Amtsperiode lang die Bellheimer ‚beglücken‘ will.
    Dann haut er gleich mal so ein Ding raus…
    Beim Wahlkampf erst mal Stimmung genen Tobias Baumgärtner gemacht, und jetzt?

    Wie sagt man so schön: Es kommt selten was besseres nach…
    In einem Dorf, in dem es an allen Ecken und Enden an vernüftigen Geschäften auf der Hauptstraße fehlt, werden solche Existenzen gnadenlos niedergebügelt,
    nur damit sich ‚der Herr‘ seinen Arsch im neuen Gebäude plattsitzen kann…

    Und wer kanns bezahlen?
    Die Gemeinde, Sprich der Bürger…
    Und was kommt hier : Der Größte Murkser, den man sich vorstellen kann…

    Leute, wehrt euch !

    • EineAusBellem sagt:

      Ein Bürgermeister gehört in die Gemeindeverwaltung und nicht ein paar Häuser weiter.
      Das habt ihr nun davon Tobias war gut aber nein es muss ja der Gärtner rannnnn!
      Den bock zum Gärtner gemacht.

  2. zeeskemmer sagt:

    Man könnte meinen, in Bellheim geht die Welt unter, weil dieser Baumgärtner abgewählt wurde. Aber so gut scheint der auch nicht gewesen zu sein, sonst wäre er nicht abgewählt worden, was ja ziemlich megapeinlich ist.