Kandel: Rund 150 Demonstranten stellen sich gegen NPD-Kundgebung

6. Januar 2018 | Kategorie: Politik regional
Die Polizei hatte die Situation im Griff - die drei Parteien wurden konsequent auseinander gehalten. Fotos und Video: Pfalz-Express/Licht

Die Polizei hatte die Situation im Griff – die drei Parteien wurden konsequent auseinander gehalten.
Fotos und Video: Pfalz-Express/Licht

Kandel – Der Tod der 15-jährigen Mia wird weiter zum Politikum.

So gab es am Samstag wieder eine Demonstration und eine Gegendemonstration in Kandel. Die NPD hatte zur Kundgebung aufgerufen, gekommen waren etwa 15 Personen.

Dagegen gestellt haben sich das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz und auch Bürger aus Kandel und der Region mit teilweise rund 150 Kundgebern. Die Polizei hatte die Gruppen von Beginn an strikt auseinander gehalten, die Veranstaltungen verliefen ohne nennenswerte Störungen.

An der Ecke Lauterburgerstraße/Jahnstraße hatte sich die NPD versammelt, die mit ihrem gelben Lautsprecher-Bus immer wieder Lieder (z.B. „Wir sind das Volk“) abspielte.

Drei Redner bot die NPD auf, die von Parteivorstandsmitglied Ricarda Riefling angekündigt wurden. Man werde „keinen Rechtspopulismus“ zu hören bekommen, sagte Riefling zu Beginn, sondern die Forderungen nach einer „konsequenten Abschiebepolitik gegen Scheinasylanten“, die es in der „sozialen Hängematte der Bundesrepublik bequem“ hätten.

Den Anfang machte der NPD-Kreisvorsitzende Rhein-Neckar, Jan Jaeschke, der von einem „Heer krimineller Ausländer“ sprach und von ethnischen Kriegen in den Städten (u.a. Mannheim). „Multikulti“ sei „Volkermord“, rief Jaeschke ins Mikrofon und warf der AfD vor, dies in weiten Teilen mitzutragen.

Als nächster Sprecher verkündete Günther Deckert, ehemaliger Gymnasiallehrer und NPD-Vorsitzender, 1995 vom Landgericht Karlsruhe wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt, er habe Strafantrag gestellt gegen alle Beteiligten auf „Bundes-, Landes- und Kommunalebene“, die am Tod Mias „mitverantwortlich“ seien.

NPD Demo Kandel (6)

Rufe „Kein Recht auf Nazi-Propaganda“

Auf der anderen Straßenseite bei den Gegendemonstranten wurden derweil Rufe laut wie „Refugees are welcome“ und Sprechchöre erschallten: „Kein Recht auf Nazi-Propaganda“.

Zu einer organisierten Gruppe gehörten die Rufer nicht. Man sei „einfach so gekommen“, sagte eine junge Frau dem Pfalz-Express, weil man grundsätzlich alle unterstütze, „die sich gegen Rassismus wenden.“

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Gegenüber forderte Deckert derweil eine „Asylantensteuer“, die die „Schreihälse“ und „Exoten“ bezahlen sollten, griff AfD-Landeschef Uwe Junge wegen seiner Aussage an, dass es in Afghanistan keinen sicheren Ort gebe, und schimpfte dann auf „Linksextremisten“.

Bei der anderen Gruppe der Gegendemonstranten jenseits des Bahnübergangs blieb es ruhig und friedlich. Die Entfernung zur NPD-Kundgebung betrug etwa 200 Meter, die meisten bekamen von den NPD-Reden und Gegenrufen gar nichts mit.

Als Verbandsbürgermeister Volker Poß vorbei ging, um sich ein Bild der Lage zu machen, wurde er mit großem Applaus bedacht.

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Stadtbürgermeister Tielebörger schaute kurz zu Informationszwecken bei der NPD-Kundgebung vorbei. „Ein armseliger Haufen“, kommentierte der Stadtchef. Er hoffe, dass bald Ruhe einkehre in Kandel.

Am nächsten Sonntag nach dem Neujahrsempfang will die Stadt eine noch nicht genauer benannte „demokratische Aktion“ durchführen, kündigte Tielebörger an, um zu zeigen: „Kandel ist keinesfalls braun.“

Unbehagen in Kandel

„Was ist bloß mit unserem Kandel passiert“, fragen sich derweil viele Einwohner, die die Aufmärsche und Auseinandersetzungen in den letzten Tagen mit Unverständnis und Unbehagen sehen. Einige trugen bunte Schleifen oder sogar ein Button „Mei Kan´el isch bunt.“ Der Hass, dem Ehrenamtliche und (Kommunal)politiker vor allem in den Sozialen Netzwerken ausgesetzt sind, erschüttert die meisten Kandeler Bürger.

Es gab aber auch einige Stimmen, die die NPD-Gruppe zwar als „durchgeknallen Haufen“ bezeichneten, der aber in „Sachen Asylpolitik recht“ habe.

Derweil hatte bei der NDP der Landesvorsitzende Rheinland-Pfalz und Pirmasenser Stadtrat Markus Walter das Wort ergriffen. Der gab unumwunden zu, dass er nicht gekommen sei, um Trauer für das getötete Mädchen auszusprechen, sondern weil er traurig wäre, wie es um Deutschland bestellt sei. „Kandel erwache“ rief er – und bewegte sich damit hart an der Kante zum Jargon der Nationalsozialisten -, die Bürger „sollten auch so handeln und wählen“.

Die Gegendemonstranten quittierten Walters Rede wieder mit „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ und „Haut ab“-Rufen.

Die Polizei hatte die Veranstaltungen mit einem großen Aufgebot gesichert und agierte souverän. Genaue Zahlen nannte sie aus einsatztaktischen Gründen nicht.

Polizeidirektor Thomas Sommerrock von der Polizeidirektion Landau, der für den Einsatz verantwortlich zeichnete, war mit dem Ablauf zufrieden. Dennoch sei es mehr als bedauerlich, dass die Trauer um die getötete Mia – das Schlimmste, was Eltern im Leben passieren könne – völlig in den Hintergrund geraten sei, sagte Sommerrock dem Pfalz-Express.

Am Ende (gegen 14 Uhr) wurden die NPD-Teilnehmer von der Polizei noch aus dem Bereich der Polizeiinspektion Wörth geleitet. Beide Kundgebungen waren nach dem Versammlungsrecht von der Kreisverwaltung genehmigt worden. (cli)

NPD Demo Kandel (2)

 

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Polizei

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