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Klagerecht im Tierschutz wird kommen: Ausnahme für wissenschaftlich geführte Zoos?

14. März 2014 | Kategorie: Landau, Regional

Wissenschaftlich geführte Zoos wie der Landauer Zoo, sollen vom Verbandsklagerecht ausgenommen werden.
Foto: Ahme

Landau/Mainz. Wenn Nutzgeflügel die Schnäbel gestutzt, Wirbeltiere in Tierversuchen verwendet oder Tiere ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden sollen, können sich Tierschutzvereine bislang nicht in das behördliche Verfahren einbringen. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz will Tierschutzvereinen nun die Möglichkeit einräumen, in tierschutzrechtlichen Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren mitzuwirken und bei Verstößen gegen das Tierschutzrecht zu klagen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat Umweltministerin Ulrike Höfken kürzlich vorgestellt.

„Ein Unternehmer, dessen geplante Massentierhaltungsanlage nicht genehmigt wird, kann gegen die Genehmigungsbehörde klagen. Aber Tierschutzvereine haben bislang keine Klagemöglichkeit, wenn die Mastanlage tierschutzrechtliche Vorgaben nicht erfüllt.

Dieses Ungleichgewicht wollen wir ausbalancieren und damit den Tierschutz in Rheinland-Pfalz stärken“, erklärte Höfken. Durch die neuen Mitwirkungsmöglichkeiten der Vereine erhoffe sich die Landesregierung zudem eine größere Sensibilisierung der Bevölkerung in Tierschutzfragen und damit eine bessere Prävention tierschutzwidriger Verhaltensweisen.

Die Bundesregierung habe es bei der jüngsten Novellierung des Tierschutzgesetzes versäumt, ein bundesweit geltendes Verbandsklagerecht einzuführen, so Höfken. Deshalb vollziehe Rheinland-Pfalz diesen für den Tierschutz notwendigen Schritt nun auf Landesebene. Bislang gibt es das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine nur in Bremen. Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland haben kürzlich entsprechende Gesetze verabschiedet. „Zusammen mit den anderen Ländern, die sich auf diesem Feld engagieren, wollen wir den Weg für eine bundeseinheitliche Lösung ebnen“, so Höfken.

Der rheinland-pfälzische Gesetzentwurf sieht Mitwirkungs- und Klagerechte für diejenigen Tierschutzvereine vor, die nach Inkrafttreten des Gesetzes vom Ministerium anerkannt wurden. „Damit wird unseren Mitgeschöpfen ein gesetzlicher Vertreter zugestanden, der zu ihren Gunsten klagen und ihre Interessen geltend machen kann“, erklärte Höfken.

Nachdem der Ministerrat den Gesetzentwurf bereits im Grundsatz gebilligt habe, sei nun die Anhörung der Verbände angelaufen, so Höfken. Im Herbst werde sich der Landtag mit der Verbandsklage befassen.

Tierschutzverbände begrüßen Klagemöglichkeit

Begrüßt wird die Verbandsklage von Tierschützern und deren Verbänden. Denn bislang können nur Tierhalter bzw. Tiernutzer die Gerichte anrufen.

„Ein Tierhalter kann gegen Tierschutzauflagen der Behörde klagen oder ein Tierexperimentator, wenn ihm die Behörde die Genehmigung für einen Versuch untersagen will. Wer „weniger Tierschutz“ durchsetzen will, der darf klagen. Gegen untätige Behörden bei der Beseitigung von Tiermissständen oder z. B. gerechtfertigte Tötungsanordnungen besteht derzeit kein Rechtsschutz.

Wer den Tieren zu dem Schutz verhelfen will, der ihnen rechtlich zusteht, dem sind folglich die Hände gebunden. Mit einem eigenen Klagerecht könnten seriöse Verbände den Tierschutz direkt und engagiert vor Gericht vertreten“ so der Deutsche Tierschutzbund.

Kommt dann eine Prozessflut auf die Gerichte zu?

„Eine Prozessflut wird es nicht geben. Alle Erfahrungen mit Verbandsklagen haben gezeigt, dass die zugelassenen Verbände nur selten, dann aber gezielt, von ihrem Klagerecht Gebrauch machen.

Im Tierschutz wird es vor allem darum gehen, Präzedenzurteile zu erwirken. So würde es beispielsweise genügen, an einem Ort gegen die Tötung von Stadttauben oder gegen die Massentötung von Eintagsküken in einer Brüterei vorzugehen. Das Urteil würde dann analog für alle anderen Orte gelten.

Ein Schwerpunkt im Verbandsklagerecht,  liege auch in der Mitwirkung der Verbände bei tierschutzrechtlichen Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren. „So können Tierschutzargumente einbezogen und möglichen Klagen von vorn herein vermieden werden“, so das Statement des Tierschutzbundes.

SPD-Stadtrat und Grüne fordern Ausnahme

Das Verbandsklagerecht solle für wissenschaftlich geführte Zoos, wie den Landauer Zoo nicht gelten, fordern die SPD-Stadtratsfraktion und der Kreisverband der Grünen.

Die SPD wendet sich in einem Brief an OB Schlimmer und beantragt die Verabschiedung einer Resolution, die als Willensbekundung des Stadtrats den Regierungsfraktionen im Landtag durch den Oberbürgermeister übermittelt werden solle. Sie sollte in der Sitzung des Hauptausschusses am 18. März beraten und beschlossen werden, um „diese wohl letzte Chance auf Einflussnahme zu nutzen.“

Die SPD-Fraktion befürchtet, dass „durch das Klagerecht die Möglichkeit zu Klagen gegen den Zoo eröffnet wird. Das könnte gravierende Folgen nach sich ziehen und zu ernsthaften Problemen führen.

“Wir halten es für inakzeptabel, dass sich der Wirkungsbereich des Gesetzes auf den Zoo Landau erstrecken soll. Unser Zoo wird nach wissenschaftlichen Richtlinien und international anerkannten Standards geführt und erfüllt einen klar definierten öffentlichen Auftrag. Zoos, die diese Bedingungen erfüllen, sollten deshalb von dem geplanten Gesetz ausgenommen werden.“

Die SPD-Stadtratsfraktion begrüße das Gesetz im Grundsatz, so Fraktionsführer Dr. Ingenthron. Gleichzeitig jedoch teille man die von den Direktoren der beiden Rheinland-pfälzischen Mitgliedszoos des Verbands Deutscher Zoodirektoren e. V. (VDZ) Landau und Neuwied  im Anhörungsverfahren zum Gesetz geäußerten Bedenken.

Der Direktor des Zoos Landau, Dr. Jens-Ove Heckel zum Beispiel meint:

„Kaum eine andere Einrichtung wird, öffentlich zugänglich, zudem täglich von so vielen Besuchern ‚kontrolliert‘ wie der Zoo. Der Zoo Landau hatte im Jahr 2012 229.725 Besucher, in Neuwied waren es 328.132. Zoologische Gärten sind damit transparent. Tierschutzrelevante ‚Missstände‘ fallen bzw. würden sofort auffallen und wären abzustellen.

Es gibt wohl kaum irgendwelche anderen tierhaltenden Institutionen als Zoos, die noch intensiveren Genehmigungsauflagen und ständiger öffentlicher Kontrolle unterliegen.

Neben hunderttausenden Besuchern, die sich  tagtäglich in den Zoos ‚umsehen‘, haben wir jährlich u. a. Dutzende Praktikanten in der Tierpflege, die auch ständig in Bereiche ‚hinter den Kulissen‘ Einblick haben; im Vorfeld der regelmäßigen internationalen Tiertransporte werden Zootiere in den verschiedensten Bereichen des Zoos von Amtstierärzten begutachtet.

Zudem haben die Genehmigungsbehörden mit oder ohne begründeten Verdacht ohnehin jederzeit das Recht Zugang und Einblick in alle Aspekte und Bereiche eines Zoos zu nehmen. Es gibt also auch nichts was wir verheimlichen wollten, könnten oder müssten.“

Die Einführung eines Verbandsklagerechtes für Tierschutzverbände hätte möglicherweise zur Folge, dass Baugenehmigungsverfahren für Neuanlagen für Tierarten wie Menschenaffen, Großkatzen und Bären behindert und über Jahre verschleppt werden könnten.

Daraus könne ein immenser Schaden für die Gemeinden und Institutionen und die Zoos erwachsen, meint Heckel.

„Unsere Betriebe dienen nicht in erster Linie kommerziellen Erwerbszecken, vielmehr stehen hier höhere Ziele, z. B. Bildung, Forschung, Natur- und Artenschutz, im Vordergrund. Daher ist es aus unserer Sicht in der Sache gerechtfertigt, die wissenschaftlich geleiteten Zoologischen Gärten ebenfalls auszunehmen, weil bei uns nicht die Gefahr besteht, dass Tierschutzbelange aus wirtschaftlichen Gründen in besonderer Weise Gefahr laufen, nicht hinreichend beachtet zu werden“.

Auch der Kreisverband Landau von Bündnis 90/DIE GRÜNEN schließt sich den Argumenten der SPD-Stadtratsfraktion an. 

Sophia Maroc, Spitzenkandidatin für die Kommunalwahl: „Wir GRÜNE nehmen den Tierschutz sehr ernst. Wissenschaftlich geführte Zoos müssen jedoch gesondert von kommerziellen Tiergärten betrachtet werden, denn sie erfüllen einen wichtigen öffentlichen Auftrag“.

Der Landauer Zoo erfülle europäische und nationale Standards zur artgerechten Tierzucht und -haltung und unterliege regelmäßigen Kontrollen und Gutachten. In Zukunft auftretende Probleme mit der Haltung einzelner Tiere können direkt mit dem Direktor des Zoos geklärt werden, ohne die weitere Ausführung des wissenschaftlichen und bildenden Auftrag des Zoos zu behindern.

Vor allem der Landauer Zoo erfülle den Bildungsauftrag überdurchschnittlich gut. Anna Neuhof, Sprecherin für Tierschutz der GRÜNEN Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz: „Vor allen Dingen das pädagogische Konzept des Landauer Zoos ist beeindruckend. Die Zooschule als Kooperation zwischen der Universität in Landau und dem Zoo leistet hervorragende Arbeit, primär im Bereich der kindlichen Bildung. Das werde ich auch in Zukunft positiv unterstützen.“  (desa/red)

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