Berlin – Mit der geplanten Freigabe von Cannabis stößt die neue Ampel-Koalition bei europäischen Partnern auf Kritik.
„Wir sehen die Legalisierung von Cannabis sehr kritisch. Wenn ein so großes Land inmitten Europas ein Rauschmittel zum Genuss freigibt, wird das jenseits der Grenzen für die europäischen Partner nicht ohne Konsequenzen bleiben“, sagte Ungarns Botschafter in Berlin, Peter Györkös, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
Er fügte hinzu: „Und ich fürchte, die Auswirkungen werden negativ, nicht positiv sein.“ Viele innerdeutsche Entscheidungen hätten gewollt oder ungewollt Auswirkungen auf die übrige EU, sagte Györkös: „Das war beim Atomausstieg so, und es ist so bei Klimapolitik und Migration.
Und wer garantiert uns, dass keine europäische Vereinheitlichung droht, dass es eines Tages seitens der EU nicht plötzlich heißt: Alle Staaten sollten Cannabis freigeben? Das werden wir nicht mitmachen.“
Eine ähnliche „noch direktere Gefahr“ sieht Budapest im Bereich der Gesellschafts- und Familienpolitik. In der „NOZ“ sagte Botschafter Györkös: „Wenn `Anything goes`-Familienmodelle in einem Mitgliedstaat rechtlich verankert werden, ist das eine interne Angelegenheit.
Wenn aber, wie es im Koalitionsvertrag steht, gefordert wird, dass all diese Modelle in allen Mitgliedstaaten mit allen Rechtsfolgen anerkannt werden, ist das ein Auftakt Richtung neuer kultureller und verfassungsrechtlicher Konflikte innerhalb der EU und vieler Mitgliedstaaten.“
Bei gesellschaftspolitischen, sozial- und migrationspolitischen Fragen müssten die Mitgliedstaaten ihre Souveränität behalten, „da müssen wir nicht immer weiter angleichen. Es ist nicht nur der ein guter Europäer, der mehr Vertiefung will.“
Nach Ansicht des ungarischen Botschafters führt die EU „die falschen Debatten. Eine starke EU machen wir nicht mit Regenbogenfarben und erhobenem Zeigefinger, sondern durch konkrete Leistungen bei Sicherheit und internationaler Wettbewerbsfähigkeit“.
Habe man die Ungarn 2015 für einen konsequenten Außengrenzschutz als „herzlose Unmenschen“ abgestempelt, würde eine solche Politik nun „angesichts der Vorgänge an der polnisch-belarussischen Grenze als notwendige Maßnahme akzeptiert“.
Györkös forderte einen veränderten Blick auf Ungarn: „Wir haben unsere europäische Pflicht getan und so die größte Errungenschaft der europäischen Integration geschützt, nämlich den durch Schengen geschützten Binnenmarkt mit seiner Freizügigkeit. Bei der Bewältigung der Migrationskrise haben wir 2015 Pionierarbeit geleistet, das könnte man ruhig mal anerkennen.“
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