Weihnachtpredigt Bischof Wiesemann: „Unversöhnter Mensch ist Quelle des Unfriedens“

25. Dezember 2012 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann. Foto: red

Speyer – Festliche Musik und eine stimmungsvolle Atmosphäre prägten die Weihnachtsgottesdienste im Speyerer Dom. „Dem Leben von Anfang an zu trauen, weil Gott es mit uns lebt“, dazu hatte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in seiner Predigt in der Christmette im Speyerer Dom aufgerufen.

„Es muss unser aller größtes Anliegen sein, dass wir Probleme nicht durch Tötung lösen, sondern dadurch, dass wir mithelfen, dass Menschen dem Leben trauen können“, sagte der Bischof unter Hinweis auf die „schmerzlich hohe Zahl von Abtreibungen“ sowie die aktuelle Diskussion um die aktive Sterbehilfe.

Er fügte hinzu, es sei es die Aufgabe aller und vor allem des Gesetzgebers, „mitzuhelfen, dass Leben menschenwürdig bis zum Ende gelebt werden kann“. Dies bedeute „ein klares Nein gegen jede Form organisierter Sterbehilfe und Einsatz für eine menschenwürdige Begleitung bis zum Ende“. Bischof Wiesemann hob in diesem Zusammenhang besonders die Bedeutung der ökumenischen Sozialstationen, der Palliativmedizin sowie der Hospizarbeit hervor.

Zu Beginn seiner Ansprache vor rund 2000 Gläubigen hatte der Bischof Weihnachten als „das Fest des wunderbaren Anfangs“, bezeichnet, „der das wunderbare Ende vorwegnimmt, wenn Gott alle Tränen abwischen wird“. Jeder Augenblick in unserem Leben werde so einzigartig und kostbar und trage die Möglichkeit in sich, „ein Fenster zur Ewigkeit zu sein“.

Bischof Wiesemann erinnerte an den in Mannheim geborenen Jesuitenpater Alfred Delp, der 1945 als Gegner der Nationalsozialisten hingerichtet wurde. An Weihnachten 1944 habe der inhaftierte Delp nachgedacht über „den neuen Anfang, den Gott in diesem Fest für uns Menschen gesetzt hat und der uns das Wichtigste einstiftet, was wir zum Leben brauchen: die Hoffnung“. Mit gefesselten Händen habe der Pater die in dieser Situation unglaublichen Sätze geschrieben: „Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“

„Was für eine innere Freiheit vermag dieser Glaube Menschen zu verleihen, was für eine Würde, was für eine menschliche Überlegenheit allem Unmenschlichen zum Trotz“, betonte der Bischof. Für die musikalische Gestaltung des Pontifikalamts sorgte der Domchor, Charles Woods „Messe in F“, Felix Mendelssohn Batholdys „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehn“ sowie Liedsätze von Heiß und Schuh.

„Der mit sich selbst unversöhnte Mensch ist die Quelle des Unfriedens“

Einen versöhnten Umgang mit Grenzen stellte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in den Mittelpunkt seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag. Der Mensch sei in ständiger Versuchung zum Aufstand gegen sich selbst und gegen die ihm gesetzten Grenzen. „Der mit sich selbst unversöhnte Mensch, der sich zum Herrn über die Schöpfung und zum Herrn über Leben und Tod macht, ist die eigentliche Quelle des Unfriedens.“ Das zeige sich besonders im Umgang mit dem Sterben. An dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die gewerbliche Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellen will, kritisierte er die mangelnde „eindeutige Absage an die organisierte Sterbehilfe“. Schwerkranke Menschen bräuchten Beistand im Leben, nicht Mitwirkung am Sterben. Der Friede von Weihnachten könne in die Welt nur einkehren, wenn der Mensch die Grenzen annehme, die gesetzt sind. „Und deren erste ist: Der Mensch ist nicht Herr über Leben und Tod.“ Im Blick auf die Bewahrung der Schöpfung erinnerte Bischof Wiesemann an die Forderung von Papst Benedikt XVI. nach einer „Ökologie des Menschen“. Im Hinhören auf die Schöpfung sei es überlebenswichtig, dass sich der Mensch mit seinen Grenzen versöhnt.

„Weihnachten ist alles andere als ein Märchentraum oder eine Hollywood-Inszenierung“, so Bischof Wiesemann. Jesus habe alle Grenzen, die das irdische Leben setzt, restlos angenommen. Von der Geburt im Stall bis zum Tod am Kreuz habe er immer wieder Ausgrenzung und Einsamkeit erfahren. Der alles entscheidende Grund für die Menschwerdung Gottes sei die Liebe des Schöpfers zu dieser „begrenzten und nicht selten so elend verstörten Schöpfung“. Diese Liebe gehe über alle Vernunft. „Gott liebt uns in unseren Grenzen, Schwächen, in unserer Leiblichkeit, so wie wir sind.“ Er liebe die Menschen selbst in ihrer Wankelmütigkeit und ihrem Versagen. Weihnachten bezeichnete der Speyerer Bischof als den Beginn eines großen „Versöhnungsprojekts“. Die Liebe Gottes „will uns Tag für Tag ein bisschen fähiger machen, unserer Welt, uns und unserem Schicksal, unseren Nächsten und selbst unseren Feinden versöhnter zu begegnen.“ Der Domchor, die Jugendkantorei und die Dombläser brachten Gregorianik sowie Werke von Bernardi, Gabrieli und Willcocks zu Gehör.

 

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken

Kommentare sind geschlossen