Schließung von kleinen Wahllokalen bringt Ortsbürgermeister auf – Landeswahlleitung beruft sich auf Bundeswahlordnung

22. Juni 2021 | Kategorie: Politik regional, Politik Rheinland-Pfalz, Rheinland-Pfalz

Foto: Pfalz-Express

Rittersheim/Gauersheim/Jakobsweiler/Mainz – Drei Bürgermeister aus kleineren Gemeinden haben sich in einem offenen Brief mit harschen Worten an die Bundeswahlleiter, Landeswahlleiter und Kreiswahlleiter gewandt.

Marc-Guido Ebert, der Ortsbürgermeister Rittersheim, Reiner Schlesser, Ortsbürgermeister Gauersheim, und Helmut Albert Niederauer, Ortsbürgermeister Jakobsweiler (alle parteilos), kritisieren scharf, dass Wahllokale in kleinen Gemeinden, in denen unter 50 Personen im Wahllokal wählen, dieses Jahr geschlossen bleiben sollen.

Die Schließung sei ein „Verbrechen an der Demokratie“, heißt es in dem Schreiben. „Schämt Euch.“ Die Maßnahme sei „völlig grundlos, völlig undemokratisch (keine Mitbestimmung), völlig daneben. Wer so etwas macht, hat keine Antennen für die Demokratie.“

Die Wahl im Wahllokal sei ein niederschwelliges Angebot an die Bürger, sich am demokratischen Wahlverfahren zu beteiligen. „Werden Wahllokale verlegt, in diesem Fall in die Nachbargemeinden, erhöht das die Schwelle zur Beteiligung.“ In der Folge würden weniger Bürger wählen gehen, weil sie nun wählen „fahren“ müssten, befürchten die Ortschefs.

Als Beleg einer „zu geringen Wahlbeteiligung unter 50 Wählern“ sei die letzte Landtagswahl herangezogen worden. „Eine Wahl, die unter sehr verschärften Bedingungen stattfand, und bei der sich viele nicht in das Wahllokal getraut haben und erstmals per Briefwahl wählten.“ Eine solche Grundlage sei völlig unangemessen.

Außerdem gebe es in den Dörfern mehr als genug Freiwillige als Wahlhelfer, das sei überhaupt kein Problem, so Ebert, Schlesser und Niederauer. Verschwörungskreisen gebe die Schließung der kleinen Wahllokale zusätzlichen Auftrieb: „Leichter kann man Feinde der Demokratie nicht unterstützen.“

Die Begründung der Landeswahlleitung, dass mit unter 50 Wählerstimmen im Ort das Wahlgeheimnis nicht gewahrt bliebe, sei falsch, sagen die drei Ortsbürgermeister, denn: „Gleichzeitig wird die Briefwahl in der VG zentral ausgezählt und NICHT den Ortsgemeinden zur Auszählung überlassen. Wenn man unsere Briefwahlen bei der Bundestagswahl im Ort ließe, gäbe es dieses ausgedachte Problem nicht. Bei den Landtags- und auch bei den Kommunalwahlen klappt das alles einwandfrei. Da kann man auch sehen, wie ein Dorf gewählt hat. Ganz demokratisch. Ganz transparent.“

Landeswahlleitung beruft sich auf Bundeswahlordnung

In seiner Antwort beruft sich der stellvertretende Landeswahlleiter Dr. Stephan Danzer unter anderem auf eben jene Geheimhaltung.

In der Bundeswahlordnung (BWO) sei in Bezug auf die Einteilung der Wahlbezirke bestimmt, dass die Zahl der Wahlberechtigten in diesen Bezirken nicht so gering sein dürfe, dass erkennbar werde, wie einzelne Wahlberechtigte gewählt haben. „Vor diesem Hintergrund kann die jeweils zuständige Kreiswahlleitung vor der Wahl eine kleine Gemeinde mit einer benachbarten Gemeinde zu einem Wahlbezirk vereinigen, um die zu befürchtende Offenlegung des Wahlgeheimnisses zu vermeiden.“ Danzer nannte in seinem Schreiben auch die dazugehörigen Paragraphen.

Die teils neu gefasste Bundeswahlordnung (BWO) sehe vor, dass, im Fall einer Wahlbeteiligung von unter 50 Stimmen in einem Urnenwahlbezirk die Wahlurne zu einem aufnehmenden Urnenwahlbezirk zur Auszählung transportiert werde.

Auch angesichts des hohen Briefwahlanteils bestehe bei kleinen Gemeinden die Gefahr einer Stimmabgabe von unter 50 bei der Urnenwahl. Damit das Wahlgeheimnis unter Umständen nicht mehr gewahrt, so Danzer weiter. Bei der kleinteiligen Gemeindestruktur erfahre das Bundeswahlrecht und die Sicherung des Wahlgeheimnisses in Rheinland-Pfalz eine besondere Brisanz. Diverse Vorschläge zu Änderungen seien erfolglos geblieben. Also müsste im Vorfeld der Wahlen vom Kreiswahlleiter geklärt werden, welche Wahlbezirke sich gegenseitig aufnehmen.

Danzer mahnt die drei Ortsbürgermeister außerdem: „Vor diesem Hintergrund sind Ihre auch in der Wortwahl unverhältnismäßigen Vorwürfe (undemokratisch, keine Mitbestimmung, völlig daneben) nicht nachvollziehbar und erschweren den Prozess einer den Vorschriften und der wahlberechtigten Bevölkerung gerecht werdenden Vorgehensweise.“

Die Kreiswahlleitungen und der Landeswahlleiter müssten die rechtlichen Regelungen zur Wahldurchführung umzusetzen. Die Vorschriften dienten der Sicherung des Wahlgeheimnisses und stünden damit nicht im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Ordnung. „Demgemäß sehe ich auch keine Verletzung des Demokratieprinzips und weise Ihren Vorwurf zurück“, schreibt Danzer. (red)

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