Donnerstag 10.Juli 2025

Richter Dr. Alessandro Bellardita zeigt in Germersheim: Jugendkriminalität hat viele Ursachen

4. Juli 2025 | Kategorie: Kreis Germersheim

Richter Dr. Alessandro Bellardita.
Foto: Pfalz-Express / Linares-Ramon

Germersheim – Am Montagabend, 30. Juni, drehte sich im Bürgerhaus in der Grabenwehrstraße alles um die Frage, wie unsere Gesellschaft mit Jugendkriminalität umgeht.

Höhepunkt der gut besuchten Veranstaltung war der Vortrag von Dr. Alessandro Bellardita, Vorsitzender Richter am Jugendschöffengericht Karlsruhe, der bundesweit für seine Expertise im Jugendstrafrecht und seinen Einsatz gegen organisierte Kriminalität bekannt ist.

Bellardita, Sohn sizilianischer Einwanderer, war früher Staatsanwalt im Bereich organisierte Kriminalität, lehrt heute an verschiedenen Einrichtungen und tritt regelmäßig in Funk und Fernsehen sowie im ARD-/SWR-Podcast „Mafialand“ auf. Er fordert seit Jahren unter anderem eine unabhängige Staatsanwaltschaft und eine Bargeldobergrenze, um mafiöse Netzwerke und Geldwäsche wirksamer zu bekämpfen.

Unterstützt wurde die anschließende Diskussion von Gästen aus Politik und Gesellschaft, darunter der Landtagsabgeordnete Markus Kropfreiter (SPD, Wahlkreis 51), Büsra Lenz, Vorsitzende des Beirats für Migration und Integration der Stadt Germersheim, und Karl-Heinz Hoffmeister, stellvertretender Vorsitzender der SPD Germersheim-Sondernheim und Vorsitzender der Tafel Germersheim.

Foto: Pfalz-Express / Linares-Ramon

Drei bewegende Fälle aus der Praxis

In seinem Vortrag gab Bellardita sehr persönliche Einblicke in seinen Arbeitsalltag als Jugendrichter und zeigte anhand einiger Fälle, wie komplex die Hintergründe von Jugendkriminalität sein können – und dass sie oft weit über einfache Erklärungen hinausgehen.

So berichtete er von einer 15-jährigen Schülerin, die ihren Vater des sexuellen Missbrauchs beschuldigte. Erst nach genauer Untersuchung stellte sich heraus, dass sie die Vorwürfe erfunden hatte. Nicht aus Böswilligkeit, sondern weil sie offenbar keinen anderen Ausweg sah, um der belastenden Familiensituation zu entkommen. Zuvor war der Vater bereits gegenüber der Mutter gewalttätig gewesen, die ihre Verletzungen jedoch stets als Unfälle herunterspielte.

Ein weiterer Fall betraf einen Jugendlichen, der mehrfach Feuer in einem Mehrfamilienhaus legte. Videoaufnahmen belegten seine Taten. Dahinter stand jedoch kein bloßes Zerstörungsbedürfnis: Der Junge lebte mit Eltern und Geschwistern in beengten Verhältnissen und hoffte, das Haus so unbewohnbar zu machen, damit die Familie eine größere Wohnung bekäme und er endlich ein eigenes Zimmer hätte.

Besonders tragisch war der dritte Fall, den Bellardita schilderte: Ein junger Mann nahm in einem Unternehmen Geiseln und forderte zunächst sieben Millionen Euro. Später stellte sich jedoch heraus, dass er nur wieder mit seiner Ex-Freundin sprechen wollte. Eine persönliche Krise hatte ihn in eine dramatische Ausnahmesituation getrieben.

Ursachen ernst nehmen, nicht nur Strafen fordern

Bellardita machte deutlich, dass hinter Jugendkriminalität meist weit mehr steckt als reine Gewalt- oder Geldgier. Oft sind es schwierige Familienverhältnisse, psychische Belastungen oder Perspektivlosigkeit, die junge Menschen zu drastischen Schritten treiben. In der Diskussionsrunde wurde darüber gesprochen, wie wichtig Prävention, soziale Unterstützung und ein differenzierter Blick auf solche Lebenslagen sind.

Foto: Pfalz-Express / M. Licht

 

V.li.: Karl-Heinz Hoffmeister, Alessandro Ballardita, Markus Kropfreiter, Büsra Lenz.
Foto: Pfalz-Express / Linares-Ramon

 

Foto: Pfalz-Express / Linares-Ramon

 

Foto: Pfalz-Express / Linares-Ramon

 

Die Vorsitzende der SPD Germersheim, Elke Bolz, überreichte zum Abschied ein Präsent.
Foto: Pfalz-Express / Linares-Ramon

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