Donnerstag, 25. April 2024

Was geschah im Polizeihaftlager Rheinzabern? Weitere Mosaiksteine zusammengetragen

16. Juni 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional

Dr. Pia Nordblom mit Zeitzeugen, die mehr als zwei Stunden Rede und Antwort standen.
Fotos: Beil

Rheinzabern – Seit Jahren bemüht sich die Gemeinde Rheinzabern um Aufklärung über das ehemalige Polizeihaftlager Rheinzabern.

Deswegen hatte Ortsbürgermeister Gerhard Beil einige Zeitzeugen ins Rathaus eingeladen, wo sie auf Historiker trafen. Zwar ist das Bild noch immer rudimentär, doch haben einige Puzzleteile die Vorstellungen erweitert bzw. konkretisiert, aber auch zu neuen Fragen angeregt.

Eigens gekommen war Uwe Bader von der Landeszentrale für politische Bildung, die das Projekt unterstützt. Uwe Bader kümmert sich insbesondere um Gedenkstättenforschung. Von der Universität Mainz waren Dozentin Dr. Pia Nordblom und die beiden Geschichtsstudenten Patrick Stechmann und Jonas Pötsch anwesend.

Als Zeitzeugen hatten sich der 86-jährige Erwin Nicolaus sowie Alois Viktor Marz, Erwin Marz, Kurt Marz, Leo Knoll und Philipp Schmitt eingefunden. Insbesondere Erwin Nicolaus, Jahrgang 1928, erwies sich als äußerst erinnerungsfähig und wahre Quelle.

War bisher bekannt, dass das Lager als Polizeihaftlager bis 1940 fungierte, so wurde aus dem Gespräch deutlich, dass Lager und Gebäude bis 1945 verschiedene Funktionen erfüllten. Insbesondere die Nähe der für Schwerfahrzeuge ausgebauten Verladerampe Rheinzabern scheint ein wichtiger Standortfaktor gewesen zu sein.

Der Bau des Westwalls in der Südpfalz ist ohne das Polizeihaftlager Rheinzabern undenkbar. Im Zuge des Westwallbaus waren Zigtausende Arbeiter aus allen Teilen Deutschlands hier im Einsatz. Wer gegen die strengen Regeln verstieß, wurde als „Zögling“ in das Lager eingewiesen. Von dort wurden die Gefangenen täglich im bewachten Zug zu den Baustellen am Westwall gebracht.

Erwin Nicolaus erinnert sich genau an die strengen Marschordnungen zwischen Bahnsteig und Lager. Das PHL Rheinzabern war hermetisch abgeriegelt, große Hunde patrouillierten. Neugierige näherten sich der Anlage nur aus der Distanz. Mit dem Frankreichfeldzug von 1940 endete die Funktion als Polizeihaftlager.

Die Zeitzeugenbefragung ergab, dass gegen Kriegsende selbst Kinder im Lagergelände spielen konnten, insbesondere erinnerte man sich an das Brünnlein im Lagerzentrum, von dem heute nur noch der Betontrog erhalten ist. In der frühen Nachkriegszeit tanzten dort junge Pärchen oder man spielte Räuber und Gendarm. Wer verlor, dem drohte „Du kommst zum Todt!“.

Gemeint war Fritz Todt, der mit Vollmachten ausgestattete Leiter der „Organisation Todt“, die für den schnellen Bau von Westwall, Abschussrampen oder Atlantikwall Zigtausende an Arbeitern unter paramilitärischer Organisation einsetzte. Angesichts vieler „Rechtsverstöße“ waren die Gefängnisse überfüllt, weshalb die „Rechtsbrecher“ als Zöglinge in ein Polizeihaftlager eingewiesen wurden. PHL waren u.a. auch in Frankenthal-Mörsch und Mannheim-Sandhofen.

Die beiden Geschichtsstudenten Jonas Pötsch und Patrick Stechmann waren gut vorbereitet, stellten gezielte Fragen und zeichneten akkurat alle Antworten auf, um die Quellen zu sichern.

Uwe Bader berichtete auch von einer geplanten geheimen Luftmunitionsanstalt im Wald zwischen Rülzheim, Herxheim und Rheinzabern, wozu der Forst bereits seine Zustimmung gebegeben hatte. Dies brachte Leo Knolls jahrelangen Forschungen nach der Trasse einer Munitionskleinbahn vom Bahnhof Hochstadt in den Bienwald in einen neuen Zusammenhang.

Aus den Gesprächen wurden auch zwischenmenschliche Verbindungen vom Lager ins Dorf angesprochen, so dass für die Familienforschung, insbesondere den Werdegang des „Lagerkommandanten“, noch Aufklärung zu betreiben ist. Ebenso gilt es nach Namen von Insassen des Lagers zu suchen. Vieles aus dem Lageralltag liegt aber noch im Dunkeln. Ein interessantes Thema – nicht nur für die beiden jungen Historiker.  (Gerhard Beil/red)

 

Dr. Nordblom und Uwe Bader von der Landeszentrale für politische Bildung.

Ortsbürgermeister Beil zusammen mit zwei Studenten der Uni Mainz anlässlich eines Ortstermins im Frühjahr 2014.

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken

Kommentare sind geschlossen