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Paukenschlag in Kandel: Ortsrandstraße wird nicht gebaut

13. April 2017 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional
Große Aufregung: Rund 130 Bürger waren zur Stadtratssitzung gekommen. Fotos: Pfalz-Express/Licht

Große Aufregung: Rund 130 Bürger waren zur Stadtratssitzung gekommen.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Kandel – Die Ortsrandstraße zum Baugebiet „Nordwest K2“, die auch das Baugebiet „K7“ anbinden sollte, ist vorerst Geschichte.

In einer öffentlichen Stadtratssitzung in der Stadthalle informierte Kandels Bürgermeister Günther Telebörger über den Sachstand – und der sieht nicht gut aus. Grund ist eine Nachricht aus dem Mainzer Verkehrsministerium: Demnach gibt es keine Förderung für den Bau der Straße und der Brücke. Mit dem Zuschuss hatte die Stadt aber fast sicher gerechnet und diesen in die Planungen einbezogen.

In der Begründung des Ministeriums heißt es, aufgrund des „errechneten Kosten-Nutzen-Verhältnisses <1,0“ sei aus haushaltsrechtlichen Gründen eine Förderung des Vorhabens nicht möglich. Das bedeutet, auf den schon bestehenden Zufahrtsstraßen ist der Verkehr zu gering, also zumutbar für die Anwohner – und für die Ortsrandstraße reicht der errechnete Verkehr ebenfalls nicht aus (<1,0 = 1000 Fahrzeuge in 24 Stunden). Ein Wirtschaflichkeitsgutachten der Firma Modus Consult hatte lediglich einen Wert von <0,7 erbracht.

Die Ortsrandstraße ohne Zuschuss zu bauen, sei finanziell nicht zu stemmen, sagte Tielebörger. Derzeit müsse mit Kosten inklusive Grunderwerb in Höhe von rund 8,6 Millionen Euro gerechnet werden.

Ein weiteres Problem ist ebenfalls noch nicht gelöst: Noch haben nicht alle Grundstückseigentümer den Kostenerstattungsvertrag mit dem Erschließungsträger GkB abgeschlossen. Die Stadt hatte sich für eine private Erschließung in Form einer „Solidargemeinschaft“ entschlossen, um Erschließungskosten zu sparen. Von 41 Grundstücksbesitzern gibt es aber bei sieben Probleme. Einer will gar nicht verkaufen, andere wollen beispielsweise das Regelwerk geändert haben. Die Umsetzung des gesamten Baugebiets steht und fällt jedoch mit dem Abschluss aller Kostenerstattungsverträge.

Kein Wunder, dass die Stadthalle zur Ratssitzung voll besetzt war. Die Ratssitzung wurde vor der Entscheidung unterbrochen, damit die Bürger Fragen stellen konnten. Grundstückseigentümer und Anwohner der „Alt-Gebiete“ gleichermaßen wollten wissen, wie und ob es überhaupt es weitergeht. Harald Miltner (Ingenieurbüro Pröll-Miltner, GkB) indes ist zuversichtlich, dass mit weiteren Gesprächen die Schwierigkeiten der Kostenerstattungsverträge bereinigt werden können. Am 8. Mai soll nochmals eine Bürgerversammlung stattfinden.

Ist alles in trockenen Tüchern, muss umgeplant werden. Statt der Ortsrandstraße soll es nur noch einen Feldweg geben. Der „gewonnene Platz“ geht zugunsten neuer Bauplätze. Eine Straße könne dann möglicherweise in 20 oder 30 Jahren „nachgeholt“ werden, falls nötig, sagte Bürgermeister Tielebörger.

Auch das Wasserrückhaltebecken wird vergrößert. Hochwasser war die große Sorge einiger Anwohner beispielsweise der Hubstraße, die schon schlechte Erfahrungen mit Überflutungen gemacht hatten. Die Umplanung kostet die Stadt zusätzlich an die 20.000 Euro.

Glücklich ist niemand über die neue Situation. Die CDU-Fraktionsvorsitzende Judith Vollmer sagte, es sei „sehr bedauerlich, dass die Ortsrandstraße wegfalle: „Wir hatten sie versprochen. Die Anwohner in der Hubstraße und der Wasgaustraße werden es merken.“

Auch er selbst sei darüber sehr betrübt und enttäuscht, sagte Bürgermeister Tielebörger. Er habe ja in vielen Bürgerversammlungen darauf hingewiesen, dass die Ortsrandstraße kommen solle. Aber das Gutachten sei eben so.

Modus Consult hatte die Verkehrszählungen durchgeführt. Die Zahlen für den zunehmenden Verkehr derzeit und auch prognostisch für die Zukunft sind demnach quasi unerheblich (detaillierte Informationen siehe Fotogalerie).

Vergleiche man die einzelnen Gebiete, gebe es wenig Verkehrsänderungen. 12 Prozent des Verkehrs werde aus K2 verursacht, so Tielebörger. In der Saarstraße allerdings würde der Verkehr zunehmen, in anderen dagegen ab.

Einen ganz kleinen positiven Effekt hätte die Neuplanung des Baugebiets trotz allen Ungemachs: Die Erschließungskosten von rund 164 Euro pro Quadratmeter würden auf etwa 145 Euro sinken.

Gegen wütende Einwände einiger „Alt-Anwohner“, die dennoch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen befürchten, standen die Räte zusammen. Man müsse auch an nachfolgende Generationen denken, sagte Ludwig Pfanger (FWG) und erntete dafür Applaus. „Junge Leute wollen bauen, da darf man wegen etwas mehr Verkehr nicht egoistisch sein. Man muss im gesamten denken.“

Tielebörger sagte, neue Bürger brächten neue Kaufkraft nach Kandel, das sei lebenswichtig für die Stadt. Für die rund 40 Bauplätze habe es schon über 100 Anfragen gegeben, „ohne dass wir etwas getan hätten.“ Wenn man Baugebiete sterben lassen, sei man schnell auf dem „absteigenden Ast.“

Wenn alle Schwierigkeiten zügig ausgeräumt werden können, rechnet Bürgermeister Tielebörger mit einem Erschließungsbeginn etwa Mitte 2018. Im Jahr 2019 könnten dann erste private Bauherren loslegen.

Der Stadtrat beschloss am Ende, auf die Ortsrandstraße zu verzichten, den Bebauungsplanänderung erst in Auftrag zu geben, wenn alle Grundstückseigentümer den Kostenerstattungsvertrag mit dem Erschließungsträger abgeschlossen haben, und eine Flächennutzungsplan-Änderung zu beantragen. Bei der CDU gab es zwei Enthaltungen.  (cli)

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Ein Kommentar auf "Paukenschlag in Kandel: Ortsrandstraße wird nicht gebaut"

  1. Eck, Alexander sagt:

    Die große Anzahl der Verlierer sind natürlich die Bauinteressenten, die Bürger die gerne verkaufen, oder selbst nutzen wollen und vor allen Dingen die Stadt Kandel.
    Die bisherigen Kosten werden durch Leistungen der Erschließungsfirma (wohlbemerkt, bereits die Zweite die in den Sand gesetzt wird), Kosten für das Vermessungsamt, zusammen mit den bisherigen 1,2 Mio. Euro für Grundstückskäufe die 2 Mio Euromarke erreichen, wenn nicht sogar überschreiten.
    Wohl denen die ihr Ackerland behalten, wenn man evtl. nie etwas dafür beigetragen hat.

    Dieses Thema hätte ich gerne am Dienstagabend noch etwas vertieft, mein Statement war schlechte Rhetorik, sorry hatte mich derart über die vielen „Verkehrstoten“ und „Wasserleichen“ erregt!!!
    Herzliche Ostergrüße, siehe auch evtl. Leserbrief.
    A. Eck – d.a.S.