Lingenfeld: Diskussion zum US-Depot – Skepsis und Ängste bei den Bürgern – Kreisverwaltung will offene Punkte abarbeiten

5. Juli 2017 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional, Top-Artikel
Informations- und Frageabend im Sängerheim in Lingendfeld. Fotos: Pfalz-Express/Licht

Informations- und Frageabend im Sängerheim in Lingendfeld.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Lingenfeld/Germersheim – Zum öffentlichen Info- und Diskussionstermin am Dienstagabend zur Erweiterung des Gefahrstofflagers im US-Depot in Germersheim hatten sich etwa 80 Bürger und und zahlreiche Lokalpolitiker eingefunden.

In einer überwiegend sachlichen Atmosphäre standen ihnen Vertreter der U.S. Army Garrison Rheinland-Pfalz, der Feuerwehren des US-Depots, des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, der Kreisverwaltung und der SGS TÜV Saar GmbH für Fragen zur Verfügung.

Landrat Dr. Fritz Brechtel moderierte die Veranstaltung und fasste manch allzu komplizierten Sachverhalt etwas allgemeinverständlicher zusammen. Gekommen war auch der Kommandeur des US-Depot, Colonel Zorn Sliman, der sich aber einerseits aus politischen und andererseits aus Gründen mangelnder Deutschkenntnisse nicht äußerte. Für ihn sprach Michael Mendel von der DLA (Defense Logistics Agency).

Etliche Bürger beteiligten sich mit erstaunlich großer Sachkenntnis und perfekt vorbereitet an der Fragerunde.

Lingenfeld, Diskussion US-Depot Germersheim

„Keine Waffen, Munition oder radioaktives Material“

Mit einer kleinen Präsentation auf der Leinwand wurden die Zuhörer erst einmal darüber informiert, was denn nun eigentlich genau gelagert werden soll, wie die Raumaufteilung aussieht und welche Sicherheitsvorkehrungen im Fall eines Brands oder Schadensereignisses vorgesehen sind (siehe dazu Bildergalerie am Textende).

Mendel betonte, dass keinerlei Waffen, Munition oder radioaktives Material in Germersheim gelagert würden. Vielmehr sei die Kernkompetenz das Einlagern von Ölen, Schmierfetten, Enteisungsmitteln, Holz, Uniformen oder Landkarten.

Germersheim liege äußerst verkehrsgünstig an der B9, dem Rhein und nur eine Stunde weg der Air-Base in Ramstein. Viele kleinere Depots besonders in der Westpfalz hätten schließen müssen. Deshalb sei der Standort für eine Aufstockung der Lagermaterialien von bislang 70 Tonnen auf 1.900 Tonnen ausgewählt worden. Das höre sich sehr viel an, aber letztendlich handele es sich eben doch nur handelsübliche Stoffe.

Man wolle im weltweiten Verbund das beste Depot werden, sagte Mendel, denn man versende von Germersheim aus auch Hilfslieferungen nach Afrika oder in Katastrophengebiete, beispielsweise bei Erdbeben oder Überschwemmungen.

Skepsis in der Bevölkerung

Das Publikum blieb dennoch skeptisch. Das klinge, als handele es sich um eine Tankstelle, sagte eine Bürgerin. Die Befürchtung einer „Verharmlosung“ oder dass „doch nicht alles gesagt wird“ stand immer wieder im Raum. Ein Problem sahen zahlreiche Zuhörer in den Additiven, die den Materialien beigemischt sind.

Die DLA weise in ihren eigenen Unterlagen Stoffe mit dem Hazardous Characteristic Code (HCC) T6 (Health Hazard) aus, merkte Dietmar Bytzek an. Dies entspreche der Lagerklasse 6.1A für die höchste Giftigkeit. Die Gutachter hätten noch weitere HC Codes in diese Klasse eingeordnet.

Frank Rödler vom TÜV sagte, die als giftig und sehr giftig klassifizierten Stoffe müssten einzeln aufgeführt werden, weil es so Vorschrift sei. Es gelte die „größer als 1 Prozent-Regelung. Die Wahrscheinlichkeit sei aber groß, dass nie ein solcher Stoff auftauche. Dennoch müsse der Antragsteller (US-Army) diesbezüglich gesichert sein.

Mendel ergänzte, man könne im Moment nicht voraussehen, wie und ob sich Gemische in Zukunft änderten. Deshalb versuche man bei der Antragstellung eine „vernünftige Flexibilität“ zu haben.

Brechtel erklärte es zusammengefasst: „Wenn nur ein kleiner Teil hochgiftig ist, wird das gesamte Gemisch als hochgiftig eingestuft, um auf Nummer sicher zu gehen.“

Supergau?

Am meisten trieb die Bürger die Sorge um die Sicherheit um. Was passiert bei einem Unfall, Brand oder sogar einem Terrorabschlag? Werden Luft und Erdreich verschmutzt oder sind gar Menschenleben in Gefahr? Das Wort „Supergau“ fiel des Öfteren.

Dazu gab Andreas Hille von der betriebsinternen Feuerwehr Auskunft, der seit über 30 Jahren bei den US-Amerikanern arbeitet. Man führe ständig Sicherheitsüberprüfungen durch, so Hille, es gebe Sonderlöschcontainer und Dekontaminierungs-Container, falls doch einmal etwas passiere.

Die etwa 4.000 Quadratmeter große Halle sei drei Räume unterteilt. Dort sollen Löschwasserbarrieren mit 300 bis 400 Kubikmeter Fassungsvermögen, Sprinkleranlagen und Brandschutzwände dafür sorgen, ein mögliches Feuer erst einmal „niedrig zu halten.“ Das Auffangbecken könne allerdings nicht alle auslaufenden Flüssigkeiten auffangen, räumte Hille ein.

Bei einem größeren Ereignis sollen Feuerwehren aus der Umgebung mithelfen. Diese würden dann von der Militärpolizei begleitet, erklärte Hille, nachdem eine Frage aus dem Publikum das militärische Sperrgebiet ins Spiel gebracht hatte.

Lingenfelds Verbandsbürgermeister Frank Leibeck, selbst ehemaliger Wehrleiter, bestätigte eine stets gute Zusammenarbeit mit der US-Feuerwehr, beispielsweise bei einem Anthrax-Alarm vor Jahren oder bei kleinen Bränden. Gleichzeitig stellte er die Forderung nach einem Konzept mit dem Gefahrstoffzug des Kreises. Darin müsse ausgearbeitet werden, wie Einsätze materiell und organisatorische ablaufen sollten.

Landrat Brechtel nahm den Vorschlag gerne auf. Man werde gemeinsam prüfen, ob das Feuerwehrkonzept überzeugend sei und Verbesserungen umsetzen. Im gesamten Verfahren müssen deutsche und amerikanische Vorschriften erfüllt werden. Unterscheiden sie sich, gelte die jeweils strengere, warf Michael Mendel zum allgemeinen Verständnis ein.

Ein Einwurf von Seiten der SPD: „Warum entscheidet man nicht, solche Stoffe einfach nicht zuzulassen?“ Man habe die Befürchtung, dass neue giftige Stoffe dazu kämen.

Eine Vertreterin de SGS TÜV Saar GmbH entgegnete, dass sehr giftige Stoffe waren bislang nicht genehmigt waren. Durch die Veränderung der Weltlage sie die behördliche Beschränkung nun erweitert worden – was ein missfälliges Raunen im Saal auslöste.

Landrat Brechtel stoppte einen Bürger, der von „Zielscheibe“ und „amerikanischer Besatzung“ sprach mit dem Hinweis, dass man an diesem Abend für grundsätzliche Themen wie Änderungen in der Außenpolitik nicht zuständig sei. Mendel betonte, dass Deutschland und die USA dem NATO-Bündnis angehörten: „Dazu gibt es Beschlüsse.“ Die Großwetterlage habe sich geändert. Ob der Standort aber noch weiter ausgebaut werden soll, wisse er nicht.

Ein weiterer Bürger fragte aufgebracht nach der Sicherheit von elektronisch gesteuerten Systemen im Fall einer Cyber- Attacke. Er sei selbst Informatiker, „jeder Dummkopf“ könne solche Systeme stören. Auch die Frage nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung wurde nochmals aufgeworfen.

Nach drei Stunden Diskussion zog Brechtel ein erstes Fazit: „Längst nicht alle Fragen wurden zur Zufriedenheit beantwortet, einige Punkte blieben offen. Diese Informationslücken, ebenso die vielen guten Hinweise und Anmerkungen sind wichtig für uns. Wir nehmen sie in das Genehmigungsverfahren mit.“

Schließlich sei das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Brechtel fordert die Bürger auf, falls sie Fragen oder Bedenken haben, diese schriftlich als Einwendung bei der Kreisverwaltung Germersheim einzureichen. Denn nur die innerhalb der Einwendungsfrist bei der Kreisverwaltung Germersheim schriftlich eingegangenen Einwendungen können beim Erörterungstermin am 12. September 2017 besprochen werden.

Die Antragsunterlagen zur Erweiterung des bestehenden Gefahrstofflagers liegen noch bis 25. Juli 2017 offen und können während der Dienststunden bei der Kreisverwaltung Germersheim, Fachbereich 31, Zimmer Nr. 2.15, Luitpoldplatz 1, 76726 Germersheim eingesehen werden.

Die Einwendungsfrist läuft bis 7. August 2017. Die Einwendungen müssen bei der Kreisverwaltung Germersheim schriftlich eingereicht werden und die volle Anschrift des Einwenders tragen. Bereits eingereichte Einwendungen müssen nicht nochmals neu vorgetragen werden. Auch der bei der ersten Offenlegung vermisste dritte Ordner werde dort sein, versicherte der Landrat.

Wo sind die Unterlagen?

Unterlagen hatten sowohl die Ortsgemeinde als auch die Verbandsgemeinde Lingenfeld vermisst. Man habe zwar „etwas bekommen“, sagten die Bürgermeister Frank Leibeck (VG) und Erwin Leuthner (OG), aber nicht die kompletten Unterlagen. Das wies Tatjana Baldauf von der Kreisverwaltung zurück: Man habe alles komplett nach Lingenfeld geschickt. Leuthner widersprach erneut: Er habe bis heute die Unterlagen noch nicht in der Hand gehabt.

Die Ortsgemeinde Lingenfeld hatte per Gemeinderatsbeschluss das Einvernehmen zur Erweiterung des Depots untersagt. Nun muss das Bundesverteidigungsministerium über den Einwand entscheiden.

Leuthner mahnte in seinem Schlussappell, rigide die Vorschriften zur Sicherheit einzuhalten, denn oft würden Unglücke durch menschliches Versagen ausgelöst.

Landrat Brechtel sagte im Anschluss dem Pfalz-Express, die Veranstaltung sei genau das gewesen, was man beabsichtigt habe. Es sei klar geworden, dass einige Fragen noch offen seien: „Das hat uns als Genehmigungsbehörde sehr geholfen.“ Einwendungen seien auch in der Summe eine Garantie dafür, dass alles korrekt verlaufe. Den Schutz der Menschen und der Umwelt nehme er sehr ernst. (cli)

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