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Kita-Novelle: Landrat Brechtel: „Aktueller Gesetzentwurf bleibt Mogelpackung“ – Koalition: „Bildungspolitischer Meilenstein“

11. April 2019 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional

Symbolbild: dts Nachrichtenagentur

RLP/GER – Das am Mittwoch vorgestellte Kindertagesstättengesetz stößt nicht überall auf Gegenliebe. Während die SPD-geführte Landesregierung das neu Kita-Zukunftsgesetz mit „mehr Betreuungszeit und mehr Betreuungsqualität in den Kitas sowie Ausbau der Gebührenfreiheit“ als bildungspolitischen Meilenstein preist, hagelt es Kritik von anderer Seite.

Im Kreis Germersheim spricht Landrat Dr. Fritz Brechtel von einer „Mogelpackung“, deren jüngste Änderungen zu Lasten der Kinder, der Erzieherinnen, der Eltern und der Qualität gingen.

„Puffer zu gering bemessen“

„Unsere Kinder und die Erzieher haben das Recht auf gute Arbeits- bzw. Betreuungsbedingungen. Das verspricht auch der wiederholt nachgearbeitete Gesetzesentwurf der Landesregierung nicht. Die Gesetzesnovelle zum Kindertagesstättengesetz ist und bleibt eine Mogelpackung. Alle Landkreise in Rheinland-Pfalz, auch wir im Landkreis Germersheim, befürchten weiterhin gravierende Nachteile für die Kinder, ihre Eltern, für die Erzieherinnen und Erzieher, für die Kommunen und einen erheblichen Qualitätsverlust“, so der Landrat.

Brechtel führt als Beispiel zwei Kritikpunkte ins Feld. Da gebe es erstens den „unrealistischen Planungsspielraum“: „Im Landkreis Germersheim haben wir heute eine sehr gute Flexibilität von 15 bis 25 Kindern pro Regelgruppe, ohne dass Kürzungen bei unbelegten Plätzten vorgenommen würden. Die neu vorgesehene gesetzliche Reglung verringert diesen Planungspuffer drastisch auf nur noch 8 Prozent maximal unbelegte Plätze.“

Der für Kinder und Jugend zuständige Dezernent, Christoph Buttweiler, sagte: „Bei einer derzeitigen Gruppe von 25 Kindern entspräche dies zwei Plätzen. Werde der Puffer künftig überschritten, drohten finanzielle Kürzungen des Landes.“

Das zeig, dass der Puffer von 8 Prozent viel zu gering bemessen und unrealistisch sei. Es gehe um große Geldbeträge. Schon bei einer Überschreitung des Puffers um 1 Prozent auf das gesamte Kreisgebiet bezogen, entstünde für den Landkreis ein Mehraufwand von rund 200.000 Euro.

Die über ein Kita-Jahr betrachtete durchschnittliche Belegung der Kitas liegt derzeit im Landkreis bei rund 88,7 Prozent. Das zeuge von einer „sehr genauen“ Bedarfsplanung. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass neu aufzunehmende Jahrgänge über das Jahr verteilt aufgenommen werden. Da wird es in der Sache auch nicht besser, wenn zunächst mit einem Puffer von 20 Prozent gestartet und dieser innerhalb der nächsten sieben Jahre auf 8 Prozent reduziert werden soll.“

„Personalschlüssel zu gering“

Brechtel bemängelt zum zweiten den Personalschlüssel: Der in der Neuauflage des Kita-Gesetzes vorgesehen Schlüssel von 0,1 sei ebenfalls viel zu gering. 0,1 bedeutet auf einen Erzieher kommen zehn Kinder.

Der Gesetzesentwurf sehe zudem keine differenzierten Betreuungsbedarfe der 2-Jährigen und der 6-Jährigen vor. „Ein Unding angesichts des doch jedem nachvollziehbaren Mehraufwands, den 2-Jährige benötigen, zumal wir im Landkreis Germersheim heute schon einen deutlich besseren Personalschlüssel haben, als es auch der jetzt nochmals nachgearbeitete Gesetzentwurf überhaupt vorsieht,“ führt Brechtel aus.

Brechtel und Buttweiler fürchten negative Auswirkung in mehrere Richtungen: „Die Kita-Novelle führt im Hinblick auf die fehlende langfristige Planbarkeit der Fachkräfte und des gleichzeitigen Fachkräftemangels zu einer erheblichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für unsere Erzieherinnen und zu einer Verringerung der Qualität in den Kitas insgesamt. Wir befürchten Personalknappheit und dadurch eine höhere Belastung des Personals, die sich auf die Betreuung der Kinder und Arbeit in den Gruppen auswirkt. Das neue Gesetz geht zu Lasten der Eltern und ihrer Kinder, zu Lasten der Fachkräfte in den Kitas, zu Lasten des ländlichen Raums und nicht zuletzt zu Lasten der Kommunen. Wir fordern von der Landesregierung wiederholt eine schnelle und umfassende Nachbesserung des Gesetzentwurfes – und zwar im Sinne der Kinder, ihrer Erzieher und Eltern!“

„Viele Verbesserungen“

Bettina Brück (SPD, bildungspolitische Sprecherin in Mainz, hatte das neue Gesetz gelobt. Es sehe zahlreiche Verbesserungen vor: Es solle einen verbesserten Personalschlüssel an den Kitas geben, und das geplante Sozialraumbudget für zusätzliches Personal soll auf 50 Millionen Euro erhöht werden, um etwa Kita-Sozialarbeit zu finanzieren.

Mit Blick auf die Ausstattung in Kitas, insbesondere die Küchen, sei ein Sachkostenprogramm für Küchen geplant, für das die Landesregierung weitere 13,5 Millionen Euro bereitstelle, so Brück. Die Gebührenfreiheit soll künftig für alle Kita- und Krippen-Kinder ab dem zweiten Lebensjahr gelten.

Durch einen Rechtsanspruch auf sieben Stunden Betreuung am Stück inklusive Mittagessen erhielten die Eltern mehr Rechtssicherheit. Die Elternrechte würden durch die Einführung eines neuen Kita-Beirats gestärkt, und die Kita-Teams erhielten einen gesetzlichen Anspruch auf Leitungszeit und Praxisanleitung.

Schließlich soll eine verbindliche Rahmenvereinbarung auf Landesebene zwischen den Jugendämtern und Trägern abgeschlossen werden.

Im Sommer 2018 hatte Bildungsministerin Stefanie Hubig den Referentenentwurf für das geplante Gesetz vorgestellt. (red)

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