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Hans-Joachim Kreisel wurde 75: Ein Stück Lebensgeschichte – „seetauglich und tropenfest“

8. Oktober 2019 | Kategorie: Allgemein, Landau, Leute-Regional

Hans-Joachim Kreisel mit einem Atlas. Hier informiert er sich über Afrika.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Landau. Ein politisch und technisch interessierter Politiker und Ingenieur zugleich wurde am 4. Oktober 75 Jahre alt. Viele Bekannte in der  Südpfalz sehen dem in Landau lebenden ehemaligen hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt Hans-Joachim Kreisel, sein Alter nicht an.

Er selbst wünscht sich im Gespräch mit dem Pfalz-Express, noch viele Jahre bei guter Gesundheit bleiben zu können.
 
In seinen 70 Jahre zurückliegenden Erinnerungen schreibt er: „Ohne Vater, der in den Kämpfen des Zweiten Weltkrieges 1944, kurz vor seiner  Geburt im Kugelhagel bei Stalingrad tödlich getroffen wurde, wuchs ich durch die Fürsorge von Großeltern und Mutter auf. Ein prägendes Ereignis war der verlorene Krieg, die Trümmer in den Straßen, die keinen Schutz mehr boten, herum irrende Menschen auf der Suche nach Angehörigen.“

Mit der anschließenden Vertreibung über Dresden, Berlin und Mecklenburg, nach Wismar an die Ostsee, versuchte die Familie eine neue Heimat zu finden. Die Empfehlung
eines Fluchtreisenden, dass es dort „oben“, gemeint im Norden, etwas zu essen gäbe, zog ganze Völkerscharen nach Essen und Trinken ins Land Mecklenburg. „Jedes Weihnachtspäckchen wurde zu einem aufmunternden Geschenk“, so Kreisel.

Später bemerkte er, dass einige Väter aus der Gefangenschaft zu ihren Familien zurück kamen und am Essenstisch Platz nahmen. Seine bohrende Frage nach dem Vater, wann er den käme und wie er wohl aussehe, wurden ihm nie so richtig beantwortet.

„Ähnlich wie der Opa“, hieß es dann. Den beobachtete der kleine Kreisel immer, wenn der Großvater sich aufmachte um über Land zu fahren und sein Wissen als Berufschullehrer jungen Handwerkern und Technikern in Familienbetrieben zu vermitteln – nicht für Geld, sondern für ein paar Äpfel oder Brot und Kartoffeln.

Die Hansestadt Wismar an der Ostsee wurde zu einem neuen Standort, ein Stück Heimat. Und immer klang es noch durch: Vielleicht war die traurige Kriegsmeldung vom Tod des jungen Vaters und Soldaten Kreisel doch ein Versehen, eine Falschmeldung und er kommt gleich vorbei ?

Für die Kinder und Schüler wurde das weite Meer und der Strand zu interessanten Spielplätzen. Doch Mutter und Großmutter mahnten: „Junge lerne etwas, nur mit russisch allein geht es nicht“.

„Nach harter Arbeit, einer Schlosserlehre auf Wunsch der beiden „Aufpasser“, erhielt ich nach der Schulzeit und Lehre von den FORD-Werken, Köln ein Stipendium“ erinnert sich Kreisel.

Stolz zog in die Familie ein: „Der Junge wird Ingenieur“. Aber das Ziel war vorgegeben. „Um die familiären Ideen auch umsetzen zu können, erwarb ich in Bremerhaven nach 10 stündiger ärztlicher Untersuchung das Seefahrtsbuch. Mit dem „legendären Eintrag“ seetauglich und tropenfest konnte ich auf dem 130 Meter langen weißen Kühlschiff  Bananen aus Südamerika holen, verdiente damit für das nächste Semester mein Geld  und trug somit zur verbesserten finanziellen Liquidität im Familienhaushalt bei.“

Auf den 6-wöchigen Reisen als Ing.-Assistent  über den Atlantik gab es keine Gelegenheit, Geld auszugeben, es gab kein Kino, keine Kneipe. Nur an ein nettes Erlebnis erinnert sich Kreisel: „Ich musste zum Zähneputzen Bier statt Wasser verwenden. Das Wasser musste rationiert werden, Klimabedingt d.h., das gab es nur in kurzen Zeitspannen einmal morgens, einmal mitttags zum Kochen. Das führte zu einem Verbrauch von über 68 Flaschen Bier und das in der Karibik“, lacht Kreisel.

In der zweiten Hälfte der 1960-er Jahre setzte die Welle der Demokratisierung in Deutschland ein. Die sogenannte „68-er Generation“ habe damals die Bürgerschaft gespalten: „Naturwissenschaft, Bauwesen, Ingenieurtechnik einerseits und die Geisteswissenschaften der Soziologen, Philosophen, Psychologen andererseits.“

Mit den ersten Demonstrationen in Karlsruhe und Stuttgart versuchte der ASTA-Referent  für Politik und Publizistik, Kreisel, die Bildungspolitik in Baden Württemberg und Süddeutschland zu beschleunigen und verknöcherte Strukturen in den Amtsstuben aufzubrechen. Der Weg in eine moderne Gesellschaft sollte frei werden. Es sollte Freiheit für Lehre und Forschung geben. „Weniger reden! Machen wir es doch einfach.“ Diese Grundeinstellung wiederholte sich, die hat der Jubilar bis jetzt nicht vergessen oder ablegen können.
Die studentische Bewegung sei ein Meilenstein der ganzen Gesellschaft gewesen, fasst Kreisel zusammen.

Bis zum 50.Lebensjahr, dem Eintritt in die hauptberufliche Politik, war sein Berufsleben eine Sammlung von ingenieurwissenschaftlichen Erfahrungen und Anwendungstechnik, in der Betriebswirtschaft, der Volkswirtschaft, Unternehmensplanungen in Australien, Indien, Deutschland.

Tätigkeiten in Spanien, Italien, Ungarn, beim Bau von nuklearen und konventionellen Anlagen der Kraftwerkstechnik, öffneten die Orientierung zur Innovation.
„Das, was wir heute noch als Diagnosesystemen zur Feststellung von vorausschauenden  Serviceintervallen an technischen Maschienen entwickelten und verstehen, wird heute mit der digitalen Begriffsdefinition Industrie 4.0 bezeichnet. Insoweit gibt es auch kein Ende des Lernens“, ist sich Achim Kreisel sicher.

Nach einer 8jährigen Forschungstätigkeit und Anmeldedauer erhielt Kreisel 1994 sein ersten Patent, „Korrossionsfreie hochfeste Schraubenverbindung“

Die zehn jährige Amtstätigkeit im Landauer Rathaus erlebte er als „einen prüfenden Lebensabschnitt wie die Zukunft zu gestalten wäre, wenn…..“. „Die Vielzahl von Führungsaufgaben ob Entsorgung, Versorgung, Ordnungsrecht, bis hin zur Gestaltung und Organisation eines Krematoriums oder eines städtischen Zoos sind nicht alltägliche Anforderungen“.

So konzentriert sich Kreisel nun auf die Tätigkeit, in einem „Tandem-Mentoring“ jungen Studierenden an einer Hochschule zur Seite zu stehen: „Dies fordert Geist und Fähigkeit der flexiblen Aufgabenerledigung.

Zusammen mit einer befreundeten Diplom Betriebswirtin, die alle kaufmännischen Disziplinen excellent abdeckt, werden wir als Tandem sowohl die Vertiefung von Wirtschaft als auch Technik soweit entwickeln, dass unsere Mentees  Anforderungen und Freude beherrschen,  sich auf das Berufsleben vorzubereiten.
Darin wird auch erkennbar, wie groß der Erfahrungsschatz ist, den man in mehr als 70 Jahren mehr oder weniger bewusst erarbeitet hat.

Übrigens: 70 oder 75 Jahre ist eine der derzeit wohl aktuellsten, weltweit erkennbaren Zahlenkombination. 70 Jahre war kürzlich das Unternehmen von Ferdinand Porsche, 70 Jahre wurde die Volksrepublik CHINA.

Bleiben wir im Land: 70 Jahre feiern im Südwesten der Republik (Südpfalz) mehr als 100 Unternehmen. Und mit 75 Jahren darf ich mich selbst in die Jubilare einreihen“, meint er. Die Lokalpolitik verfolge er „wachsam“. Kreisel ist nach wie vor ein gern gesehener Gesprächspartner bei Unternehmen und Unternehmensgründern. So ist er bereits 20 Jahre schon eine wesentliche Führungskraft beim Unternehmerforum JUST e.V..

Afrika ist für den Jubilar ein großes Thema, wenn es um die wirtschaftlichen Entwicklung in der Wasseraufbereitung, Entsalzung von Meerswasser zu Trinkwasser oder auch um die Recyclingwirschaft geht. Seine Stimme ist auch beim Botschafterdialog Afrika gefragt, wenn afrikanische Diplomaten in Deutschland im Oktober zusammentreffen. (desa)

Gartenarbeit ist eines seiner liebsten Hobbys.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

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