Berlin – Nach dem Protesttag in Berlin, bei dem mehrere Personen unter anderem versucht hatten, mit sogenannten „Reichsflaggen“ den Reichstag zu stürmen, hat Bundesjustizministerin Christina Lambrecht (SPD) eine harte Antwort des Staates gefordert.
„Gegen diese Feinde unserer Demokratie müssen wir uns mit aller Konsequenz zur Wehr setzen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das unerträgliche Bild von Reichsbürgern und Neonazis vor dem Reichstag darf sich nicht wiederholen – nicht vor dem Parlament und niemals im Parlament.“ Der demokratische Rechtsstaat garantiere das Recht seiner Bürger, friedlich zu demonstrieren, sagte Lambrecht. „Wer aber den Bundestag attackiert und Reichsflaggen schwenkt, zeigt nichts als Hass auf die Demokratie und Verachtung für alles, was unser Land ausmacht.“ Die Ministerin dankte den Polizisten, „die unter schweren Bedingungen das Reichstagsgebäude als Symbol unserer Demokratie geschützt haben.“
Steinmeier beklagt „Angriff auf das Herz unserer Demokratie“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte: „Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie.“ Das werde man niemals hinnehmen. „Unsere Demokratie lebt. Wer sich über die Corona-Maßnahmen ärgert oder ihre Notwendigkeit anzweifelt, kann das tun, auch öffentlich, auch in Demonstrationen.“
Sein Verständnis ende aber da, „wo Demonstranten sich vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen lassen“. Sein Dank gelte den Polizisten, die in schwieriger Lage „äußerst besonnen gehandelt haben“, so Steinmeier weiter.
Seehofer: „Unerträglich“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der „Bild am Sonntag“: „Das Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres Parlaments und damit das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie. Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich.“
Habeck: Ereignisse am Reichstag müssen aufgeklärt werden
Grünen-Chef Robert Habeck hat zu den Ereignissen rückhaltlose Aufklärung gefordert. „Die Institution anzugreifen, die für diese Demokratie steht, ist ein Angriff auf die Demokratie selbst“, sagte Habeck den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Dass Nazis mit Reichskriegsflaggen versuchen, den Bundestag zu stürmen, erinnert an die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte.“
Die Polizei habe vor einer schwierigen Situation gestanden, den Einsatzkräften auf der Straße gelte Dank. „Ein Vorfall wie am Samstagabend darf sich aber nicht wiederholen. Die Ereignisse müssen rundum aufgeklärt werden“, so Habeck.
Gleichzeitig erwarte er von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dass er Rechtsextremismus auf allen Ebenen entschieden bekämpfe, „Daran darf es keinen Zweifel geben.“ Habeck nannte die Bilder von Samstagabend erschütternd. Es gehöre zwar zur demokratischen Debatte, über Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Corona zu diskutieren. Wer aber mit Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten mitmarschiere, mache sich mit dem Hass gemein. „Niemand kann so tun, als hätte er nicht gewusst, bei wem er mitläuft.“
BDK warnt vor Folgen der Corona-Proteste
Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, hat vor den Folgen der Corona-Proteste gewarnt. „Solche Demonstrationen sind für radikale Bewegungen ein ideales Umfeld, um immer mehr Menschen für ihre Ideologien zu gewinnen“, sagte Fiedler der „Rheinischen Post“. Dort mischten sich Feinde der Demokratie mit Teilen der gesellschaftlichen Mitte. „Verschwörungstheorien können so immer schneller um sich greifen.“ Es entstehe ein Gemeinschaftsgefühl von Gruppen, die vorher nichts miteinander zu tun gehabt hätten.
Das sei rechtsstaatlich zu tolerieren, schließlich müsse das Demonstrationsrecht gewahrt bleiben, so Fiedler. „Für die Stabilität der Gesellschaft und der freiheitlichen Demokratie kann das aber gefährlich werden.“ Politiker seien deswegen mehr denn je gefordert, ihre Maßnahmen öffentlich immer wieder zu erklären und auch den Meinungsstreit darüber öffentlich auszutragen.
„Und die Sicherheitsbehörden müssen Strukturen im Internet noch stärker unter die Lupe nehmen und bekämpfen“, sagte der Verbandschef. „Nur so kann einer beschleunigten Verbreitung von Verschwörungstheorien entgegengewirkt werden.“
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