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Angespannte Stimmung im Kreistag: AfD demonstriert vor Eingang – Streit um Redezeit und Inhalt

7. März 2018 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional

Kreistag am 5. März.
Fotos: Pfalz-Express

Kreis Germersheim – Gereizte Stimmung herrschte am Dienstag bei der Kreistagssitzung im Germersheimer Bürgersaal.

Schon im Vorfeld mussten die Mitglieder durch ein Spalier von AfD-Demonstranten laufen, die sich am Eingang mit Schildern postiert hatten.

Mit dabei: Die AfD-Landtagsabgeordneten Matthias Joa (Kreis Germersheim) und Joachim Paul (stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, Kreis Koblenz).

Man habe den Eindruck, dass nach dem gewaltsamen Tod der 15-jährigen Schülerin in Kandel wieder „zur Tagesordnung übergegangen werden sollte“, sagte Paul. Dagegen wolle man ein Zeichen setzen.

Die AfD-Kreistagsfraktion hatte für die Sitzung einen Antrag „Unterrichtung Tötungsdelikt 27.12.2017“ gestellt.

Streit über Redezeit

In der Sitzung unter Leitung von Landrat Dr. Fritz Brechtel sprach AfD-Kreistagsmitglied Franz Siarsky längere Zeit  allgemein über Asylpolitik, „gleichgelagerte Fälle“ und „ideologisch verblendete Journalisten, die uns vorwerfen, zu instrumentalisieren.“

Siarsky wollte außerdem wissen, weshalb der mutmaßliche Täter „auf 190 Quadratmetern in Neustadt residiert“ habe und was das den Steuerzahler koste.

Nach neun Minuten ermahnte Brechtel Siarsky, sich mit seinen Ausführungen an den entsprechenden Antrag zu halten. Dafür sei die Redezeit vorgesehen. Rülzheims Ortsbürgermeister Reiner Hör (Aktive Bürger) verwies auf die Geschäftsordnung und forderte, Siarsky solle diese beachten: „Wir sind im Kreistag und nicht in einem Parlament.“

Zum AfD-Antrag sagte Brechtel, er habe pflichtgemäß und zeitnah über alle bekannten Fakten unterrichtet, sowohl über die Presse als auch auf der Kreistagssitzung im Januar. Eine Altersüberprüfung aller unbegleiteten minderjährigen Ausländer (umA) sei bekanntermaßen angeordnet: „Alles liegt Ihnen schriftlich vor.“

Eine Vorladung von Jugendamtsmitarbeitern und involvierten Polizeibeamten, wie von der AfD im Antrag gefordert, kam für Brechtel nicht in Frage: „Jedes Kreistagsmitglied hat das Recht auf persönliche Auskunft. Eine Vorladung von weiteren Personen lehne ich ab.“ Er selbst werde jederzeit informieren, aber gewiss keine Mitarbeiter vor dem Kreistag befragen lassen.

„AfD-basierte Demonstrationen“

Brechtel sagte weiter, dass die Eltern des getöteten Mädchens und die Stadt Kandel den unbedingten Wunsch nach Ruhe hätten.

Dieser Wunsch werde „dramatisch gestört“ von den vielen AfD-basierten Demonstrationen. Auch Mitglieder der Kreis-AfD seien dabei gewesen. Alle demokratischen Parteien stünden auf der Seite der Kandeler Bürger, die diese Kundgebungen nicht wollten, betonte Brechtel.

Das neue AfD-Kreistagsmitglied Ralph Hünerfauth (gefolgt auf Thomas Lutz (parteilos)) trat in Siarskys Fußstapfen und sprach ebenfalls ausführlich. „Ändern wir nichts, wird nichts passieren“, sagte Hünerfauth und rief dazu auf, die Diskussion (Asylbewerber etc.) „sachlich und auch wirklich durchzuführen.“

Zur Rede Hünerfauths merkte Brechtel an, er arbeite mit rhetorischen Fragen, Halbwahrheiten und Unterstellungen. „Ich lasse Sie aber weiter reden.“ Da platze Reiner Hör aufs Neue der Kragen: „Der Antrag ist Thema. Ihre Ausführungen betreffen nicht den Kreistag“, rief er Hünerfauth zu.

Hünerfauth wollte wissen, was die „umA“ den Kreis kosteten. Alle Kosten für die minderjährigen Asylbewerber übernehme zu 100 Prozent das Land, entgegnete Brechtel.

Die Altersfeststellung der minderjährigen Asylbewerber soll bei denjenigen beginnen, die offiziell 17 Jahre alt sind, sagte der Landrat auf die Frage von Kai Dettmar (2. Stellvertretender Kreis-AfD-Vorsitzender aus Winden), der im Zuschauerbereich saß, wie einige andere AfD-Mitglieder auch. In dieser Altersgruppe sei die Gefahr eines möglichen Missbrauchs am größten. „Die Untersuchungen sind in der Vorbereitung – das geht nicht von einem Tag auf den anderen“, so Brechtel.

Reiner Hör trat nach vorne: „Alle verurteilen die Tat dieses Menschen – oder eher Unmenschen – auf das Schärfste“, sagte er. „Diese Person hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen.“ Im Kreistag hätten aber bundes- und landespolitische Diskussionen – „die wir eh nicht beeinflussen können“ – nichts verloren. „Aber lasst Kandel und die Familie endlich in Ruhe. Bitte! Sie haben es verdient.“

Zum Schluss sprach der AfD-Bundestagsabgeordnete Dr. Heiko Wildberg und warf Brechtel vor, die Geschäftsordnung zu ignorieren, indem er einem Redner „permanent“ ins Wort falle. Über die Länge ihres Beitrags und die Form ihrer Begründung würden die Redner selbst entscheiden. Wildberg kritisierte außerdem, dass das Mikrofon nicht funktioniert habe. Landrat Brechtel sagte, Wildberg betreibe „polemische Säbelfechtereien“.

Zuvor hatten Ursula Radwan (Grüne), Germerheim Bürgermeister Marcus Schaile (CDU), Siarsky, Hünerfauth und Hör ins nicht funktionierende Mikro gesprochen.

Vorige und schnell abgehandelte Themen waren das Einsparprojekt Fifty-Fifty in den kreiseigenen Schulen, die Rückübertragung eines Grundstück in der August-Keiler-Straße an Stadt Germersheim, die Jahresabschlüsse 2014 und 2015 und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer CO2 gesteuerte Lüftungsanlage an der IGS Kandel (dazu später mehr).

(cli)

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