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Pflegereform: Spahn will Eigenanteil für stationäre Pflege begrenzen

4. Oktober 2020 | Kategorie: Nachrichten, Politik

Foto: Pfalz-Express

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat ein sechs Milliarden Euro teures Konzept für eine Reform der Pflegeversicherung vorgelegt und will dabei den Eigenanteil für stationäre Pflege deckeln.

„Mein Vorschlag ist, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. Das wären maximal 25.200 Euro. „Zwar bleibt die Pflegeversicherung auch dann eine Teilkaskoversicherung. Aber der Eigenanteil wird berechenbar.“

Zur Begründung für den Pflege-Deckel führte Spahn die gestiegenen Kosten an. Seit 2017 sei der monatliche Eigenanteil für die stationäre Pflege um durchschnittlich 238 Euro gestiegen. Dies würde für immer mehr Familien zum Problem, so Spahn. „Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen aber Planungssicherheit. Das schaffen wir, indem wir den Eigenanteil begrenzen.“

Der Deckel beim Pflegeanteil schütze vor allem diejenigen, die sich mit geringe n und mittleren Gehältern ein wenig Wohlstand für ihre Familie aufgebaut hätten. „Der soll nicht durch immer weiter steigende Pflegekosten ganz aufgezehrt werden.“ Wichtig seien Verlässlichkeit und Planbarkeit, so der Minister. „Auf einen Maximalbetrag kann sich jeder vorbereiten und das absichern, etwa über eine private Pflegevorsorge. Die will ich zusätzlich ausbauen und so das Sparen fördern.“

Spahn will zudem alle Pflegeheime in Deutschland zwingen, ihre Angestellten besser zu entlohnen: „In der Pflege sollte mindestens nach Tarif bezahlt werden. Deshalb schlage ich folgende Regel vor: Um mit der Pflegeversicherung Leistungen abrechnen zu können, muss ein Pflegeheim oder ein Pflegedienst die Mitarbeiter in Zukunft nach Tarif bezahlen.“ Grundlage könne ein Haus- oder ein Branchentarifvertrag sein. „Er muss von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ausgehandelt sein. Für Hunderttausende Pflegekräfte wird das zu deutlich mehr Gehalt führen.“

Aufgrund des Fachkräftemangels säßen die Pflegekräfte bei den Tarifverhandlungen am längeren Hebel. 2018 hätten nur 40 Prozent der Pflegeheime ihre Angestellten nach Tarif bezahlt, bei den ambulanten Pflegediensten seien es nur 26 Prozent gewesen. „Auch Urlaubsansprüche und Sonderzahlungen fallen deutlich geringer aus als angemessen. Das muss sich ändern.“

Als dritten Baustein der Pflegereform will Spahn die Leistungen für pflegende Angehörige stärker bündeln: „Für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege möchte ich ein Jahresbudget in Höhe von 3.330 Euro einführen. Das soll jeder nach Bedarf einsetzen können.“ Dafür müsse es natürlich auch ausreichend Angebote geben. „Das werden wir fördern.“ Auch hier solle es mehr Verlässlichkeit geben, so der Minister. „Das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen sollen jedes Jahr automatisch steigen. Das heißt: Wer zu Hause pflegt, bekommt mehr Unterstützung.“

Eine Erhöhung um einen Inflationsfaktor biete sich an. Nach den Worten Spahns kostet die Pflegereform „rund sechs Milliarden Euro pro Jahr“. Ganz grob könne man sagen: „Die Deckelung der Eigenanteile macht rund drei Milliarden Euro aus, die bessere Bezahlung der Pflegekräfte rund zwei Milliarden, die Leistungen für die Pflege zu Hause etwa eine Milliarde.“

Finanzieren möchte Spahn seine Reform mit einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt: „Da wir als Regierung unser eigenes Versprechen ernst nehmen, die Lohnnebenkosten nicht über 40 Prozent steigen zu lassen, kommen Beitragserhöhungen nicht in Frage. Deshalb sollte das aus Steuermitteln finanziert werden.“ Eine Finanzierung über den Haushalt sei solidarisch. „Denn Menschen mit höherem Einkommen bezahlen ja mehr Steuern und tragen dann mehr zur Finanzierung der Pflege bei. Im Übrigen sollten wir bei Pflege nicht immer nur an die Kosten denken“, so der CDU-Politiker.

SPD hat Vorbehalte

Die SPD-Bundestagsfraktion will die von Spahn vorgeschlagene Deckelung der Pflege-Eigenanteile von Verdienst und Vermögen der Bedürftigen abhängig machen. Zwar sei die Begrenzung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen „sinnvoll und wird auch von der SPD unterstützt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Das kann aber nicht unabhängig von Einkommen oder Vermögen erfolgen. Wir können nicht mit einem Zuschuss aus den Mitteln aller Steuerzahler das Vermögen von den Reichsten und ihren potenziellen Erben schützen“, so der Haushaltsfachmann. „Deshalb wäre es nicht gerecht, wenn auch die Reichsten in diesem Land von der Deckelung bei den Eigenbeiträgen profitieren.“

Schneider verwies in dem Zusammenhang auf Forderungen von CDU und CSU, rasch zu einem Haushalt ohne Neuverschuldung zurückzukehren. „Das passt nicht zusammen, wenn sie nicht sagen, an welchen Stellen sie kürzen wollen“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer. „Die Spitzenverdiener und Top-Vermögen können einen größeren Beitrag für die Gemeinschaft tragen als Menschen mit normalen Einkommen. So sichern wir Gerechtigkeit und Zusammenhalt in unserem Land.“

(dts Nachrichtenagentur)

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