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Parzelle SW 17 hat ’s in sich: Außergewöhnliche Forschungserträge im römischen Rheinzabern

23. November 2014 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Dr. Hissnauer vor dem Grabungsplan von Parzelle SW 17.
Fotos: Beil

Rheinzabern – In einem höchst lebendigen Parforceritt durch das antike Tabernae, wie Rheinzabern vor rund 2000 Jahren hieß, demonstrierte Dr. David Hissnauer, dass Archäologie spannend wie ein Krimi sein kann. Erst recht, wenn es sich um ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal für Rheinzabern und die Pfalz handelt: Die Terra Sigillata.

Beschäftigte sich Hissnauers Magisterarbeit noch primär mit römischen Ziegeleien in Rheinzabern, so bedeutete diese Aufgabe zugleich den Einstig in die Forschungen über die Sigillata. Seine Dissertation, die er in Zusammenarbeit mit der GDKE, Archäologie Speyer, jüngst veröffentlichte, bringt viele neue Erkenntnisse.

Die Rheinzaberner Sigillata gilt als eine Art Leitfossil der provinzialrömischen Archäologie. Nirgendwo sonst im gesamten Römischen Reich findet man ähnlich differenzierte Werkstattstrukturen. Zwölf Sigillata-Öfen nebst Dutzenden von Gebrauchskeramiköfen bedeuten mehr als im Rest der gesamten römischen Welt.

Sieht für den Laien ein Grabungsplan eher wie ein Chaos von Zeichen, Linien und Kringeln aus, so bringt Dr. Hissnauer in das Chaos die Ordnung rein. Am Beispiel des Töpferhandwerksbetriebs auf Parzelle SW 17 zeigt er, warum die Wissenschaftler bisher vor Rheinzabern warnten.

Es ist die Scherbenflut, die zu bewältigen ist. Deswegen konzentrieren sich die Forscher auf die Spitze der Qualität und Produkte. Ohne Störungen durch vorherige Siedlungsentwicklung an anderen Fundorten findet er auf der Parzelle SW 17 sein Forschungsfeld.

Das Tonaufbereitungsbecken von 76 m² weist auf eine große Menge an Rohstoff hin. Der massierte Standort von 7 Töpferscheiben indiziert dauerhafte Produktion hin. Der Sigillata-Ofen – wenn auch vermutlich vom Raubgräber Kaufmann ausgeschlachtet – gilt als größte bisher bekannte Ofenkonstruktion.

Latrine und Brunnen geben Aufschluss über den Alltag und die Essensgewohnheiten. Die Pfostenstellungen verdeutlichen: Steinbau gab es nicht, stattdessen war Rheinzabern eine 300 Jahre bestehende Siedlung in Holz. Die Balken standen lediglich auf Pfostensteinen. Unerwartet groß ist die Manufaktur. Bei den Funden handelt es sich um noch nicht verkaufte oder beschädigte Ware, nur wenig Sigillata Geschirr war im Eigenverbrauch der Töpfer. Es war ganz einfach zu teuer.

Erstaunlich, dass – wie anderswo – noch kein Niedergang in der Qualität zu verzeichnen war, obwohl in der Mitte des 3. Jahrhunderts der sogenannte Limesfall eintrat, der eine wirtschaftliche Krise bewirkte.

Bedient sich der junge Archäologe auch der fundamentalen Vorarbeiten von Dragendorff und Ludowici, so gelingt es Dr. Hissnauer mit Hilfe des Computers, die Datenmengen zu erfassen und zu strukturieren sowie Datierungen und Zuweisung von Produkten zu Serien schon aus relativ kleinen Scherbenteilen vorzunehmen. Etwa 30 Formen waren in der Werkstatt in einem Zeitraum von 20 bis 30 Jahren hergestellt worden.

Die Produktion war vermutlich in Berufsvereinen organisiert. Allein um die die Kenntnisse, Fähigkeiten und Techniken weitergeben und die Qualitätsstandards halten zu können, waren Ausbildungsverhältnisse notwendig. Eine Schlüsselrolle kam vermutlich den Sigillata-Händlern zu, die den Export bis nach England oder in den Donauraum übernahmen und einen Markt generierten, zu dem auch Modetrends gehörten.

Jeder Fund bringt neue Fragen, so dass das Geheimnis um das Römerdorf Rheinzabern noch lange nicht gelöst ist. Doch dürfte es – dank Hissnauers wissenschaftlicher Methode – künftig leichter sein, in Rheinzabern zu forschen.

Einem temperamentvollen Vortrag folgte eine lebendige Diskussion, bei der Archäologe Dr. Rüdiger Schulz anhand eines heutigen Luftbildes die Verbreitung der römischen Siedlungstätigkeit beschrieb. (Gerhard Beil)

Dr. Hissnauer und Dr. Schulz von der Archäologie Speyer am heutigen Luftbild.

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