Mit Wortwitz Politik-Schwächen bloßgestellt: Wolfgang Bosbach bei Unternehmer-Treffen Mittelstand

11. März 2023 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Regional, Top-Artikel, Wirtschaft in der Region

Erfolgreicher Abend: CDU-Politiker Wolfgang Bosbach (li.) und Klaus Schick, BVMW-Beauftragter.
Fotos: Rolf H. Epple/Pfalz-Express – Fotostrecke am Textende

Germersheim – Viel zu lachen, aber auch etliches zum Nachdenken hatten die Teilnehmer des Unternehmertreffens der Mittelstandsvereinigung Nordbaden-Rhein-Neckar am Mittwochabend in Germersheim. Denn Ehrengast Wolfgang Bosbach, bekannt-beliebter CDU-Politiker und scharfzüngiger Kommentator derselben, gab einiges zum Grübeln mit auf den Weg. 

Rund 80 Mitglieder der Mittelstandsvereinigung hatten sich im Stadtgarten-Restaurant zum Business-Dinner getroffen. Eingeladen hatte Klaus Schick, Beauftragter des BVMW aus Weingarten. Schick stellte den Verband vor, der nicht nur regional, sondern sogar global vernetzt ist. 

Mittlestandslotse Hermsdorf erklärt seine Funktion

Ein weiterer Ehrengast war Prof. Dr. Jens Hermsdorf. Der Politikwissenschaftler und Betriebswissenschaftler ist Präsident der Hochschule Worms und seit Juni 2022 Mittelstandslotse des Landes Rheinland-Pfalz. Hermsdorf sieht sich als Vermittler und Moderator zwischen Wirtschaft und Politik und bezeichnet sich selbst „politiknahes Neutrum“. Ernannt worden sei er, weil das Land jemanden gebraucht habe, „der die Belange des Mittelstands versteht“, sagte Hermsdorf.

Erstaunlicherweise war der Begriff des Mittelstandslotsen etlichen anwesenden Unternehmern gar nicht bekannt. Umso beifälliger wurden Hermsdorf und sein Amt zur Kenntnis genommen.

„Bin von den Guten“

Wolfgang Bosbach, der Mann, auf den alle gewartet hatten, war unter anderem gekommen, um sein neues Buch vorzustellen. „Wer glaubt uns noch? Warum Politik an Vertrauen verliert und was wir dagegen tun können“ heißt das Werk des ehemaligen Bundestagsabgeordneten. Daraus vorlesen werde er aber nicht, kündigte Bosbach zu Beginn seiner Ansprache am Rednerpult an. Die hielt er zwischen Hauptgang und Nachspeise. „Ich weiß, ich stehe zwischen Ihnen und dem Dessert“, witzelte er und erntete den ersten Lacher.

Foto: Rolf H. Epple / Pfalz-Express

Eine Wahlkampfrede werde er auch nicht halten, betonte er. „Wie Sie alle wissen, komme ich von den Guten.“ Dass sein Auftritt am Weltfrauentag stattfand – geschenkt. Bei ihm Zuhause sei eh ganzjährig Frauentag mit Ehefrau, Schwiegermutter und drei Töchtern: „Glauben Sie mir, ich kenne meine Position.“

„Neue Politikergeneration scheut Kritik“ 

Dann wartete Bosbach mit Zahlen auf.  50 Prozent der Bevölkerung seien an Politik interessiert – und rund ein Drittel der Bevölkerung hätten das Vertrauen in die Politik und ihre Vertreter verloren. Woran das liegt? Es sei ein Bündel von Gründen, so Bosbach. Eine neue Generation von Politikern sei am Start, die Kritik scheue. Das sei zwar verständlich, denn bei der geringsten vermeintlichen Verfehlung gebe es sofort einen Shitstorm im Internet, aber eben nicht vertrauenerweckend.  

Ein weiterer Grund sei das desaströse Schönreden von Wahlergebnissen. Niemand wolle mehr einen Fehler zugeben. „Ich behaupte: Würde das endlich mal einer tun, würde die Bevölkerung es honorieren.“ Eine Wahl sei auch immer eine Frage der Sympathie und des Vertrauens. Man könne sich die Frage stellen: „Von welchem Politiker würden Sie einen Gebrauchtwagen kaufen?“ Die eigene Meinung vertreten, Position beziehen, aber auch andere Meinungen tolerieren, den Bürger wissen lassen, wofür man eigentlich steht: Größtenteils Fehlanzeige heutzutage, meint Bosbach.  

Gewaltig genervt sei die Bevölkerung zudem von Scheinproblemen und Debatten über das Gendern oder ideologischen Verwerfungen, wie zum Beispiel die Frage, ob man noch Indianer oder Toast Hawaii sagen dürfe. „Dazu kommt noch die ganze Kleberei und Schmiererei“, so Bosbach (Anm. d. Red: sogenannte „Klimakleber“). Die Reaktion des Publikums gab ihm recht.

Dabei gebe es nun wirklich dringliche Probleme in Deutschland, die bewältigt werden müssten. Pflege, Rente, Fachkräfte oder die Verschuldung des Bundes nannte Bosbach unter anderem. In vielen Bereichen hinke Deutschland hinterher, etwa bei der Digitalisierung und dem Netzausbau. „Im Oman haben Sie auch in der Wüste Netz.“

In den 70er und 80er Jahren sei Deutschland Marktführer in der Unterhaltungselektronik gewesen mit großen Marken wie Loewe, Blaupunkt oder Grundig. Wie die Situation heute aussieht, verdeutlichte Bosbach mit einer einzigen Frage an das Publikum: „Wer von Ihnen benutzt ein Smartphone aus deutscher Fabrikation?“ Nicht eine Hand hebt sich, verlegene Betroffenheit in den Gesichtern.  

Deutschland sei aber noch immer ein Land mit hoher Wirtschaftskraft: „Wir belegen mit einem Prozent der Weltbevölkerung Platz 4 auf dem Weltmarkt“. Damit das so bleibe, müsse angesichts der Rohstoffarmut in Deutschland die Bildung im Vordergrund stehen. „Die heutige Wirtschaft ist wissensbasiert, deshalb Bildung, Bildung und nochmals Bildung“, appellierte Bosbach.  

Bei Waffenlieferungen „hin- und her gerissen“

Dass Putins Krieg in der Ukraine die Wirtschaft weltweit beeinflusse, sei klar. Bosbach selbst ist persönlich hin- und hergerissen, was Waffenlieferungen angeht. „Verkürzen wir den Krieg oder verlängern wir das Leiden?“ Der Krieg werde zu Ende sein, wenn Putin aufhöre oder die Ukraine am Ende sei. Aber: „Solange Putin glaubt zu siegen, wird er nicht aufhören.“  

Bosbachs Rede, häufig gespickt mit schalkhaften Anmerkungen („wir haben als Kinder doch tatsächlich alleine draußen gespielt, ganz ohne Sozialbetreuung“), wurde mit viel Applaus bedacht. „Nach 51 Jahren in der Politik geht’s nicht ohne Humor“, so der CDU-Politiker. Fast alle Teilnehmer des Unternehmer-Treffens holten sich am Ende Bosbachs Buch, signiert vom Meister höchstselbst.  

Neue Mitglieder mit Erfolgsgeschichte

Zwei neue BVMW-Mitglieder, die sich und ihr Unternehmen vorstellten, stießen ebenfalls auf großes Interesse und vermutlich auch auf neue Kundschaft. 

App-Entwickler Holger Meyer aus Wörth (appsolute GmbH) erzählte vom erstaunlichen Aufstieg seiner Produkte in die Riege der ganz Großen. Immobilienberater Ali Hattab (ImmoZirkel GmbH) aus Germersheim erläuterte die Preis-, Zins- und Bestandsentwicklung auf dem Immobilienmarkt. 

Nach dem offiziellen Teil wurde noch fleißig „genetzwerkt“ und sicher die ein oder andere Geschäftsverbindung geschlossen. (cli) 

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