Freitag, 25. April 2025

Jockgrim macht Zentralkläranlage fit für die Zukunft – Vierte Reinigungsstufe soll Gewässer schützen

1. April 2025 | Kategorie: Kreis Germersheim, Wirtschaft in der Region

Dirk Kröger (li.), Leiter der Zentralkläranlage, und Karl Dieter Wünstel, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Jockgrim an der Zentralkläranlage VG-Jockgrim in Rheinzabern. Im Hintergrund wird die 4. Reinigungsstufe der Kläranlage entstehen.
Foto: VG Jockgrim

VG Jockgrim – Medikamente sind aus dem Alltag von Mensch und Tier nicht mehr wegzudenken, doch ihre Entsorgung und die damit verbundenen Umweltauswirkungen bereiten zunehmend Probleme. Vor allem die in Abwässern enthaltenen Arzneimittel stellen eine Gefahr für Gewässer dar.

Diese gelangen über das Abwasser zurück ins Grundwasser und können über landwirtschaftliche Produkte oder die Trinkwasserversorgung erneut in den menschlichen Organismus gelangen. Laut Umweltbundesamt werden in Deutschland mehr als 2.500 Arzneistoffe in der Humanmedizin verwendet, die so konzipiert sind, dass sie unverändert ihre Wirkung im Körper entfalten. Diese Stabilität macht sie jedoch schwer aus Abwässern zu entfernen.

Im Zuge dessen verschärfte die Europäische Union in ihrer „Kommunalabwasserrichtlinie“ (KARL), die im April 2024 im Europäischen Parlament verabschiedet wurde, die Grenzwerte für Schadstoffe im Abwasser. Zukünftig wird eine flächendeckende Aufrüstung aller Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe gefordert – mit Ausnahme von Anlagen in kleineren Kommunen mit weniger als 150.000 Einwohnern.

Trotz ihrer Größe von nur rund 20.000 Einwohnern möchte die Verbandsgemeinde Jockgrim ein Vorreiter in Sachen Umweltschutz sein und plant, die Zentralkläranlage bis Ende 2026 mit einer vierten Reinigungsstufe auszustatten.

„Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie ist ein entscheidender Schritt für den Gewässerschutz. Wir haben uns frühzeitig für die Einführung einer vierten Reinigungsstufe eingesetzt und sind seit 2022 ein Pilotprojekt für kleinere Abwassereinrichtungen“, erklärt Dirk Kröger, Leiter der Zentralkläranlage. Durch diese frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema konnte sich die Verbandsgemeinde Fördermittel sichern, die nur für Pioniere zur Verfügung stehen. Die Zusammenarbeit mit der Struktur- und Genehmigungs-Direktion Süd (SGD Süd) und dem Umweltministerium Rheinland-Pfalz ist dabei eng.

Ein weiterer Beweggrund für die frühe Entscheidung war die Einstufung des Otterbachs als „besonders schützenswertes Gewässer“ durch die SGD Süd im Jahr 2022. Ziel ist es, die Belastung dieses Gewässers, insbesondere durch Phosphor und Arzneimittel, zu minimieren. Phosphor trägt erheblich zum schädlichen Algenwachstum in Gewässern bei, und Arzneimittelrückstände wie Diclofenac stellen eine zusätzliche Belastung dar. Der sogenannte „Diclofenac-Referenzwert“ legt fest, dass dieser Arzneistoff in Oberflächengewässern nicht über 0,05 Mikrogramm pro Liter liegen darf.

Seit 2004 wird das Abwasser der Verbandsgemeinde in der Zentralkläranlage gereinigt und über den Otterbach in den Rhein abgeführt. Derzeit erfolgt die Reinigung in drei Stufen: mechanisch, biologisch und chemisch. Durch regelmäßige Abwasseruntersuchungen an verschiedenen Messstellen wird die Wasserqualität des Otterbachs überwacht. Basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen sowie der EU-Richtlinie entschied sich die Verbandsgemeinde, die Reinigungsstufen aufzustocken.

„Die erhöhten Werte für Mikroschadstoffe, insbesondere Diclofenac, dürfen nicht einfach hingenommen werden. Eine vierte Reinigungsstufe ist notwendig, um diese Werte in den Normbereich zu verschieben“, sagt Bürgermeister Karl Dieter Wünstel. Als Ingenieur für Wasserwirtschaft betont er, wie wichtig es sei, jetzt zu handeln. Kröger und sein Team haben durch ihre Expertise den Weg für das Pilotprojekt geebnet.

Im Jahr 2024 wurde eine Machbarkeitsstudie zu möglichen Filtertechnologien präsentiert. Die Entscheidung fiel einstimmig auf die Filtration mittels Aktivkohlepulver (PAK). Diese Methode hat den Vorteil, dass sie sowohl Phosphor als auch Arzneimittelschadstoffe effektiv aus dem Wasser entfernt. „Die hohe Porosität des Aktivkohlepulvers ermöglicht es, Schadstoffe dauerhaft zu absorbieren“, erklärt Kröger. Nach der Filtration wird das Aktivkohlepulver zusammen mit dem Klärschlamm verbrannt. Die Baukosten für die vierte Reinigungsstufe werden auf etwa 3,7 Millionen Euro geschätzt, der Baubeginn ist für Mitte 2026 geplant.

Neben den technischen Maßnahmen ist auch das Verhalten der Verbraucher entscheidend, um die Belastung der Gewässer zu reduzieren. Das Umweltamt empfiehlt, Arzneimittel umweltbewusst zu entsorgen und auf die richtige Anwendung zu achten. Eine einfache Maßnahme wie das Abwischen von Händen nach der Anwendung von Gelen und Cremes kann laut Umweltamt dazu beitragen, mehr als 60 Prozent des Diclofenacs aus dem Abwasser fernzuhalten.

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