EZB bleibt bei Nullzinspolitik – wie lange noch?

19. Februar 2017 | Kategorie: Finanzen, Wirtschaft
Die EZB beeinflusst die Zinsen durch ihre Geldpolitik in erheblichem Maße. Foto: dts Nachrichtenagentur

Die EZB beeinflusst die Zinsen durch ihre Geldpolitik in erheblichem Maße.
Foto: dts Nachrichtenagentur

„Es ist sehr erhebliches Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung möglich“ – mit diesen Worten hat EZB-Chef Mario Draghi am 19. Januar 2017 verkündet, dass die Leitzinsen auch weiterhin auf dem historischen Tiefstand von 0,0% verbleiben.

Die Zeiten der Niedrigzinspolitik sind somit also trotz steigender Inflation in Deutschland noch nicht vorbei. Doch was bedeutet dies für Bankkunden, Anleger sowie Kreditnehmer und wie lange lässt sich noch mit so niedrigen Zinsen kalkulieren?

Die Zinsen für Kredite auf der einen und die für Zinseinlagen auf der anderen Seite hängen bekanntlich in nicht unerheblichem Maße von der Höhe der Leitzinsen ab. Aufgrund des niedrigen Leitzinsniveaus sind deshalb Kredite aktuell besonders günstig und Zinseinlagen wie Tagesgeld oder Festgeld lohnen sich kaum noch. Doch wo liegen die genauen Zusammenhänge und wie sollten sich Bankkunden in der aktuellen Marktsituation verhalten, um ihre finanzielle Situation zu optimieren?

Leitzinsen und ihre genaue Bedeutung

Die Leitzinsen für den Euroraum werden von der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegt. Doch was sagen diese eigentlich genau aus? Um dies zu verdeutlichen, müssen zunächst die drei wichtigen Zinssätze voneinander unterschieden werden:

1. Hauptrefinanzierungssatz

Der Hauptrefinanzierungssatz legt fest, zu welchen Konditionen sich die Geschäftsbanken von der Europäischen Zentralbank neues Geld leihen können. Die EZB schafft durch diese Liquiditätsbereitstellung neues Geld und ermöglicht den Banken, frisches Kapital für Bankgeschäfte wie Finanzierungen zu erhalten.

Dafür müssen Sie im Normalfall einen bestimmten Zinssatz bezahlen und können Bankkunden im Gegenzug einen höheren Zinssatz für Kredite berechnen. Aktuell (seit 10.03.2016) liegt der Hauptrefinanzierungssatz bei 0,0%, so dass Banken sich quasi zum Nulltarif von der EZB Geld beschaffen können.

2. Einlagefazilität

Während Privatpersonen ihre nicht genutzten Einkünfte zunächst auf einem Girokonto bei einer Bank lagern, erfolgt dies bei den Banken in Form von Zentralbankguthaben bei der EZB. Die Einlagefazilität stellt dabei den Zinssatz dar, den die Geschäftsbanken für ihre Guthaben bei der EZB erhalten. Dieser liegt zurzeit im negativen Bereich bei -0,4%, so dass die Banken Strafzinsen für Einlagen zahlen müssen. Alternativ können Sie kurzfristige Überschüsse im Interbankenhandel an andere Banken verleihen oder ihre Bestände als Bargeld lagern, was jedoch deutlich teurer wäre.

3. Spitzenrefinanzierungssatz

Die Spitzenrefinanzierung steht den Geschäftsbanken offen, wenn sie kurzfristig Liquidität benötigen, um kleinere Negativsalden über Nacht auszugleichen. Diese Form der Refinanzierung steht in Konkurrenz zum Interbankenhandel.

Wenn in den Medien ganz allgemein vom Leitzinssatz gesprochen wird, geht man fast immer vom Hauptrefinanzierungssatz aus.

Quelle: pfalz-express.de, EZB

Quelle: pfalz-express.de, EZB

Was bedeuten niedrige Leitzinsen für die Verbraucher?

Fast schon automatisch stellt sich die Frage, was niedrige Leitzinsen für die Bankkunden und Verbraucher bedeuten. In diesem Zusammenhang ist zwischen verschiedenen Fällen zu unterscheiden:

1. Bankkunden

Bankkunden mit einem Girokonto bekommen vor allem die negative Einlagefazilität zu spüren. Dies lässt sich aus dem folgenden Zusammenhang schließen:

Tabelle1 - zs

Die finanzielle Bereinigung durch die Bank hat handfeste Folgen für Kontoinhaber:

–  Höhere Kontoführungsgebühren: Durch höhere Gebühren beteiligt die Bank ihre Kunden an den Kosten der Strafzinsen.

–  Abschaffung kostenfreier Kontomodelle: Da zusätzliche Einlagen für die Banken aktuell nur bedingt attraktiv sind, versuchen sie, durch die Abschaffung kostenfreier Kontomodelle den Zustrom an Kontokunden zu verringern.

2.  Anleger

Laut einer GfK-Studie im Auftrag der Bank of Scotland waren das Tagesgeldkonto sowie das Sparbuch auch im Jahr 2015 die meist genutzten Geldanlagen in Deutschland. Doch die Zinsen für diese Formen der Geldanlage liegen bereits seit 2-3 Jahren auf einem äußerst niedrigen Niveau. Auch dies ist auf die niedrigen Leitzinsen zurückzuführen. Hier wirken sich sogar zwei der Leitzinssätze aus:

–  Einlagefazilität: Parallel zu den Guthaben auf Girokonten gelten Spareinlagen für die Banken ebenfalls als Zentralbankguthaben, sofern sie diese nicht anderweitig in Bankgeschäfte investieren konnten. Infolgedessen müssen die Banken auch auf solche Einlagen Strafzinsen zahlen.

–  Hauptrefinanzierungssatz: Im Normalfall beschaffen sich die Banken über die Kundeneinlagen Kapital für ihre Investitionen. Da der Hauptrefinanzierungssatz aktuell aber 0,0% beträgt, benötigen Banken die Refinanzierungsquelle Kundeneinlagen so gut wie gar nicht.

Die Folge dieser beiden Situationen besteht darin, dass Anleger auf einem Tagesgeldkonto oder einem Sparbuch so gut wie keine Zinsen mehr erwarten können. Bei größeren Zinseinlagen ist in naher Zukunft sogar eher mit Negativzinsen zu rechnen.

Statistik zur genutzten Geldanlage.png

 

3. Kreditnehmer

Die Leitzinsen stellen grob gesagt das Kostenmaß für die Kreditvergabe der Banken dar. Diese müssen für das Kapital entweder bei der EZB oder bei Anlegern Zinsen zahlen und können es in Form von Krediten zu höheren Zinsen wieder verleihen. Liegen die Leitzinsen also niedrig, haben die Banken einen größeren Spielraum bei der Marge:

Tabelle 2 - zs

Die niedrigen Leitzinsen führen also über einen längeren Zeitraum betrachtet zu niedrigen Kreditzinsen. Wer sich für einen Ratenkredit interessiert, sollte jedoch trotzdem nicht sofort das erstbeste Angebot wählen. Die Konditionen unterscheiden sich von Bank zu Bank. Die Vor- und Nachteile von 23 Banken lassen sich problemlos online finden, so dass potenzielle Kunden sich ein Bild machen können.

Wie sollten Bankkunden generell reagieren?

Je nach persönlicher Situation sollten Bankkunden verschiedene Maßnahmen ergreifen:

Tabelle 3- zs

Es gibt also auch in einem schwierigeren Umfeld durchaus Möglichkeiten, die individuellen finanziellen Folgen etwas abzumildern. Kreditnehmer sollten für sich ausrechnen, ob das sinkende Zinsniveau nicht gerade bei größeren Darlehen mit längerer Laufzeit eine Umschuldung attraktiv macht. Hier muss jedoch die Zinsersparnis mit den Kosten der Vorfälligkeitsentschädigung verglichen werden. Glücklicherweise ist dies ziemlich einfach, wie das folgende Beispiel zeigt:

Ein Kreditnehmer zahlt für seinen insgesamt 8 Jahre laufenden Kredit über 25.000 Euro bereits seit 5 Jahren einen effektiven Jahreszinssatz von 6,99%. Nach 5 Jahren verbleibt dabei eine Restschuld 10.984,96 Euro.

Dabei stellt sich die Frage, ob eine Umschuldung auf einen Kredit für 3,99% lohnend ist. Hierfür muss zunächst die potenzielle Zinsersparnis berechnet werden:

Tabelle 4- zs

Im nächsten Schritt wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet, die nach §502 BGB maximal 1% der vorzeitig zurückgezahlten Summe beträgt. In diesem Fall also 109,84 Euro. Durch eine Umschuldung ließe sich im obigen Beispiel also ein Betrag von 398,95 Euro einsparen.

Wie lange werden die Leitzinsen noch auf dem niedrigen Niveau verbleiben?

Während sich in den USA bereits die Hinweise darauf mehren, dass die Leitzinsen dort weiter angehoben werden, hält sich die EZB erstaunlich bedeckt. Mario Draghi hat zuletzt sogar die die Begrifflichkeit der Inflation aufgeweicht und die Zielmarke eher als Korridor denn als Zielpunkt von 2% angesetzt. Darüber hinaus wurden vier Kriterien festgelegt, die die Währungshüter künftig als rote Linie im Kampf gegen die Inflation ansetzt:

–  Angleichung der Inflationstrends innerhalb der Eurozone

–  Nachhaltige Teuerung

–  Selbsttragende Inflation (nicht aufgrund der Geldpolitik der EZB)

–  Übergreifende Inflation in der gesamten Eurozone

Dies eröffnet ihm die Möglichkeit, auch weiterhin niedrige Leitzinsen zu rechtfertigen, obwohl das Preisniveau in einigen Ländern ansteigt. So können europäische Volkswirtschaften mit Wachstumsproblemen auch weiterhin von niedrigen Leitzinsen profitieren. Demnach ist zumindest für das Jahr 2017 nicht damit zu rechnen, dass die Leitzinsen große Sprünge machen. Eventuell wird es 1-2 Mini-Erhöhungen geben, jedoch verändern diese die Situation von Verbrauchern nur marginal.

Fazit

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit ihrer Leitzinspolitik in den letzten Jahren die Finanzmärkte stark verändert. Während Zinseinlagen immer niedrigere Renditen abwerfen und die Kontoführungsgebühren steigen, werden Kredite bereits seit Jahren immer günstiger.

Die niedrigen Leitzinsen sind dabei vor allem der ungleichen wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet. Einige Euro-Staaten wie Italien oder Spanien hinken nämlich bei der wirtschaftlichen Erholung hinterher, so dass eine Leitzinserhöhung die Probleme weiter verstärken würde. Während dies für Anleger bedeutet, sich nach Alternativen umzuschauen, können sich Kreditnehmer unter dem Strich über günstige Konditionen freuen.

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