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Der Schrecken hat einen Namen: Hoheneck – als Gefangene in einem DDR-Gefängnis

17. Januar 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Helga Kuhnert bei ihrer Rede.
Fotos: Beil

Wörth –  Man hätte eine Stecknadel auf dem Teppichboden des Rathauses fallen hören, als die Wörtherin Helga Kuhnert aus ihrer Biographie als Gefangene in der DDR berichtete.

Wie die weiteren Zeitzeugen Bärbel Große, Elke Schlegel und Manuela Polaszczyk erlebte sie schier Undenkbares an einem Horrorort, wo nach der Wende sogar eine Spaßburg hätte entstehen sollen: Das Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg/Sachsen.

Fast genau auf den 25. Jahrestag der Erstürmung der Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße wurde im Rathaus Wörth eine Wanderausstellung eröffnet, die von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt wird. Jedes der 25 Plakate enthält das Porträt einer ehemaligen Gefangenen aus Hoheneck.

Besonders akzentuiert wird der Aufenthalt in Hoheneck mit einem markanten Zitat. Da heißt es zum Beispiel:  Ich weigerte mich, Mohrrüben mit Maden zu essen. Oder: Meine Tochter kam als Baby ins Heim. Sie glaubt bis heute nicht, dass ich unschuldig in Hoheneck war.

Klaus Ritter, 1. Beigeordneter der Stadt Wörth, begrüßte eine unerwartet große Besucherzahl und betonte aufgrund der vorgelegten Dokumente, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Ritter wünschte sich möglichst viele Besucher, vor allem aus den nahe gelegenen Schulen. 1. Kreisbeigeordneter Dietmar Seefeldt betonte in seinem Grußwort, wie sehr ihm die Fakten unter die Haut gingen und dass alle bestrebt sein müssten, das Thema wach zu halten.

Sind die Biographien der Opfer auch noch so unterschiedlich und odysseeartig, so stehen an ihren Lebenswegen zuvorderst der Drang nach Freiheit für Rede, Meinung und Religion, die man nur in der Bundesrepublik finden konnte. Stichworte sind: Stasi, Hohenschönhausen, Bautzen, Cottbus, Halle, Hoheneck. Spitzel, brutales Wachpersonal, entwürdigende Behandlung, psychologische Folter, mit Schwerstkriminellen zusammen, Knastalphabet, ekelhaftes Essen, 4 Mark/Monat Verdienst für die Arbeit in der Anstaltsnäherei, Verbot zu singen und zu lachen, Alpträume. Eine Frau wurde von ihrem eigenen Vater ausspioniert, was sie erst nach dessen Tod aus ihrer Stasiakte erfuhr.

Für alle vier Opfer stand als letzte Rettung der Freikauf durch die BRD und der Neuanfang im Übergangslager Gießen, nicht ohne vorher bei der Ausreise vom DDR-Anwalt Vogel am Grenzübergang Herleshausen/Wartha nochmals alles Gute gewünscht zu bekommen und zur Verschwiegenheit ermahnt zu werden, um die zurückgebliebenen Freunde und Angehörige nicht zu gefährden.

Es muss ein unbeschreibliches Gefühl gewesen sein, wieder frei zu sein. Und es bleibt die Mahnung, dass Freiheit ein unschätzbares Gut ist, das es zu verteidigen gibt. Gerade in Tagen des Terrors eine zeitlose Botschaft.

Hans Werner Schottmüller setzte mit zwei wunderbaren Liedern einen gelungenen Akzent: Die Gedanken sind frei, ein Lied aus dem 19. Jahrhundert, ist auch heute noch brandaktuell. Und mit dem Chanson Ma Toute Belle gelang ihm eine wunderbar sensible Überleitung zu einer intensiven Gesprächsrunde.

Eine gelungene Veranstaltung, und es ist zu wünschen, dass möglichst viele Besucher, insbesondere auch Schulklassen, die Ausstellung besuchen.

Ausstellungsdauer: 19.1. – 20.2.2015

Öffnungszeiten:
Mo-Fr.:                8.30-12.00 Uhr
Mo-Mi.:               14.30-16.00 Uhr
Do.:                       14.30-18.00 Uhr

Fünf Frauen aus Hoheneck, darunter Manuela Polaszczyk (2.v.r.) aus Rülzheim.

 

Frauengesichter.

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