Er ist annähernd täglich Thema in vielen Nachrichten: der Stickoxid-Ausstoß – besonders in städtischen Ballungszentren. Verursacher ist der Straßenverkehr.
Es sind vornehmlich Diesel-PKW – auch die modernen, die gültige Abgasnorm Euro 6 erfüllenden – die dafür die Verantwortung tragen. Einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zufolge stoßen sie im realen Straßenverkehr 507 Mikrogramm Stickoxide (NOx) pro Kilometer aus, der Grenzwert unter Laborbedingungen liegt bei 80 Mikrogramm.
Gingen die Forscher bislang davon aus, dass der durchschnittliche NOx-Ausstoß 2016 im Durchschnitt bei 575 Mikrogramm pro Auto und Kilometer lag, weiß das UBA inzwischen: Es sind in Wahrheit 767 Mikrogramm.
Schadstoff-Konzentration in Ballungszentren
Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Stickoxid-Belastung festgesetzte Obergrenze liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) wird sie in vielen Städten überschritten: In der Hamburger Max-Brauer-Allee liegt sie bei 60 Mikrogramm, in Kiel (Theodor-Heuss-Ring) bei 65. In NRW heißen die Spitzenreiter Düren (64), Köln (63), Düsseldorf (60).
Aber auch Paderborn, Oberzentrum einer ländlichen, ostwestfälischen Region, kommt auf unerwartete 60 Mikrogramm pro Kubikmeter. In München (Landshuter Allee) sind es 80 Mikrogramm, in Stuttgart (Am Neckartor) 83, in Reutlingen (Lederstraße) 65 Mikrogramm
Gesundheitliche Folgen der Grenzwert-Überschreitung
Die Folgen für Menschen, die regelmäßig einer über den WHO-Grenzwert hinausgehenden Stickoxid-Belastung unterliegen, sind bekannt: Vor allem alte Menschen, Jugendliche und Kinder reagieren darauf mit Schleimhautreizungen, ihre asthmatischen Anfälle werden heftiger. Auch Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Augenreizungen sind eine Folge von zu hoher Stickoxid-Belastung.
Wer dauerhaft zu viel NOx einatmet, erhöht die Gefahr, an Diabetes zu erkranken, weist eine Studie der Helmholtz-Gesellschaft nach. 10.400 Tote, so das Institut, habe es 2012 durch NOx-Belastungen in Deutschland gegeben. Aktuellere Zahlen standen Anfang 2017 nicht zur Verfügung. Die Helmholtz-Forscher stellen allerdings auch fest, dass die Luft heute sauberer sei als vor 30 Jahren. Auch Pflanzen leiden unter dem Stickoxid-Ausstoß: Für die Blätter stellen sie ein Gift dar und überdüngen darüber hinaus den Boden.
Viel Verbesserungspotenzial – langsame Umsetzung
Das NOx-Problem steht auf der Tagesordnung der Politik: Die Fortschritte gestalten sich allerdings trotz klarer Faktenlage und machbarer Veränderungen sehr zäh. Einer der Gründe könnte der große Einfluss der Auto-Lobby auf die politische Arbeit sein – die notwendigen Diskussionen immerhin finden statt.
Die EU zum Beispiel kritisierte schon 2015, dass der deutsche Gesetzgeber an der ermäßigten Mineralölsteuer für Diesel trotz der bekannten Schadstoff-Belastung festhalte. Sie schlug zudem Fahrverbote für diesen Autotyp in bestimmten Stadtbezirken vor. Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), NRW, spricht von „radikalen Schutzmaßnahmen“ und fordert ebenfalls Verkehrssperrungen für Diesel-Fahrzeuge.
Das NRW-Umweltministerium denkt über verkehrslenkende Maßnahmen nach, um LKW- und PKW-Verkehr umweltschonender zu verteilen. Die Landesregierung in Düsseldorf setzt auch auf Förderanreize für schadstofffreie Elektroautos. Doch das sind alles Maßnahmen, deren Wirkungen sich erst in der Zukunft zeigen.
Was sofort hilft, ist eine bessere Vernetzung aller Mobilitätssysteme: Schnittstellen beim Übergang vom Auto auf den Öffentlichen Nahverkehr oder auf das Fahrrad zum Beispiel. Generell muss der Ausbau aller Alternativen zum Auto (Busse und Bahnen) Vorrang besitzen.
Die Erfahrungen der Umweltorganisation Green City Energy zeigt, dass es praktikable und realitätsnahe Vorschläge zur Senkung des Stickoxid-Ausstoßes gibt. Green City Energy veranstaltet dazu Informationsveranstaltungen und Aktionen, um mehr Aufmerksamkeit für den Umweltschutz zu gewinnen.
Komplizierte Gemengelage vieler Faktoren
Wie kompliziert die Problemlage im Kampf gegen den Stickoxid-Ausstoß zwischen Bürgern, Regierungen und Justiz sich darstellt, zeigt das Beispiel Max-Brauer-Allee in Hamburg. Der Anlieger Matthias Pätzold klagte gemeinsam mit dem Umweltschutzverband BUND vor dem Verwaltungsgericht dafür, den Luftreinhalteplan der Hansestadt zu überprüfen.
Die Kläger bekamen Recht: Der Plan muss nachgebessert werden. Pätzold verweist auf Tempo-30-Bereiche und Umweltzonen in anderen Städten: Sie hätten den NOx-Ausstoß nachweislich reduziert, zum Beispiel in Berlin, Stuttgart und Hannover. Eine City-Maut, wie Umweltverbände sie ebenfalls fordern, führt zu weniger Verkehr in den Bereichen mit zu hohem Stickoxid-Ausstoß.
Aber es muss unverzichtbar Ausnahmen für die Geschäftebetreiber in diesen Bezirken geben: Schließlich sollen keine Existenzen vernichtet werden. Der Bundesgesetzgeber muss zudem eine solche City-Maut ermöglichen – das hat er bislang aber noch nicht getan.
Diesen Artikel drucken