Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Pleisweiler: „Jeder muss dieselben Chancen bekommen“

5. Juli 2015 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Ludwigshafen, Regional, Rhein-Pfalz-Kreis

Trotz Hitze entspannt und überzeugend: Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Fotos: pfalz-express.de/Licht
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Pleisweiler – Temperaturen um die 40 Grad schreckten am Samstag weder Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) noch die etwa 150 Zuhörer, die in die Nonnensuselhalle zum 25. Pleisweiler Gespräch gekommen waren

Referiert und diskutiert wurde über das Thema Chancengleichheit oder Leistungsgerechtigkeit? Durchlässige und qualitative Bildungswege in Rheinland-Pfalz“.

Hinter der etwas sperrig anmutenden Prämisse war durchaus Zündstoff und Redebedarf, wie sich im Verlauf des Nachmittags zeigte.

Die Grundaussage Dreyers war schnell klar und zog sich durch ihren gesamten Vortrag: „Bildung ist der Schlüssel zu einer sozial gerechteren Gesellschaft.“

Das „Bildungshaus“ sei mitunter kompliziert, sagte Dreyer, aber jeder solle darin seinen Platz finden.

„Unabhängig vom Geldbeutel der Eltern“

Gerecht soll es zugehen in der Bildungslandschaft, gleiche Chancen für alle geben, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

Es sei Aufgabe des Staates, diese Chancengleichheit herzustellen, betonte Dreyer immer wieder. Dabei sei die Bildungspolitik auch immer ein Gradmesser für die Gerechtigkeit einer Gesellschaft: „Es kann und darf keine Ungleichheit geben.“

Die konkrete Umsetzung sei nicht immer einfach, da man sowohl die Qualität der (Aus)Bildung bedenken, aber auch die Schwächeren fördern müsse. Letzteres sei neben dem menschlichen Aspekt auch immer ein wirtschaftliches Problem: „Ohne Abschluss wird man immer vom Staat abhängig sein.“ Deshalb sei eine bedarfsgerechte Schullandschaft wichtig: „Jeder muss seinen Fähigkeiten entsprechend lernen können.“

Die drängendste Aufgabe sei derzeit immer noch, jedem Menschen auf den Weg zu einem Abschluss zu bringen – wenn nötig auch mit einer zweiten oder dritten Chance: „Das muss unser Ziel sein.“

Dreyer verwies auf das Programm der Landesregierung „Keiner ohne Abschluss“. Man sei noch nicht ganz zufrieden, aber immerhin habe man damit die Zahl der Schüler ohne einen Schulabschluss um ein Drittel senken können.“

Dabei spiele die soziale Herkunft noch immer eine große Rolle: „ Das kann uns nicht froh machen.“ Deswegen müsse Bildung von der Kita bis zur Hochschule gebührenfrei bleiben.

Wahlfreiheit bei Inklusion

Auch Kinder mit Behinderungen müssten inkludiert und intensiv geschult werden. Dabei sollen Eltern die Wahl bekommen, ob sie ihr Kind in eine Regelschule oder einer Förderschule geben wollen. Deshalb sei in Rheinland-Pfalz Inklusion ein Pflichtmodul in der Lehrerausbildung: „Keiner kann sagen, wir sind nicht vorbereitet.“ Diese Regelung gilt bereits ab dem Schuljahr 2014/2015.

In 20 Jahren gut herausgemacht

Aber auch Leistungsträger sollen gefördert werden mit Kursen für Hochbegabte an jeder größeren Schule: „Da muss das Netzwerk weiter ausgebaut werden.“

Vor 20 Jahren habe Rheinland-Pfalz als Bildungsstandort keine Rolle gespielt – nun habe man es geschafft, dass man eine Vorreiterrolle in der Bildungspolitik spiele: „Jede zweite Schule im Land ist eine Ganztagsschule. In den so genannten MINT-Fächern liegt das Land im Vergleich der Flächenländer auf dem zweiten Platz. Auch in der rheinland-pfälzischen Wissenschaftslandschaft werden international anerkannte Spitzenleistungen erbracht.“

Die viel zitierten Abiturientenschwemme sei in Wahrheit gar nicht so umfangreich, sagte Dreyer: „Wir brauchen Master UND Meister. Gerne auch Meister mit Master.“ Deshalb müsse sowohl die Schul- als auch die Hochschullandschaft durchlässig und für Quereinsteiger möglich sein.

Eine halbe Milliarde habe man in den letzten Jahren in die Verbesserung der Hochschulen gesteckt.

 „Wie macht Ihr das in Rheinland-Pfalz?“

In der Fragestunde meldeten sich zahlreiche Teilnehmer zu Wort. Dreyer, gut organisiert, beantwortete jede Frage oder versprach sich um das jeweilige Problem zu kümmern.

So ging es um Inklusion: Zu wenig Geld (Dreyer: „Daran wird nicht gespart“), um Hinzuziehung „Reicher“ zu Kita-und Schulgebühren (Dreyer: „ Falsche Argumentation, dafür gibt es Steuersysteme“) oder auch um Schulpflicht für Flüchtlingskinder. Diese würden von ihren Eltern oft sogar versteckt, damit sie nicht zur Schule gingen, berichtete eine aus Albanien stammende Frau und auch ein Lehrer aus Bad Bergzabern. Dreyer sagte zu, dieses Problem nochmals genau unter die Lupe zu nehmen.

Viel Sympathie und Beifall erntete eine Teilnehmerin aus Böblingen in Baden-Württemberg. Diese wollte von Malu Dreyer wissen, wie man es in Rheinland-Pfalz geschafft habe, kostenlose Kitas und Hochschulen einzuführen. Ob man nicht ein paar Tipps für die Landesregierung in B-W habe? Da wären doch auch Sozialdemokraten an der Regierung beteiligt.

Das sei eben ein landespolitischer Schwerpunkt, antwortete die Ministerpräsidentin, auch wenn Rheinland-Pfalz ein eher finanzschwaches Land sei. Die Gebührenfreiheit der gesamten Bildungskette sei aber nicht verhandelbar. Auch mit der kostenlosen Schülerbeförderung und dem Grundsatz der Lernmittelfreiheit unterstütze die Landesregierung Familien. Sie, Dreyer, freue sich sehr über die Anmerkung, seien doch manchmal diese Leistungen in der Wahrnehmung allzu selbstverständlich.

Einem extra aus dem 500 Kilometer entfernten Hannover angereisten Erziehungsberater für Jugendämter wurde zugesagt, sein Konzept vorstellen zu dürfen.

 BBS Ludwigshafen: Widerstand gegen zu volle Klassen

Wiederholten Applaus für Malu Dreyer gab es, als sie spontan nach Abschluss der Veranstaltung trotz Zeitmangels ein Gespräch mit Schülern der Berufsbildenden Schule für Hauswirtschaft/Sozialpädagogik führte, die ebenfalls in der Hoffnung gekommen waren, ihr Anliegen vortragen zu können.

Dort sollen drei Klassen auf zwei Klassen reduziert werden, in denen dann jeweils 33 Schüler unterrichtet würden. Zu viele, finden Schüler, Eltern und auch Lehrer. Letztere hatten angeboten, sich den Unterricht in Selbstorganisation zu teilen. Das sei von der Schulleitung jedoch abgelehnt worden.

Dreyer versicherte, sie werde sich der Sache annehmen und bei der Aufsicht- und Dienstdirektion Rückmeldung geben, welch großes Interesse und Engagement bestehe, einen qualitativ hochwertigen Unterricht in kleineren Klassen an der Schule beizubehalten. Am Dienstag soll dort ein Gespräch mit dem ADD und der Schulleitung stattfinden. (cli)

Information

Die jährlich stattfindenden Pleisweiler Gespräche, initiiert von Autor und Ersteller der „Nachdenkseiten“, Albrecht Müller und seiner Frau Anke Bering-Müller aus Pleisweiler-Oberhofen, sollen Menschen ein Forum bieten, mit ihrem Beitrag zu einer öffentlichen, demokratischen Debatte beizutragen.

 

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2 Kommentare auf "Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Pleisweiler: „Jeder muss dieselben Chancen bekommen“"

  1. Ina Weber sagt:

    Sehr geehrte Frau Licht,
    sehr geehrte Redaktion,
    ganz herzlichen Dank, dass Sie das Thema der Schüler aus Ludwigshafen angenommen haben. Die Schüler wollen lernen! Sie interessieren sich für die Erzieher-Ausbildung, suchen Lehrer, der Unterricht stattfindet, damit sie im späteren Beruf adäquat arbeiten können. Wir würden uns sehr freuen, wenn es zu einer positiven Resonance kommt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ina Weber

  2. Marek Ruppin sagt:

    Ich unterstütze das Anliegen!
    Für eine gute Ausbildung von Erziehern!