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Eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucher ist vorerst vom Tisch. Im Koalitionsausschuss der Großen Koalition aus SPD und CDU gab es am Mittwochabend keine Einigung zugunsten der Privathaushalte.
Stattdessen bleibt es bei den bereits vergangene Woche im Kabinett gefassten Beschlüssen, nach denen die Stromsteuer ausschließlich für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft sinken soll – entgegen dem ursprünglichen Versprechen im Koalitionsvertrag, das ausdrücklich eine Entlastung aller Verbraucher vorsah.
Weitere Schritte, von denen auch Familien, Rentner und kleinere Betriebe profitieren könnten, sollen laut Koalitionsbeschluss erst folgen, „sobald hierfür finanzielle Spielräume bestehen“. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) verwies im Ausschuss auf die angespannte Haushaltslage und machte deutlich, dass derzeit kein Spielraum für eine breitere Entlastung bestehe.
Wüst: „Job des Finanzministers“
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) machte unterdessen unmissverständlich klar, wen er hier in der Verantwortung sieht. „Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen – und es gibt eine Menge Möglichkeiten“, sagte Wüst dem Pro-Newsletter Industrie & Handel des Nachrichtenmagazins POLITICO. „Die muss der Finanzminister noch mal durchrechnen und vorschlagen.“
Opposition spricht von Wortbruch zulasten der Bürger
Aus der Opposition kam deutliche Kritik. Grünen-Chef Felix Banaszak warf der Regierungskoalition vor, ein zentrales Versprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gebrochen zu haben: „Noch vor wenigen Wochen hatten Merz und Klingbeil im Koalitionsvertrag versprochen, die Stromsteuer für alle zu senken“, sagte Banaszak den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Doch statt für Entlastungen auch von Privathaushalten, Familien und kleinen Unternehmen zu sorgen, opfern CDU und SPD sie zugunsten von teuren Steuergeschenken für ihr Klientel.“
Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses seien daher enttäuschend, „auch wenn das nach den Wortbrüchen von Merz und Klingbeil der letzten Wochen nicht überrascht.“
Wirtschaftsweise vermisst nachvollziehbare Prioritäten
Auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht stößt die Entscheidung auf Kopfschütteln. „Es ist nicht überraschend, aber dennoch sehr bedauerlich, dass sich die Koalitionspartner nicht auf die Stromsteuersenkung für alle verständigen konnten“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, den Funke-Zeitungen. Zwar sei es grundsätzlich sinnvoll, solche Maßnahmen an finanzielle Spielräume zu knüpfen. „Umso mehr muss man sich aber wundern, wie die Prioritäten von der Regierung gesetzt werden.“
Andere Vorhaben, die die Große Koalition parallel vorantreibt, wie die Erhöhung der Mütterrente oder die Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie, seien ähnlich teuer, „aber in Zeiten knapper Kassen sehr viel schlechter begründbar.“
Ausbau der Mütterrente kommt – Stromkunden warten
Einen Konsens fand die Koalition hingegen bei der Mütterrente. Diese soll zum 1. Januar 2027 ausgeweitet werden, notfalls auch rückwirkend zu diesem Stichtag, falls es technische Verzögerungen gibt. Künftig soll die Kindererziehungszeit für die gesetzliche Rentenversicherung auch für vor 1992 geborene Kinder um sechs Monate auf insgesamt drei Jahre verlängert werden.
Die Kosten dafür werden aus Steuermitteln getragen – während eine breite Entlastung bei den Strompreisen für private Haushalte weiter warten muss.
Meinung
Eine Blase, weit weg vom Alltag

Claudia Licht, Chefredakteurin Pfalz-Express
Die Große Koalition aus SPD und CDU hat am Mittwochabend einmal mehr gezeigt, wie weit sie sich von den Alltagssorgen vieler Bürger entfernt hat. Während Millionen Menschen jeden Monat aufs Neue überlegen müssen, wo sie beim Einkauf oder an anderer Stelle sparen können, verschiebt die Regierung eine längst versprochene Entlastung bei der Stromsteuer auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Gerade für Familien, Alleinerziehende, Rentner, Studierende oder generell Menschen mit mittleren und kleineren Einkommen wäre eine niedrigere Stromsteuer eine spürbare Hilfe gewesen. Stattdessen verweist Finanzminister Klingbeil auf fehlende Spielräume, während andere Vorhaben, die kaum dringlicher erscheinen, großzügig mit Steuermitteln finanziert werden.
Es entsteht der Eindruck einer Politik, die in ihrer Berliner Blase lebt und nicht mehr genau weiß, was hohe Stromabschläge für einen Normalhaushalt bedeuten. CDU und SPD sollten sich fragen, wie lange sie sich das noch leisten können.
(red/cli/dts Nachrichtenagentur)

