Samstag, 27. Juli 2024

Finanzielle Notlage in Freisbach: Bürgermeister Gauweiler und Ratsmitglieder aus Protest zurückgetreten

8. August 2023 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Politik regional, Regional

Rücktritt von Bürgermeister und Gemeinderat in Freisbach: In dier Sporthalle erklärten sie ihre Entscheidung vor vielen Bürgern. Der Protest gegen die Sparpolitik des Landes sorgte für bundesweites Aufsehen.
Foto: Rolf H. Epple/ Pfalz-Express

Freisbach – Die Sporthalle von Freisbach war am Dienstagabend Schauplatz eines ungewöhnlichen Protests. Bürgermeister Peter Gauweiler und alle Mitglieder des Gemeinderats sind zurückgetreten.

Sie wollen damit ein Zeichen setzen gegen die Überforderung der Kommunen durch das Land, das ihnen immer mehr Aufgaben aufbürdet, aber nicht genug Geld dafür bereitstellt. Gauweiler und die Räte kritisierten die SPD-geführte Landesregierung dafür scharf.

Peter Gauweiler
Foto: Rolf. H. Epple/Pfalz-Express

Viele Bürger waren gekommen, um ihre Solidarität mit der Entscheidung zu zeigen. Auch Landrat Dr. Fritz Brechtel war vor Ort. Gauweiler und die 16 Ratsmitglieder haben ihre Argumente vorgetragen und sind jeweils einzeln zurückgetreten. Der Grundtenor: Man will den Ort gestalten, kann aber nicht, weil an allen Ecken und Enden das Geld fehlt. Nach jeder Begründung gab es immer wieder spontanen Applaus. Gauweiler selbst war sichtlich bewegt. Man habe es sich nicht leicht gemacht mit dieser Entscheidung, sagte er. „Es ist für uns alle schwer.“   

Foto: Pfalz-Express/Rolf H. Epple

Interessantes Detail am Rande: In Freisbach gibt es keine politischen Fraktionen. Alle Ratsmitglieder wurden von einer Liste als interessierte Bürger gewählt.

Sporthalle und Kita in schlechtem Zustand

Ein großes Problem in Freisbach ist die Sporthalle. Die ist dringend renovierungsbedürftig. Die Elektrik und die Technik sind auf dem Stand von 1972, in den Duschen haben sich Legionellen festgesetzt.  Duschen ist deswegen schon lange zum Schutz der Gesundheit verboten. Von den Wänden lösen sich Fliesen.

Die Kindertagesstätte „Pfefferminzzwerge“, die direkt neben der Sporthalle liegt, hat auch große Probleme. Die 70 Kinder haben kaum noch Platz. Außerdem wird dringend eine Mensa mit der passenden Möblierung benötigt, das schreibt unter anderem das neue Kita-Gesetz vor. Geht nicht, es fehlt das Geld, kritisiert Gauweiler frustriert. 

Neue Regelung des Finanzausgleichs macht das Dorf arm

Das Hauptproblem für viele Kommunen in Rheinland-Pfalz, auch für Freisbach, ist die neue Regelung des Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz und die Vorgabe für einen ausgeglichenen Haushalt.

Der Bürgermeister erläutert das Dilemma an einem Beispiel: „Wir haben 1,2 Millionen Euro Einnahmen, davon geht rund eine Million als Umlage an den Kreis. Aber der Kindergarten kostet uns im Jahr 380.000 Euro. Wie sollen wir da einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen?“

Foto: Rolf. H. Epple/Pfalz-Express

Die Kommunalaufsicht schlägt vor, die Steuern für Einwohner und Gewerbetreibende im Ort zu erhöhen, aber das wollen Bürgermeister und Gemeinderäte auf gar keinen Fall. Auch, weil die Einnahmen bei weitem nicht ausreichen würden, um den Haushalt auszugleichen. Die Kosten für die Bürger durch hohe Energiepreise und Inflation sind ohnehin schon belastend. Selbst bei einer Erhöhung der Grundsteuer B auf 995 Prozent, wie sie vom Innenministerium und vom Rechnungshof gefordert wird, wäre der Haushalt nicht ausgeglichen, betonte Gauweiler. 

Dass das Geld vom Land nicht reicht, sieht auch Landrat Brechtel so: „Die zugewiesenen Finanzmittel reichen nicht, um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, selbst wenn die Gemeinde die Grundsätze oder Hebesätze bis an die Obergrenze anhebt und damit ihre Bürger und ansässige Unternehmen belastet.“

Landrat Dr. Fritz Brechtel
Foto: Rolf. H. Epple/Pfalz-Express

Wie geht es weiter?

Gauweiler bleibt noch bis zum 31. August 2023 im Amt. In der Zwischenzeit wird ein Verwalter bestimmt, der nach dem 31. August die Aufgaben der Ortsverwaltung regeln soll. Theoretisch könnten jetzt Ersatzpersonen nachrücken (was nicht erwartet wird), aber in drei Monaten müssen dennoch Neuwahlen stattfinden. Die nun zurückgetretene Dorfspitze hofft jedenfalls, mit diesem Schritt die Landesregierung in Mainz wachzurütteln. (cli)

Foto: Rolf. H. Epple/Pfalz-Express

 

Foto: Rolf. H. Epple/Pfalz-Express

 

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Foto: Pfalz-Express/Rolf H. Epple

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