Berlin – Die Verfahren zur Entschädigung homosexueller Justizopfer bleiben offenbar weit hinter den Erwartungen zurück.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung verurteilter Homosexueller im Juli 2017 sind erst 81 Anträge auf Entschädigung beim Bundesamt für Justiz gestellt worden. Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf die Antwort des Justizministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.
Positiv beschieden wurden demnach bislang 54 Anträge, abgelehnt drei (Stichtag: 20. Februar). Insgesamt wurden Entschädigungssummen in Höhe von 254.000 Euro ausgezahlt.
Bei Verabschiedung des Gesetzes war das Justizministerium noch von etwa 5.000 Berechtigten ausgegangen. Anspruch auf Entschädigung haben nur Betroffene, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen nach dem 1994 abgeschafften Paragrafen 175 Strafgesetzbuch rechtskräftig verurteilt wurden.
Allein in der Bundesrepublik der 50er- und 60er-Jahre waren das etwa 50.000 Männer. Das Gesetz spricht ihnen eine einmalige Zahlung von 3.000 Euro für jede Verurteilung sowie zusätzlich 1.500 Euro für jedes angefangene Haftjahr zu.
Ein bloßes Ermittlungsverfahren, welches aber letztlich nicht zu einer Verurteilung führte, begründet alleine keinen Anspruch.
Das Justizministerium begründet dies damit, die Entschädigung eine „finanzielle Anerkennung des erlittenen Strafmakels und der infolge eines solchen Urteils erlittenen Freiheitsenziehung“ darstelle.
„Ermittlungs- und Strafverfahren, die nicht zu einer Verurteilung führten, fehlt es an diesem Strafmakel“, heißt es in der Antwort weiter. Die Linksfraktion fordert hingegen Entschädigung auch für Betroffene, die durch Strafverfolgung gravierende Nachteile in ihrem bürgerlichen Leben erleiden mussten, etwa den Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz.
„Die Bundesregierung muss nachjustieren und den Berechtigtenkreis deutlich erweitern sowie die Entschädigungsmöglichkeit ordentlich bewerben“, fordert Doris Achelwilm, Sprecherin für Gle! ichstell ungs- und Queerpolitik.
„Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um den Betroffenen dieser unsäglichen Verfolgung staatliche Entschädigung und Rehabilitation zukommen zu lassen.“ Nachbesserungen fordert auch Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Wer in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren ein Straf- oder Ermittlungsverfahren nach Paragraf 175 StGB über sich ergehen lassen musste, habe oft schwerste Folgen bis hin zum Verlust der bürgerlichen Existenz erlitten – selbst wenn er später freigesprochen wurde.
„Das gilt besonders für Menschen, die teils über Monate in Untersuchungshaft saßen und dafür keine Haftentschädigung bekamen“, sagte Lüders der Zeitung.
„Wir schulden diesen meist hochbetagten Männern eine Form der persönlichen Wiedergutmachung, etwa durch einen Entschädigungsfonds. Die Strafvorschrift, nach der sie angeklagt wurden, hat das Parlament als Unrecht erkannt und die Urteile aufgehoben; die anderen Opfer des Paragrafen dürfen wir nicht einfach ignorieren.„(dts Nachrichtenagentur)

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