Montag 12.Mai 2025

Dobrindt ordnet Asylstopp an den Grenzen an

7. Mai 2025 | Kategorie: Nachrichten

Grenzkontrollen
Archivfoto 2024: Pfalz-Express.

Alexander Dobrindt (CSU), der designierte Bundesinnenminister, setzt laut BILD ein zentrales Wahlkampfversprechen von Friedrich Merz um: die Bekämpfung irregulärer Migration durch verstärkte Grenzkontrollen und konsequente Zurückweisungen illegaler Einreisen, einschließlich von Asylsuchenden.

Dies markiert einen deutlichen Bruch mit der bisherigen Praxis, insbesondere einer Anweisung aus dem Jahr 2015 unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese Anweisung, die laut BILD von Ex-Innenminister Thomas de Maizière mündlich erteilt wurde, gestattete die Einreise von Drittstaatsangehörigen, die Asyl beantragten, auch ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente.

Dobrindt hebt diese Regelung nun auf, um das geltende Recht konsequent anzuwenden, da Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist, in denen Asylsuchende theoretisch Schutz beantragen könnten.

Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Zahl illegaler Einreisen zu reduzieren, wie Dobrindt in mehreren Interviews betonte: „Die Zahlen bei der illegalen Migration müssen runter. Damit Humanität und Ordnung gleichermaßen gelingt, braucht es Kontrolle, Klarheit und Konsequenz.“

Details der Maßnahmen

1. Verstärkte Grenzkontrollen und Zurückweisungen:
Dobrindt hat am 7. Mai 2025 eine mündliche Weisung an die Bundespolizei erlassen, die Grenzkontrollen an den etwa 4000 Kilometer langen deutschen Außengrenzen zu intensivieren und Zurückweisungen bei illegalen Einreisen zu erhöhen.

Die Kontrollen werden durch den Einsatz zusätzlicher Bundespolizisten unterstützt. Zu den aktuell 11.000 Beamten sollen laut BILD 2000 bis 3000 weitere Kräfte hinzukommen, die bereits an den Grenzen bereitstehen.
Moderne Technologien wie KI, Drohnen, Digitalfunk, Nachtsicht- und Wärmebildkameras sowie temporäre Kontrollstellen sollen die Effizienz der Grenzsicherung erhöhen.

2. Aufhebung der 2015er-Anweisung:
Dobrindt widerruft schriftlich eine mündliche Anordnung von 2015, die während der Flüchtlingskrise unter Merkel erlassen wurde. Diese Anweisung erlaubte die Einreise von Asylsuchenden ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente, was eine Ausnahme vom geltenden Recht darstellte.

Die Aufhebung dieser Regelung bedeutet, dass Asylsuchende an den Landgrenzen zurückgewiesen werden können, wenn sie aus sicheren Drittstaaten einreisen, da Deutschland nach EU-Recht (Dublin-III-Verordnung) nicht automatisch für Asylanträge zuständig ist, wenn ein anderer EU-Staat die Erstregistrierung vorgenommen hat oder zuständig ist.

3. Koalitionsvertrag und rechtliche Grundlage:
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD sieht vor, Zurückweisungen an den Grenzen „in Abstimmung mit europäischen Nachbarn“ auch bei Asylgesuchen durchzuführen. Es bleibt jedoch unklar, ob dies die Zustimmung der Nachbarstaaten erfordert oder lediglich eine Konsultation bedeutet.

Die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Landgrenzen ist rechtlich umstritten, da das EU-Recht (Dublin-Verordnung) und das Grundrecht auf Asyl (Artikel 16a Grundgesetz) eine individuelle Prüfung der Asylanträge vorschreiben. Kritiker, wie die Grünen, bezeichnen die Pläne als „weder praktikabel noch rechtssicher“.

Reaktionen und Herausforderungen

1. Unterstützung:

Die Brandenburger Innenministerin Katrin Lange (SPD) unterstützt Dobrindts Pläne und betont, dass sie „alle geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen zur Eindämmung irregulärer Migration“ begrüßt. Sie lehnt jedoch eine eigene Landesgrenzpolizei ab, da der Grenzschutz Bundesaufgabe bleibt.

Länder wie Baden-Württemberg verstärken die Kontrollen durch Landespolizei, etwa durch Schleierfahndung und Luftüberwachung per Hubschrauber.

2. Kritik und Skepsis:

Polizeigewerkschaft (GdP): Die GdP hält flächendeckende Grenzkontrollen für unrealistisch, da die Bundespolizei personell und finanziell überlastet ist. GdP-Chef Jochen Kopelke schätzt, dass mindestens 20.000 zusätzliche Stellen nötig wären, um die Aufgaben ohne Überlastung zu bewältigen. Zudem fehlen moderne Ausrüstungen wie Drohnen und flexible Kontrollstellen.

Europäische Nachbarn: Polen und Luxemburg kritisieren die Pläne. Der polnische Geschäftsträger Jan Tombinski warnte, dass bereits die aktuellen Kontrollen den Grenzverkehr und den EU-Binnenmarkt stören. Polen lehnt eine Verschärfung ab und betont seine Verpflichtung zum Schutz der EU-Außengrenzen. Luxemburgs Innenminister Gloden plädiert für die Stärkung der europäischen Außengrenzen statt nationaler Kontrollen, um die Freizügigkeit im Schengen-Raum zu erhalten.

Opposition: Die Grünen kritisieren die Pläne als „Schlagbaumpolitik“ und warnen vor rechtlichen und praktischen Problemen. Sie vergleichen Dobrindts Vorhaben mit seinem gescheiterten Pkw-Maut-Projekt.

Menschenrechtsorganisationen: Diese warnen vor einer Schwächung des Flüchtlingsschutzes, da das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Geas) eine individuelle Prüfung der Asylanträge vorschreibt.

3. Praktische Herausforderungen:

Personalmangel: Die Verstärkung der Bundespolizei durch 2000–3000 Beamte ist laut GdP nicht nachhaltig, da die Bereitschaftspolizei bereits stark beansprucht ist.

Rechtssicherheit: Die Zurückweisung von Asylsuchenden ohne Zustimmung der Nachbarstaaten könnte ein „Ping-Pong-Spiel“ auslösen, bei dem Migranten zwischen Ländern hin- und hergeschoben werden.

Wirtschaftliche und diplomatische Folgen: Verschärfte Kontrollen verursachen Staus, wirtschaftliche Einbußen und Spannungen mit Nachbarländern, wie bereits 2023–2024 beobachtet.

Kontext und Wirksamkeit

Statistischer Rückgang: Laut dem Bundeskriminalamt sank die Zahl unerlaubter Einreisen 2024 um ein Drittel auf 83.000 (von 127.549 im Jahr 2023), was auf bereits bestehende Grenzkontrollen zurückzuführen ist. Dennoch gab es 2024 etwa 229.751 Asyl-Erstanträge, hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.

Schengen-Raum: Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum grundsätzlich nicht vorgesehen, wurden aber seit 2015 (Österreich) und 2023 (Polen, Tschechien, Schweiz) temporär eingeführt. Dobrindts Pläne gehen über diese Maßnahmen hinaus, was Spannungen mit der EU auslösen könnte.

Europäische Dimension: Dobrindt betont, dass nationale Maßnahmen durch europäische Lösungen ergänzt werden sollen. Er kritisiert das Geas als zu langsam und plant Gespräche mit europäischen Partnern, um zusätzliche Maßnahmen zu erreichen.

Kritische Betrachtung

Die Maßnahmen von Dobrindt und Merz sind ein Versuch, ein starkes Signal an die Wähler zu senden, insbesondere angesichts hoher Umfragewerte der AfD. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel an der Umsetzbarkeit und Rechtmäßigkeit:

Rechtliche Hürden: Die Zurückweisung von Asylsuchenden ohne individuelle Prüfung könnte gegen das EU-Asylrecht und das deutsche Grundgesetz verstoßen. Die Dublin-Verordnung erfordert, dass der zuständige Mitgliedstaat ermittelt wird, bevor eine Zurückweisung erfolgen kann.

Praktische Grenzen: Die Bundespolizei ist bereits überlastet, und die kurzfristige Verstärkung durch einige tausend Beamte löst das strukturelle Problem des Personalmangels nicht.

Diplomatische Spannungen: Die ablehnende Haltung von Polen und Luxemburg zeigt, dass die Pläne die Zusammenarbeit im Schengen-Raum gefährden könnten.

Populismusvorwurf: Kritiker wie die Grünen werfen Dobrindt vor, populistische Narrative zu bedienen, ohne realistische Lösungen anzubieten.

 

 

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