Bad Bergzabern: Jurist, Politiker und Publizist Johannes Gerster fesselt mit Vortag über Nahostkonflikt

28. Juli 2018 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße

Johannes Gerster ist Kenner der Situation im Nahen Osten.
Foto über Rotary BZA

Bad Bergzabern – An einem der heißesten Tage dieses Sommers hat der Politiker und frühere Bundestagsabgeordnete Dr. h.c. Johannes Gerster vor dem Rotary Club Bad-Bergzabern über die heißeste Konfliktregion der Welt, Israel und die Palästinensergebiete, referiert.

Palästina war bis zum Ende des 1. Weltkriegs ein Teil des Osmanischen Reiches, das mit Kriegsende zerschlagen wurde. Schon 1922 hatte der Völkerbund, der Vorgänger der Vereinten Nationen (UN), das britische Mandat über Palästina beschlossen. Das Mandatsgebiet umfasste das Gebiet der heutigen Staaten Israel und Jordanien.

Obwohl es bis zu dieser Zeit nie ein eigenes israelisches Volk gegeben hatte, war man sich schon 1923 einig, dass die Juden einen eigenen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt bekommen sollten.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs stand 1948 der Ablauf des britischen Mandats über Palästina bevor. Dies führte zu grundlegenden Veränderungen und Staatsneugründungen. Ägypten war schon im März 1922 als Staat des ägyptischen Volkes entstanden und der Iran bestand mit seiner wechselhaften Geschichte schon seit langem als Staat des persischen Volks.

Nach dem Ende des Osmanischen Reichs war 1923 auch die Türkei als Staat des türkischen Volks entstanden. Auch der Irak wurde am 3. Oktober 1932 als Staat des irakischen Volks in den Völkerbund aufgenommen. Am 25. Mai 1946 wurde der Staat Jordanien als Geschenk an die dortige haschemitische Herrscherfamilie gegründet.

Das Völkerbundesmandat das Frankreich nach dem Ende des 1. Weltkriegs für die Gebiete der heutigen Staaten Syrien und Libanon erhalten hatte, lief ebenfalls seinem Ende entgegen. 1943 wurde der Libanon unabhängig und auch Syrien erhielt 1946 seine vollständige Unabhängigkeit. Vergessen wurde seinerzeit nur das Volk der Kurden, die bis heute keinen eigenen Staat haben und auf mehrere fremde Staatsgebiete aufgeteilt sind. Ob sich dieses Versäumnis der Geschichte durch Gründung eines kurdischen Staates korrigieren lässt, wird die Zukunft erweisen.

1947 sollte das Völkerbundsmandat für das Kerngebiet Palästinas zunächst durch die Vereinten Nationen verlängert werden. Als Problem stand dem aber entgegen, dass der Ostteil Palästinas mit der Gründung des Staates Jordanien ein eigener muslimischer Staat geworden war und der verbliebene Teil überwiegend von Juden, in der Westbank und im Gazastreifen aber mehrheitlich von Muslimen bewohnt war.

Am 30. November 1947 fassten die Vereinten Nationen deswegen einen Teilungsbeschluss, der vorsah Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen. Schon in diesem Zeitpunkt deutete sich ein Krieg in der Region an.

14. Mai 1948: Staat Israel gegründet

Nach den verschiedenen Staatsgründungen innerhalb der Region sahen sich auch die Juden gezwungen, einen Tag vor Auslauf des britischen Mandats, am 14. Mai 1948, ihren eigenen Staat Israel zu gründen und der erste Ministerpräsident des Staats David Ben Gurion verlas an diesem Tag auf der Grundlage des Teilungsbeschlusses der UN die offizielle Unabhängigkeitserklärung.

Elf Minuten später erkannten die USA den neuen Staat an, die Sowjetunion folgte am 16. Mai 1948. Die Türkei erkannte Israel als erster muslimischer Staat sofort an und nahm diplomatische Beziehungen zu dem neuen Staat auf, ebenso tat dies der Iran unter Schah Mohammad Reza Pahlavi.

Erster arabisch-israelischer Krieg

Von den übrigen arabischen Staaten, insbesondere vom Libanon, von Syrien, Jordanien, Ägypten und dem Irak, wurde die Staatsgründung hingegen nicht akzeptiert. Am Tag darauf begann der erste arabisch-israelische Krieg, der auf arabischer Seite überwiegend von Saudi-Arabien finanziert wurde.

Nach anfänglichen Erfolgen der arabischen Staaten wurden die Angreifer von den besser ausgebildeten und bewaffneten israelischen Kräften zurückgeschlagen – sie eroberten außerdem einen Großteil der den Palästinensern im Teilungsplan zugewiesenen Gebiete.

Israel kam zugute, dass es trotz eines Waffenembargos der UN gegen die Kriegsteilnehmer, das von den USA und Großbritannien eingehalten wurde, mit Zustimmung der Sowjetunion aus Beständen des sich formierenden Ostblocks Waffen kaufen konnte, die über die Tschechoslowakei nach Israel kamen. Auch französische Waffen waren für die Kriegsparteien verfügbar.

Die Russen gingen seinerzeit davon aus, dass der Zionismus im Grunde sozialistisch sei und mit Ben Gurion ein sozialistischer Staat entstehen könne. Russland wollte ideologischer Bündnispartner von Israel werden. Zwischen Februar und Juli 1949 unterzeichneten Israel und die arabischen Kriegsteilnehmer zwar vier separate Waffenstillstandsabkommen Die Waffenstillstandslinie vom 15. Mai 1948 ist allerdings bis heute keine völkerrechtliche Grenze.

Umorientierung in den 50er Jahren

In den fünfziger Jahren erfolgten grundlegende Umorientierungen. Die Russen wechselten auf die Seite von Syrien und Ägypten, während die Amerikaner zum engsten Unterstützter Israels wurden. Bis zum Jahre 1989 war Palästina sodann der Ort eines Stellvertreterkriegs zwischen Osten und Westen, was sich auch im Sechstagekrieg 1967 ausdrückte.

Aber auch diese weltpolitische Situation hat sich inzwischen verschoben. Heute verläuft die Trennungslinie zwischen der westlichen Welt und der fundamentalisierenden Welt im Nahen Osten.

Bei Staatsgründung im Jahre 1948 hatte Israel 800.000 Staatsbürger, heute sind es 8,7 Millionen. Schon 1948 waren von den israelischen Staatsbürgen 20 Prozent Araber, das ist auch heute noch der Fall. Zwar sind die Geburtenraten in der arabischen Bevölkerung deutlich höher, dem steht aber entgegen, dass Israel nach wie vor eine hohe Zuwanderung aus nicht arabischen Staaten zu verzeichnen hat.

Entwicklung zur Industrienation

1948 war Israel ein reiner Agrarstaat, inzwischen hat sich das Land zu einem Industriestaat entwickelt. Es hat die 34-größte Volkswirtschaft der Welt und die fünftgrößte Volkswirtschaft in Asien. Das Bruttosozialprodukt liegt unter den erfassten 200 Staaten auf Platz 19 der Welt und ist höher als der Durchschnitt innerhalb der EU.

Israel hat inzwischen acht Nobelpreisträger hervorgebracht und setzt deutlich auf Hightech-Industrie. Das Land ist die einzige Demokratie im Nahen Osten.

Friedenshindernisse

Gleichwohl ist gegenwärtig im Nahen Osten kein Frieden absehbar. Nach verbreiteter Auffassung sollen dem die israelische Siedlungspolitik und die angestrebte Zweistaatenlösung entgegenstehen.

Beide Gründe stehen nach Auffassung von Johannes Gerster allerdings einem Friedenschluss nicht entgegen. Ein entscheidender Hinderungsgrund liegt vielmehr darin, dass die arabische Welt nach dem Sechstagekrieg 1967 mit der bis heute bestehenden Annektion des Westjordanlands, Ostjerusalems und der Golanhöhen das Existenzrecht Recht Israels in der arabischen Welt nicht anerkennt.

Selbst bei den Verhandlungen zum Abschluss des Waffenstillstandsabkommens nach dem Sechstagekrieg haben sich die Parteien nie persönlich getroffen oder etwa im gleichen Hotel übernachtet, sondern nur über Dritte gesprochen. Im arabischen Raum gibt es bis heute ein dreifaches Nein gegenüber Israel: Nein zum Frieden mit Israel, Nein zu Verhandlungen mit Israel und Nein zur Anerkennung Israels.

Einem dauerhaften Frieden stehen aus Sicht von Gerster zurzeit mehrere Gründe entgegen. Zum einen hat Israel gegenwärtig keinen palästinensischen Verhandlungspartner, der kompetent ist, einen Vertrag abzuschließen und auf dessen Aussagen Israel vertrauen kann.

Präsident Abbas ist offiziell schon nicht mehr im Amt und kann deswegen keine verbindlichen Verträge für alle Palästinenser schließen und die Hamas im Gazastreifen ruft zwar immer wieder einen Waffenstillstand gegenüber Israel aus, ist aber an einem dauerhaften Frieden nicht interessiert.

Ein zweites Problem liegt darin, dass die USA seit dem zweiten Irakkrieg als Vermittler im Nahen Osten weggefallen ist, weil das Land im arabischen Bereich nicht mehr akzeptiert wird. Auch der arabische Frühling in den nordafrikanischen Staaten hat sich ins Gegenteil verkehrt und bringt eher neue Probleme. Problematisch ist schon die Stellung des jordanischen Königshauses und Saudi-Arabien wird wohl auch erst in vielen Jahren seine strikt antiisraelische Haltung aufgeben.

Der frühere Stellvertreterkrieg zwischen den islamischen Staaten und dem Westen ist allerdings inzwischen von einem Bruderkrieg innerhalb der islamischen Welt abgelöst worden. Dabei streitet vor allem Saudi-Arabien mit dem Iran darum, wer von den beiden Mächten die Führungsrolle innerhalb der arabischen Welt wahrnehmen darf.

Einen palästinensischen Staat will gegenwärtig kaum jemand, weder der Westen, noch die USA, noch die Gesamtheit der islamischen Welt. Auch deswegen kommen Zweifel auf, ob im Nahen Osten gegenwärtig ein dauerhafter Frieden denkbar ist.

Diese Frage beantwortete Gerster mit einem eindeutigen ja, benennt dafür aber mehrere grundlegende Voraussetzungen: Eine dieser Voraussetzung ist, dass Israel von der arabischen Welt als Staat anerkannt werden muss.

Als Zweites müssen die UN und die Europäische Union nach Auffassung von Gerster fairer mit Israel umgehen. So hat etwa der UN-Menschenrechtsrat für die Zeit von 2006 bis 2015 für Israel 61 Menschenrechtsverletzungen aufgelistet. Für Syrien kommt er auf 15, für Myanmar auf fünf Fällen, für Nordkorea und für Iran auf vier Fällen.

Staaten wie China, Russland und die Türkei, die häufig in den Medien im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen genannt werden, kommen in der Statistik überhaupt nicht vor. Auch deshalb falle es schwer, solche Statistiken zu akzeptieren. Dritte sollten sich soweit wie möglich aus der Diskussion um eine Friedenslösung heraus halten, wenn sie nicht als seriöse Friedensvermittler auftreten.

Und natürlich ist eine Verständigung über feste und endgültige Grenzen des Staates Israels zwingend erforderlich, mein Gerster. „Um das zu erreichen, müssen sich die Palästinenser zunächst darauf einigen, ob und auf welche Weise sie einen dauerhaften Frieden mit Israel herbeiführen wollen.“

In Regierungszeiten der US Präsidenten Obama und Clinton sind die Grenzen für einen dauerhaften israelischen Staat bereits ausgelotet worden. Möglicherweise würde von Israel sogar ein Rückzug auf die Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 akzeptiert. Eine so weitgehende Zustimmung würde aber das Vertrauen Israels in seine Vertragspartner voraussetzen und eine Sicherheitskonfliktkonzept erfordern, das einen dauerhaften Frieden gewährleisten kann.

Dem stünde nach Auffassung von Gerster auch die israelische Siedlungspolitik in der Westbank nicht entgegen. Denn schon in der Vergangenheit gab es Pläne für neue Siedlungen in der Negev-Wüste mit finanzieller und steuerlicher Unterstützung der dorthin umsiedelnden Israelis aus der Westbank.

Schon nach der ursprünglichen Idee von Ben Gurion sollte Israel ein Vielvölkerstaat jüdischer Staatsangehöriger sein. Entsprechend kommen nach wie vor Zuwanderer aus höchst unterschiedlichen Staaten nach Israel, so dass ein multikultureller Staat entstanden sei.

Von den gegenwärtig 8,7 Millionen Staatsangehörigen Israels sind im Übrigen 2 Millionen Einwohner russischständig. Die Staatsbürger mit den verschiedenen Kulturen sind sich gleichwohl durch ihr Eintreten für den eigenen Staat Israel verbunden, etwa in Form der bis zu dreijährigen Wehrpflicht und der bedingungslosen Verteidigung des eigenen Staats.

Allerdings ist das Land zwar jüdisch geprägt, aber liberaler als jeder andere Staat. Daraus ergeben sich zwei weitere Reizpunkte und zwar einerseits das Verhältnis der säkularen Juden zu den orthodoxen Juden und zum anderen der Umstand, dass innerhalb Israels ca. 20 % Araber wohnen, die sich einerseits von den Juden unterdrückt fühlen, aber auch niemals in arabische Staaten umziehen möchten.

Abschließend betonte Dr. Gerster seine hohe Achtung vor dem israelischen Staat innerhalb der arabischen Welt. Er betonte, dass aus seiner Sicht ein Friede im Nahen Osten durchaus möglich sei, wenn in die von ihm genannten Voraussetzungen erfüllt würden. Dies werde allerdings nicht kurzfristig möglich sein, sondern setze eine kontinuierliche Vertrauensbildung sowie eine verlässliche, nachprüfbare und gesicherte Einigung über die wechselseitigen Friedensvoraussetzungen voraus. Es bleibe zu hoffen, dass auch dieser Region in unserer Welt irgendwann ein dauerhafter Friede vergönnt ist.

Zur Person

Dr. h.c. Johannes Gerster wurde 1941 in Mainz geboren, ist verheiratet, hat drei Kinder und acht Enkelkinder. Nach seinem Abitur und seiner juristischen Ausbildung mit Abschluss der beiden juristischen Staatsexamen war er Beamter, zuletzt Regierungsdirektor, im Innenministerium von Rheinland-Pfalz.

Von 1972 bis 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestags, innenpolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. Von 1993 bis 1997 war er CDU-Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz und 1996/97 Fraktionsvorsitzender im rheinland-pfälzischen Landtag.

Von 1997 bis 2006 war er Leiter der Konrad Adenauer Stiftung in Jerusalem und mit dem Israelisch-palästinensischen und deutsch-israelischen Dialog befasst. Von 1982 bis 1998 war er Vizepräsident der deutsch-israelischen, von 1998 bis 2006 Vizepräsident der israelisch-deutschen Gesellschaft. Von 2006 bis 2010 war er schließlich Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft.

Er hat diverse Publikationen über Israel und das Verhältnis Israels zum Westen sowie zu den arabischen Staaten veröffentlicht. Er ist mit dem großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und dem Ehrenring der Stadt Mainz sowie mit vielen weiteren deutschen und israelischen Titeln ausgezeichnet. Er ist Ehrendoktor der Ben Gurion Universität und trägt den offiziellen Titel Freund von Jerusalem.

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