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Am 15. März begann das Gerichtsverfahren in Neustadt: Tod eines Mädchens im Holiday-Park

16. März 2016 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional
Sicherheitsvorkehrungen zu Beginn des Prozesses. Fotos: Pfalz-Express/Ahme

Sicherheitsvorkehrungen zu Beginn des Prozesses.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Neustadt. Gestern begann im Neustadter Amtsgericht der Prozess gegen drei Mitarbeiter des Holiday-Parks in Haßloch.

Sie müssen sich wegen fahrlässiger Tötung vor Strafrichter Alexander Melahn verantworten. Den Männern wird zur Last gelegt am 15. August 2014 den Tod der 11-jährigen A. W. aus Kelsterbach fahrlässig verursacht zu haben.

Der Angeklagte Th. bediente zum Tatzeitpunkt das Fahrgeschäft „Spinning Barrels“. Er soll entgegen der Vorschriften eine Zugangstür zum Fahrgeschäft offen gelassen haben, so dass weitere Personen, darunter auch das spätere Opfer, in den Innenbereich des Fahrgeschäfts gelangen konnten, obwohl dies aus Sicherheitsgründen hätte bereits unterbleiben müssen.

Der Angeklagte soll es auch unterlassen haben, vor Beginn der Fahrt des Fahrgeschäfts die Durchsage „Achtung die Fahrt beginnt“ gemacht zu haben. Aufgrund des für das Opfer plötzlichen Fahrbeginns kam diese ins Stolpern, stürzte und wurde mehrfach überrollt. Sie starb kurze Zeit später am Unfallort.

Ein weiterer Angeklagter, nämlich L.,  soll den Bediener der Anlage nicht darüber ínformiert haben, dass er vor dem Start des Fahrgeschäfts die Durchsage „Achtung die Fahrt beginnt“ zwingend zu tätigen hat.

Der dritte Angeklagte K. soll den Bediener der Anlage nicht ordnungsgemäß überwacht haben.
Die Eltern des Opfers, C. und E. W., wurden als Nebenkläger zugelassen.

Am ersten Verhandlungstag wurden die Mutter als Zeugin und ein Sachverständiger bei einem Ortstermin auf dem Gelände des Holiday-Parks vernommen.

An den weiteren fünf Verhandlungstagen im April ist die Vernehmung von derzeit 32 Zeugen geplant.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen standen am Anfang des ersten dreieinhalb stündigen Verhandlungsteils im Amtsgericht, der eine Stunde später im Holiday Park seine Fortsetzung fand.

Der Fall hat ein großes Medieninteresse ausgelöst. Die Presse holte im Vorfeld der Verhandlung Statements der Familie und der Verteidigung ein.

Die Mutter des toten Mädchens sieht weniger in den drei Angeklagten die Schuldigen als vielmehr in der Betreiber-Firma Plopsa und deren Sicherheitsbestimmungen.

Dabei beteuert der Park auf seiner Homepage (und das war auch der Tenor in K.´s Ausführungen):
„Die Sicherheit unserer Besucher steht im HOLIDAY PARK an erster Stelle. In regelmäßigen Abständen werden alle Attraktionen von den Fachleuten des TÜV sowie von unseren Ingenieuren und Technikern kontrolliert und überprüft. Alle Sicherheitsbestimmungen werden vom TÜV vorgegeben und sind einzuhalten.“

Die drei Angeklagten saßen still bei der Verlesung der Anklageschrift zusammen mit ihren jeweiligen Verteidigern auf der Bank. Alle Drei sind unbescholten. Für den 23jährigen Studenten Th. und den 31jährigen Mitangeklagten L. verlesen deren Anwälte Dr. Jörg Becker und Gert Hener die jeweiligen Statements.

Sagen werden sie an diesem ersten Tag nichts in der Verhandlung, nur die Verteidiger werden sich äußern.

Th. ist seit 2012 immer in den Schulferien im Holiday Park tätig. An den Spinning Barrels war er als Bediener 2012 sowie am 16. Juli und 15. August eingesetzt.

L. war seit 2008 im Holiday Park als Stewart tätig und für die Einweisung auch von Th. zuständig. Am 3. August hatte er einen Sportunfall und war deshalb zur Zeit des Unfalls krank geschrieben.

K., Dritter auf der Anklagebank, wird danach dem Richter, der Staatsanwaltschaft klar und deutlich antworten. Er berichtet als OperatingManager über die operativen Aufgaben und die Aufgabenverteilung der drei Personen.

Auch K. erinnert sich an den 15. August, den Tag des furchtbaren Unfalls. Er erinnert sich an schlechtes Wetter und eine relativ geringe Besucherzahl. Akribisch genau schildert er, dass er nach einer Minute schon mit Sanitäter vor Ort war, wo eine Besucherin das Mädchen schon versuchte, zu reanimieren. Er habe die Örtlichkeit abgesperrt und alles Nötige weiter veranlasst. Th.habe er verstört und weinend vorgefunden. K: „Er sagte, er habe alles richtig gemacht und könne sich nicht erklären wo die Leute hergekommen seien“.

In der Verhandlung, bei der auch Frau W. den schlimmsten Tag ihres Lebens schildern muss, versuchen Richter Melahn und Staatsanwalt Lenz Licht ins Dunkel der Erinnerungen zu bringen. Wer ist für was zuständig? Wer hat wen eingewiesen und wie oft? Welche Rolle spielt das Bedienhandbuch? Warum war die Tür geöffnet und warum wurde nicht vom Personal gewarnt, dass sich das Fahrgeschäft gleich in Bewegung setzen würde?

„Niemand hat gewarnt, es hat kein Signal gegeben wie bei den anderen Holiday Park-Fahrgeschäften“, erinnert sich Frau W. mit stockender Stimme. Sie kämpft mit den Tränen. Im Raum ist es mucksmäuschenstill.

Foto: Pfalz-Express/Ahme

Foto: Pfalz-Express/Ahme

Durch eine nicht verschlossene Tür waren Mutter und Tochter auf eine Plattform der Spinning Barrels getreten. Da sich die Bügel nicht öffnen lassen, wollen sie zu einer anderen Plattform und sich dort in ein Fass setzen. In diesem Moment setzt sich das Fahrgeschäft in Bewegung. Die Mutter wird weg geschleudert, die Tochter, auch überrascht vom plötzlichen Fahrbeginn, wird mehrfach überrollt.

Bediener Th. hat Mutter und Tochter auf der anderen Seite nicht gesehen – die Sicht war durch einen dicken Mittelposten versperrt.

Beim Ortstermin im Holiday Park spricht ein Gutachter vom TÜV das fehlende vorgeschriebene Drehkreuz an. Warum die Tür offen stand und das Spinning Barrel sich trotzdem in Bewegung setzen konnte, ist nicht klar. Bei Versuchen des TÜV, sei das Fahrgeschäft bei offener Tür manchmal angefahren, manchmal auch nicht. Ein technischer Defekt könne nicht ausgeschlossen werden. Es gibt also weiterhin viele Ungereimtheiten. Die Verhandlung geht im April weiter. (desa)

Der Fall rief ein großes Medieninteresse hervor. Foto: Pfalz-Express/Ahme

Der Fall rief ein großes Medieninteresse hervor.
Foto: Pfalz-Express/Ahme

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