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Edenkoben: Aserbaidschanischer Journalist Ruszgar Movsum hofft auf Asyl: „Wurden verfolgt und bedroht“

20. Juli 2017 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Leute-Regional, Regional
Ruzgar Movsun mit seiner Ehefrau Lala. Fotos: Pfalz-Express/Licht

Ruzgar Movsum mit seiner Ehefrau Lala.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Edenkoben – Ruszgar Movsum fällt es schwer, über seine Erlebnisse zu berichten. Gleichzeitig hat er großen Redebedarf. Im Gespräch mit dem Pfalz-Express erzählt er, weshalb er als politisch Verfolgter Asyl in Deutschland gesucht hat.

Movsum stammt aus Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, einem Land zwischen Russland und Iran. Dort hat er sich als gesellschafts- und regierungskritischer Publizist, Autor und Blogger betätigt (Movsum ist Mitglied der Azerbaijan Union of Journalists) und mit seinen Veröffentlichungen die Staatsmacht aufgescheucht.

Er und seine Frau Lala (beide 32) flüchteten im vergangenen Jahr mit Sohn Harun (3) nach Deutschland. Sohn Erich (1) wurde hier geboren.

Seit September 2016 lebt die Familie in einer kleinen Zwei-Zimmerwohnung in Edenkoben. „Wir lernen Deutsch, versuchen, uns in die Gesellschaft zu integrieren und gute Freunde zu finden“, schildert der Familienvater die derzeitige Situation. „Wir sind sehr dankbar für die Hilfe und Unterstützung der Menschen hier.“

An den Wänden hängen Blätter mit Vokabeln, Deklinationen und Übersetzungen neben den selbst gemalten Kunstwerken von Lala. Movsum und seine Frau geben sich Mühe. Einfach ist die Situation dennoch nicht, denn sein Asylantrag wurde abgelehnt.

Dazu kommen gesundheitliche Probleme. Lala Movsuma leidet seit den Geschehnissen in Aserbaidschan und der Flucht an Depressionen, Ruszgar Movsum selbst hat ein internistisches Problem und Sohn Harun kämpft mit einer Form von Autismus und Hyperaktivität. Einzig der kleine Erich mit den roten Locken, den sein Vater nach dem deutschen Schriftsteller Erich Maria Remarque benannt hat, scheint fröhlich und unbelastet.

Schlecht bestellt um die Pressefreiheit

In der Rangliste der Pressefreiheit landet Aserbaidschan derzeit auf Platz 162 von 180. Journalisten müssen laut „Reporter ohne Grenzen“ bei kritischer Berichterstattung mit Verleumdungsklagen rechnen. Viele kommen unter Vorwänden wie Drogenbesitz, Steuerhinterziehung oder „Anstachelung zum Hass“ ins Gefängnis. Medien werden durch die strenge Vergabe staatlicher Lizenzen gegängelt.

Programme ausländischer Sender wie BBC oder VOA dürfen nicht auf nationalen Frequenzen ausgestrahlt werden. Kritische Zeitungen wie Azadliq werden strukturell benachteiligt, sie dürfen zum Beispiel nicht an öffentlichen Kiosken verkauft werden. Seit 2013 sendet der Internet-Exilsender Meydan TV aus Berlin.

Auch Ruzgar Movsum hat den Sender schon genutzt. Viele seiner Kollegen seien im Gefängnis gelandet oder gar getötet worden. Er selbst fürchte bei einer Rückkehr ebenfalls Haft und Folter oder gar einen inszenierten tödlichen Unfall, wie es nicht wenigen Kollegen widerfahren sei, sagt er.

Ruzgar Movsum

Drohungen steigerten sich

Angefangen habe die staatliche Drangsalierung, als Movsum immer häufiger regierungskritische Texte veröffentlichte. Auch Artikel über Verfehlungen von Politikern oder über die Gleichstellung von Frauen und Homosexuellen kamen bei den Regierungsbehörden nicht gut an. Laut Movsum begann man, sein Mobiltelefon abzuhören.

Eine – noch moderate  – „Warnung“ trat in Form eines Staatsbeamten an ihn heran, sagt Movsum. Man habe ihm „geraten“, seine Aktivitäten aufzugeben, damit er sich „nicht die Zukunft verderbe“. Bevor er politisch aktiv wurde, arbeitete der Journalist aus Erwerbsgründen in der Hotelbranche und schrieb auch Hotel-Bewertungen. Daran möge er sich wieder halten, sei ihm gesagt worden, dann passiere nichts.

Movsum hielt sich nicht daran und bloggte weiter. Nach weiteren massiven Drohungen, die sich gegen Ende auch gegen seine Frau und den Sohn richteten, fuhren die Movsums Nacht-und-Nebel-Aktion mit dem Auto nach Georgien. Von dort ging es mit dem Flugzeug weiter über Budapest nach Dortmund. Nach mehreren Stationen in diversen Auffanglagern wurden sie letztendlich in Edenkoben untergebracht.

Dort fühlen sie sich wohl, wenngleich die Angst, auch in Deutschland vom aserbaidschanischen Geheimdienst überwacht und verfolgt zu werden, immer da ist: „Wir haben ständig eine Spraydose mit einer Schnur über der Tür befestigt, damit wir sofort hören, wenn jemand eindringen würde.“ Das Trauma sitze bei ihm und seiner Frau tief.

Die Familie hat Angst abgeschoben zu werden und versucht mit Hilfe eines Rechtsanwalts, den Ablehnungsbescheid anzufechten. Er wolle niemanden kritisieren, sagt Movsum, aber das Gespräch zum Asylantrag sei sehr unbefriedigend verlaufen. Der Sachbearbeiter habe kaum englisch gesprochen (Movsum spricht die Sprache fließend), die Übersetzung sei unzureichend gewesen. Nach Details aus seinem Heimatland sei er nicht gefragt worden.

Mit Hilfe des Juristen hofft das Paar, die Entscheidung noch drehen zu können: „Wir wollen so gerne bleiben. Hier können wir uns wieder wie normale Menschen fühlen. Wir sind uns sicher, dass Deutschland keine Korruptionsbeziehungen mit Aserbaidschan hat. Und wir glauben, dass Deutschland niemals politische Flüchtlinge verrät und sie auch schützen kann.“

Deutschland gefalle ihm und seiner Frau auch wegen seiner „Geschichte, Literatur und schönen Sehenswürdigkeiten“ gut: „In diesem Land könnten wir neu anfangen.“ (cli)

Nachtrag am 20. Juli 2017: Eben erhielt Ruzgar Movsum einen weiteren ablehnenden Bescheid. Er und seien Frau seien völlig am Boden zerstört, teilte er dem Pfalz-Express mit. Im Fall eine Abschiebung werde die Tragödie ihren Lauf nehmen.

Weitere Informationen auf der Facebookseite von Ruzgar Movsum.

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