Samstag, 27. Juli 2024

Interview mit künftigem Wörther Bürgermeister Steffen Weiß: Über den Start ins Amt, persönlichen Umgang und Herausforderungen

30. Mai 2024 | Kategorie: Kommunalwahl 2024, Kreis Germersheim, Politik regional

Steffen Weiß.
Foto: v. privat

Wörth – Am 26. November 2023 ist Steffen Weiß (FWG) in einer Stichwahl gegen Amtsinhaber Dr. Dennis Nitsche (SPD) mir großer Mehrheit zum neuen Bürgermeister der Stadt Wörth gewählt worden. Offizieller Amtsantritt ist der 1. Juli 2024, die Amtsübergabe erfolgt bei der Stadtratssitzung am 27. Juni. 

Der Pfalz-Express wollte wissen, wie sich der künftige Bürgermeister auf das Amt vorbereitet. 

PEX: Hallo Herr Weiß, rund sechs Monate sind seit dem Tag der Stichwahl in Wörth am Rhein vergangen, jetzt ist es noch ein Monat bis zum Amtsantritt. Wie läuft die Vorbereitung auf das künftige Amt?

Steffen Weiß: Ja, es ist schon wieder ein halbes Jahr her, aber dieses halbe Jahr ist rückblickend wie im Flug vergangen. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, mich in Themen noch stärker eingearbeitet, als ich das als bisheriges Stadtratsmitglied und Fraktionsvorsitzender ja ohnehin schon war.

In den Tagen gibt es auch ein Übergabegespräch mit dem Amtsinhaber. Dann ist die offizielle Amtseinführung für den 27.6., 19 Uhr, bereits terminiert. Da wird dann nochmal der „alte“ Stadtrat zusammentreten, die Mitglieder des neu gewählten Stadtrats werden dann schon von mir verpflichtet.

Sie sprechen gerade schon den „neuen Stadtrat“ an. Am 9. Juni finden die Kommunalwahlen statt. Wie sehen Sie die Chancen der FWG? Rechnen Sie mit mehr Sitzen? Peilen Sie die Ratsmehrheit an?

Steffen Weiß: Ich bin Realist und auch innerhalb der FWG wissen wir sehr genau, dass es eine Sensation war, mit gerade mal zwei (von 32) Stadtratssitzen die Bürgermeisterwahl zu gewinnen. Ja, wir rechnen damit, dass wir Mandate dazugewinnen, aber ob wir uns verdoppeln oder eventuell sogar 5 oder 6 Sitze erhalten, das entscheidet in einer Demokratie der Wähler. Und das ist gut so!

Natürlich sind alle gespannt, welche Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat künftig bestehen oder möglich sind. Aber alle, die jetzt schon Posten vergeben wollen, sollten sich gedulden.
Außer der Tatsache, dass ich künftig Bürgermeister sein werde, ist nur klar, dass die FWG einen neuen Fraktionsvorsitzenden braucht.

Wie bewerten Sie den aktuellen Wahlkampf? Wie ist nach dem Bürgermeisterwahlkampf die Kommunikation der politischen Akteure in der Stadt?

Steffen Weiß: Der Wahlkampf läuft nach meiner Beobachtung ähnlich wie der Wahlkampf vor der Bürgermeisterwahl, insgesamt recht ruhig und sachlich. Es gibt immer mal wieder beschädigte Wahlplakate und eben die Diskussion um Wahlflyer in Briefkästen mit Aufklebern „Bitte keine Werbung!“ Wobei hier die versehentlichen Einwürfe, die einfach passieren, nicht das Problem sind. Es ist das Ignorieren und das Behaupten von Sonderrechten für politische Werbung.

Auch Großplakatstandorte, die Gewerbetreibenden und Eventveranstaltern schon verwehrt wurden, lassen leider den Eindruck entstehen, dass Parteien und Politiker Sonderrechte genießen.
Hier wünsche ich mir mehr Respekt und Demut.

Spannend ist, dass wir im Wahlkampf inhaltliche Unterschiede schon fast mit der Lupe suchen müssen. Alle wollen Vereine fördern, Klima schützen, Kitas und Schulen stärken.
Aber keiner traut sich an Großprojekte. Ich denke, wir werden da fraktionsübergreifend in den nächsten Monaten noch das eine oder andere Projekt einkassieren und beenden.

Bemerkenswert finde ich, dass die SPD eine 12-seitige Broschüre verteilt hat, in der der bisherige SPD-Bürgermeister weder abgebildet noch genannt ist.

Die SPD-Landtagsabgeordnete wurde in der von Ihnen erwähnten Broschüre auch nicht namentlich genannt oder abgebildet. Um eines ihrer Instagram-Videos gab es in den letzten Wochen einige Aufregung. Aber obwohl Sie davon negativ betroffen waren, haben Sie es nicht öffentlich thematisiert. Wollen Sie sich dazu äußern?

Steffen Weiß: In einem sogenannten „Live Q&A“, also einer live auf der Plattform Instagram gezeigten und aufgezeichneten „Sendung“ hat Frau Dr. Rehak-Nitsche (MdL, SPD) über Hetzen und Lügen in der Politik gesprochen, viel über die AfD geredet.
Sie erzählte dann davon, dass es manchmal passiere, dass „Menschen aus Versehen Politiker abwählen, die engagiert und fähig sind, so wie es auch in ihrer Stadt passiert sei, und stattdessen Populisten wählen, die die Leute anlügen.“

Das Video haben zunächst nicht viele Menschen gesehen, so etwa sieben. Die Aufzeichnung wurde dann bis zu ihrer Löschung öfter angeschaut und ein Ausschnitt mit der böswilligen und unverschämten Passage ging geradezu viral.

Wer das Video sieht, erkennt, dass mit dem „versehentlich abgewählten fähigen und engagierten Politiker“ ihr Ehemann gemeint ist. Diese Beurteilung gestehe ich ihr nicht nur zu, sondern teile sie: Dr. Nitsche ist ein fähiger und engagierter Politiker. Aber er passt nicht als Bürgermeister nach Wörth am Rhein. Und genau das haben die Wähler nicht nur – wie etwa bei der damaligen Brexit-Entscheidung – „versehentlich“ entschieden, sondern wiederholt, mit nahezu identischem Stimmenergebnis. Ein solches demokratisches Wahlergebnis muss man akzeptieren. Dass sowas auch mal dauern kann, verstehe ich. Aber über fünf Monate nach der Wahl sollte das durch sein.

Der letzte Halbsatz, dass „stattdessen Populisten gewählt werden, die die Menschen anlügen“, ist ja dann eine Frechheit und Unverschämtheit mir gegenüber – und allen, die mich gewählt und unterstützt haben. Sie muss sich nicht persönlich bei mit entschuldigen. Aber es reicht auch nicht, nur das Video zu löschen. Ein kurzes Videostatement auf der selben Plattform eingestellt, in dem sie erklärt, dass sie mehrfach angesprochen wurde, sie sich das damals live aufgezeichnete Video selbst noch einmal angesehen hat, selbst erschrocken ist, weil da eine Aussage entstanden ist, die sie so nicht treffen wollte. Und sie das bedauere.

Aber da kam und kommt ja nichts. Viele Menschen aus der SPD sprechen mich dazu an, entschuldigen sich bei mir, sind entsetzt.

Aber ich glaube, dass wir in der Stadt Wörth am Rhein, im Stadtrat und den Ortsbeiräten, diese Art von Umgang überwinden müssen und hinter uns lassen müssen.

Sie kandidieren auch auf dem letzten Platz der FWG-Liste für den Stadtrat, können das Mandat ja aber nicht annehmen. Außerdem kandidieren Sie für den Kreistag, wissen um die umstrittene Doppelrolle, die Ihr Vorgänger auch da gespielt hat. Was sind Ihre Beweggründe?

Steffen Weiß: Zu meiner Kandidatur auf der Stadtratsliste: Gemeinsam mit der auf dem vorletzten Platz kandidierenden und von mir sehr geschätzten früheren Beigeordneten Marianne Klein lautet die Botschaft: „Wir stehen hinter dieser Liste!“ Ich erkläre auch allen (wenigen bisher), die mich darauf ansprechen, dass es keine „Scheinkandidatur“ ist. Und wir wollen doch mal sehen, wer nach den Wahlen alle seine Mandate annimmt oder nicht annimmt oder gar nicht annehmen kann.

Was die Kandidatur für den Kreistag betrifft: Da schlagen zwei Seelen in meiner Brust. Grundsätzlich finde ich es nicht gut, dass im Kreistag hauptamtliche (Verbands-)Bürgermeister und Landtagsabgeordnete sein dürfen, das sind mir zu viele offensichtliche Interessenkonflikte gegeben.

Andererseits: so lange der Landesgesetzgeber diese Möglichkeiten nicht ausschließt, wäre es nicht im Sinne der Stadt Wörth am Rhein, aus persönlicher Überzeugung eine Kreistagsmitgliedschaft nicht anzustreben, während die anderen Kommunen entsprechend vertreten sind.

Aber anders als mein Vorgänger möchte ich den Kreistag nicht zum Schauplatz parteipolitischer Scharmützel machen. Und ich werde mir im Kreistag auch der Tatsache bewusst sein, ein Mandat der Kreisbürger zu haben. Vielleicht gelingt es mir ja, den etwas „ramponierten Wörther Ruf“ im Kreistag wieder etwas zu richten.

Ja, die Stadt Wörth hat eine besondere Rolle im Kreis Germersheim. Aber wir werden dieser Rolle auch gerecht, wenn wir mit unseren starken Schultern etwas mehr tragen als andere. Was nicht heißt, dass wir einfach nur die Kreisumlage überweisen und alles hinnehmen.

Dazu noch ein Wort: Aus der Kreisumlage werden ja viele Leistungen finanziert, die den Bürgern und insbesondere auch den Kindern in unserer Stadt wieder zu Gute kommen: weiterführende Schulen, Schulsozialarbeit, Kitas, Schwimm-Initiative oder auch die Schulsporthallen in Kreisträgerschaft.

Frage: Und was sind die ersten Projekte, die Sie angehen wollen in Ihrer Amtszeit?

Steffen Weiß: Es wird sicher schwierig, eine ansprechende 100-Tage-Bilanz vorzulegen. Dazu sind die Rahmenbedingungen auch zu schwierig. Eine konstituierende Stadtratssitzung vor den Sommerferien wird sehr wahrscheinlich ohne Wahl von Beigeordneten und ohne Verabschiedung einer neuen Hauptsatzung erfolgen. Damit fangen wir dann erst im September so richtig mit der Arbeit an, haben aber auch den Haushalt für 2025 bzw. einen Doppelhaushalt für 2025/26 vor der Brust.

Ich muss vielen Vereinen, Gruppen und Personen auch weiterhin erklären, dass nicht alle Versprechen, die ihnen gemacht wurden, gehalten werden können. Neben dem Einschrumpfen vieler Projekte wird es darum gehen, die „kleinen Dinge“ anzupacken: Blühwiesen sind eine wirklich tolle Sache, aber warum das nicht auch mit einem gemähten Randstreifen zu Verkehrsflächen der Fall sein kann, verstehe nicht nur ich nicht.

Den ausufernden „Schilderwald“ aus Verkehrszeichen müssen wir dringend lichten. Das belastet nicht nur das Ortsbild, sondern belastet auch die Verkehrsteilnehmer. An der Ottstraße sieht man ja, dass auch zu viele Verkehrszeichen möglich sind und trotzdem viele Verkehrsteilnehmer dort fahren und parken wie sie gerade wollen.

Die visionären Großprojekte hatten einen weiteren Konstruktionsfehler: Sie haben Schaidt und Büchelberg außen vor gelassen.

Zum Abschluss noch die Frage nach dem Thema „erneuerbare Energien“: Geothermie, Photovoltaik, Windkraft. Wie positionieren Sie sich da?

Steffen Weiß: Wir haben als Gesellschaft und speziell auch in Wörth einen Bedarf an elektrischer Energie. Diese muss irgendwo und irgendwie produziert werden. Wenn ich rückblickend auf das Pfingstwochenende schaue und die Kraft des Wassers sehe, vor deren zerstörerischer Kraft uns Feuerwehr, THW, Bauhof und viele andere Akteure bewahrt haben, finde ich es schade, dass wir ausgerechnet kein Projekt haben, das auf Wasserkraft setzt.

Aber der Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose. Atomenergie aus Frankreich war letztes Jahr problematisch, Kohlekraftwerke haben keine Zukunft, Gaskraftwerke ebenso wenig. Das, was wir an Geothermienutzung zusammen mit Daimler Truck und EnBW projektiert haben, hat nichts mit der Erzeugung von elektrischer Energie zu tun, da geht es um Wärmegewinnung.

Also bleiben uns als lokale Lösungen für die Energieerzeugung Photovoltaik und möglicherweise die Windkraft. Ja, da haben wir jetzt als Stadtrat gerade Geld bewilligt, damit die Neue Energie Wörth, gemeinsam mit anderen kommunal getragenen Partnern Gutachten erstellen lassen kann, inwieweit die Fläche des ehemaligen US-Depots an der K15 zwischen Dorschberg und Langenberg geeignet ist. Ob sie ausreichend „windhöffig“ ist, ob und wie viele Windkraftanlagen dort aufgestellt werden könnten. Das ist eine Maßnahme, bei der die Mitglieder des Stadtrats nicht restlos begeistert die Hände gestreckt haben. Es gab auch Enthaltungen und Gegenstimmen. Aber eine deutliche Mehrheit geht den Weg mit, dass wir uns erst einmal ausreichend Daten und Fakten beschaffen.

Die ausgewiesene Fläche ist 444 Hektar groß, dennoch eine kleine Teilfläche am Rande des Bienwalds. Wirklich benötigt würden am Ende 7 oder 8 Hektar. Diese Fläche wurde vom Landesforst identifiziert und zur Verfügung gestellt. Wenn wir als Stadt nicht aktiv werden, kommt ein Investor.

Ich habe Verständnis, wenn Menschen gegen Windkraft sind, wenn Menschen nicht wollen, dass Bäume gefällt werden, um solche Anlagen aufzustellen. Ich habe kein Verständnis, wenn eine verkürzt wiedergegebene Entscheidung aus dem Stadtrat dazu führt, dass Menschen Stadtratsmitglieder beschuldigen, beleidigen und sich keiner sachlichen Diskussion stellen.

Politische Streit- und Diskussionskultur ist für mich ein zentrales Thema. Da müssen wir wieder besser werden – nicht nur in Wörth am Rhein.

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