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Angespannte Lage bei Demos in Kandel – Antifa blockiert „Frauenbündnis Kandel“-Kundgebung – Viel Gegenprotest von Kandeler Bündnissen

An der Kreuzung Hauptstraße/Rheinstraße/Bahnhofstraße standen sich linke und rechte Gruppierungen gegenüber – getrennt durch eine mehrfache Polizeikette. 
Fotos (Fotostrecke am Textende): Pfalz-Express/Licht/HL

(aktualisiert) Kandel –  In Kandel wurde wieder demonstriert. Sechs Versammlungen waren angemeldet.

Mit dabei: „WIR sind Kandel“, „Die Partei“, „Kandel gegen Rechts“, Mahnwache Männerchor Wörth, das „Frauenbündnis Kandel“, „Die Partei Volksbingo Reisegruppe“.

Etwa 300 „Frauenbündnis Kandel“-Teilnehmer standen nach Polizeieinschätzung zirka insgesamt 400 Teilnehmern der Gegendemonstranten entgegen. Letztere befanden sich allerdings an verschiedenen Punkten in Kandel. Es war mit Ausnahme der Demo vom 24. März mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer [1] das erste Mal, dass die Zahl der Gegendemonstranten höher war als die des „Frauenbündnisses Kandel“.

Marco Kurz, Initiator des „Frauenbündnisses Kandel“, sagte, dass Busse mit Teilnehmern nicht angekommen seien, weil Gegendemonstranten die Straße blockiert hätten.

Politiker nehmen Stellung

Bei der Versammlung von „WIR sind Kandel“ vor der Verbandsgemeindeverwaltung sprachen unter anderem der SPD-Landtagsabgeordnete Alexander Schweitzer – der eine Stunde zuvor schon am Bahnhof bei „Kandel gegen Rechts“ eine Rede gehalten hatte -, Dr. Dennis Nitsche für das Bürgerbündnis der Stadt Wörth (ebenfalls zuvor am Bahnhof), Lukas Hartmann, Landesvorstand BÜNDNIS 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz und Rüdiger Stein, DGB Regionsgeschäftsführer Vorder- und Südpfalz. Dazwischen gab es Livemusik von „Miri in the Green“.

Alexander Schweitzer appellierte an die verschiedenen Kandeler Bündnisse, nicht gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten. Alle Demokraten müssten sich rechten Populisten entgegenstellen, das Ziel sei dasselbe, so Schweitzer. Deshalb seien Zersplitterungen und gegenseitiges Abwerten absolut kontraproduktiv.

Gemeinsam wolle man für eine Welt kämpfen, in der Herkunft, Hautfarbe oder Religion keine Rolle spiele und weiter freie Meinungsäußerung herrsche. Außerdem könnten „etwas mehr Parteifarben“ bei den antifaschistischen Kundgebungen zu sehen sein, wünschte sich Schweitzer.

„Alle Aktionen sind nützlich“

Lukas Hartmann betonte (ebenso wie Alexander Schweitzer), dass alle Aktionen, ob Stricken, Backen oder Ähnliches, nicht verächtlich gemacht werden sollten. „Jeder trägt auf seine Weise zum Erfolg bei.“

Unterstützung aus Wörth

Wir sind die Mehrheit in diesem Land“, sagte Dennis Nitsche und begrüßte aus seiner Heimatstadt die Fußballvereine Wörth und Maximiliansau, den „Handball“, den TV Maximiliansau, die christliche Gemeinde, die islamische Gemeinde und Vertreter aller Fraktionen im Stadtrat: „Wir sind Wörth – und Wörth ist bei Kandel“.

Es gebe wieder „Nazi-Terrorbanden“ im Land, „geistige Brandstifter, die ihre politischen Machtphantasien auf dem Elend von Minderheiten aufbauen wollen.“

Dagegen stünde man hier, so Nitsche: “Wir verteidigen unsere Gesellschaft, wir verteidigen das friedliche Zusammenleben, wir verteidigen uns gegenseitig gegen Übergriffe des rechten Lagers. Ich bitte Euch inständig: Haltet zusammen, schaut nicht zu, wie Randgruppen und Minderheiten schikaniert werden.“

Nitsche wartete mit Zahlen über Härteleistungen des Staats für Opfer rechter Gewalt auf. Laut Nitsche stiegen die Leistungen ab 2015 von 202.000 Euro bis 2018 (bislang) auf 451.000 und 32.000 Euro für die Opfer aller anderen Gewalttäter.

„Antifa“ gegen „Frauenbündnis Kandel“

15 Uhr: Marco Kurz vom „Frauenbündnis Kandel“ hatte mehrfach die Versammlung unterbrochen, weil die „Antifa“ Lärm mit Tröten (eine davon elektrisch) machte. „Antifa“-Leute waren zuvor in der Bahnhofstraße von ihrer Route ausgebrochen, rannten hinter der VR-Bank zur Hauptstraße und standen plötzlich an der Kreuzung Hauptstraße/Rheinstraße 20 Meter von Kurz´ Kundgebung entfernt.

Die beiden Parteien kamen sich zeitweise bis auf wenige Meter nahe, getrennt nur durch mehrere Reihen von etwa 40 Polizeibeamten.

Räumung gefordert

Kurz hatte die Polizei aufgefordert, die Stelle räumen zu lassen – die Polizei kann das aber nur auf Anweisung der Versammlungsbehörde. Sie forderte die Tröter auf, dies zu unterlassen. Getrötet wurde trotzdem. Es entstand eine Patt-Situation, die sich fast zwei Stunden hinzog.

„Bewusste Provokation“

Ein Redner mit Namen „Klaus“ (Nachname soll nicht benannt werden und ist der Redaktion auch nicht bekannt) warf  den Gegendemonstranten bewusste Provokation vor. Dort wolle man erreichen, dass es Straftaten ausgelöst würden, meinte „Klaus“. Weiter kritisierte er (die Rede wurde kurz danach ebenfalls unterbrochen), dass die „Gegenseite“ sich einer Diskussion verschließe und unbequeme Wahrheiten nicht hören wolle.

Marco Kurz ging auf den Tod der 15-jährigen Mia [2] ein (der ursprünglich der Auslöser der Demonstrationen war) und kritisierte eine Gesellschaft, die vorgebe und Jugendliche in dem Glauben erziehe, „alle sind gleich“.

Die Teilnehmer des „Frauenbündnisses Kandel“ brachen dann auf in Richtung Humboldtstraße/Nansenstraße.  Auch dort hatten sich Mitglieder von „Kandel gegen Rechts“ und der Satirepartei „Die Partei“ in den Höfen von  mehreren Wohnanwesen postiert – mit Tröten, Plakaten und „Doppelten Kandlern“ (Holzfiguren). Ein Mann bearbeitete den Boden mit einer Bohrmaschine.

Kurz sah das wiederum als einen Angriff auf die Gesundheit der Teilnehmer seiner Versammlung und kündigte Strafanzeigen an. Letztendlich kam der Zug unbeschadet am Ziel (gegenüber SBK) an, wo mit weiteren Reden, Liedbeiträgen (unter anderem von Sängerin Julia Juls) und einer Gedenkminute für „Mia und andere Opfer“ die Kundgebung zu Ende ging.

Polizei zwischen allen „Stühlen“

Die Lage in Kandel war zeitweise angespannt. Die Polizei blieb jedoch ruhig und ließ sich von keiner Seite provozieren. Dankbar war die Aufgabe nicht. Gegendemonstranten riefen „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“. Von der anderen Seite – nachdem die Polizei der Aufforderung nach einer Räumung nicht nachgekommen war – schallte es „Schande Polizei“ anstatt wie sonst üblich „Danke Polizei“.

Die Polizisten haben auch noch immer keine Ohrenschützer, wie ein Beamter dem Pfalz-Express sagte. Das Innenministerium hat bislang vermutlich aus Kostengründen keine genehmigt. Es handelt sich um eine spezielle Ausstattung, mit der einerseits das Gehör geschützt wird, aber Funkverkehr trotzdem möglich ist.

Polizei meldet Straftaten

Während und vor den Versammlungen wurden der Polizei bislang folgende Straftaten bekannt (Originaltext der Polizei): „Bei einer Widerstandshandlung einer männlichen Person des linken Spektrums in der Rheinstraße wurden drei Polizeibeamte leicht verletzt. Zuvor war es zu einer Bedrohungshandlung durch die Person gekommen.

Zwei Personen des linken Spektrums wollten am Sparkassenplatz eine Absperrung durchbrechen, anschließend griff eine der beiden Personen einen Diensthund der Polizei an und wurde von diesem gebissen [3].

Im Verlauf des Aufzugs des rechten Spektrums kam es außerdem zu einem Hausfriedensbruch in der Humboldtstraße sowie einem Pfefferspray-Einsatz der Polizei, um Veranstaltungsteilnehmer beider Spektren zu trennen. Während den Versammlungen kam es zudem zu einigen Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten.“

Zudem sei es wegen der Vielzahl der Versammlungen zu Verkehrsbehinderungen in weiten Bereichen der Stadt gekommen, so die Polizei.

(cli/aktualisiert)

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