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Tötungsdelikt in Germersheim: Schlägerei im Gerichtssaal nach Urteilsverkündung – Angeklagter muss achteinhalb Jahre in Haft

Tumulte und Prügeleien nach der Urteilsverkündung. Fotos: pfalz-express.de/Licht [1]

Tumulte und Prügeleien nach der Urteilsverkündung.
Fotos: pfalz-express.de/Licht

Landau/Germersheim – Am Landgericht in Landau wurde am 20. April in der letzten Runde des Totschlagsprozesses gegen einen 38-Jährigen aus Germersheim das Urteil verkündet.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 38-jährige im September letzten Jahres auf einem Feldweg bei der Südpfalzkaserne seinen langjährigen Freund, einen 39-jährigen Türken, im Streit getötet [2] hatte und verurteilten den Angeklagten zu achteinhalb Jahren Haft. Das Gericht ordnete zudem ein Drogen-Entzugstherapie in einer Klinik an.

Der Mann hatte so lange auf sein Opfer eingeprügelt und getreten, bis dieses starb.

In das Urteil mit ein floss ein weiteres Vergehen: Der Angeklagte hatte einen Fußgänger in Germersheim angegriffen – ebenfalls Türke -, der sich dann in einen Netto-Markt rettete und von einer Angestellten im Lager versteckt wurde.

„Keine einfache Entscheidung“

Man habe es sich nicht leicht gemacht, sagte der vorsitzende Richter, der länger als üblich auf die Gründe für das Urteil einging.

Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Jahre Haft wegen Totschlags gefordert. Die drei Nebenkläger – Familienangehörige des Opfers – sahen hingegen den Tatbestand des „vollendeten Mords“ erfüllt und wollten eine lebenslange Haftstrafe erreichen.

Der Verteidiger des Angeklagten, der bekannte Landauer Rechtsanwalt Bernd Lütz-Binder, plädierte für eine Strafe unter fünf Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Sein Mandant habe aus Notwehr gehandelt.

V.li: Verteidiger Lütz-Binder, Angeklagter, Richter. (Gesichter zum Persönlichkeitsschutz verpixelt). [3]

V.li: Verteidiger Lütz-Binder, Angeklagter, Richter.
(Gesichter zum Persönlichkeitsschutz verpixelt).

Die Kammer habe sich viel Mühe gegeben, das Tatgeschehen auch im Umfeld aufzuklären, sagte der Vorsitzende Richter.

Eine ursprüngliche geplante Tötungsabsicht sah die Kammer nicht. Immerhin seien die beiden Männer Freunde aus Kindertagen, hätten am Abend zuvor noch eine Fahrt nach Frankfurt unternommen, um gemeinsam Drogen zu kaufen, die der Angeklagte sogar bezahlt habe.

Am Morgen des Tat-Tages hätten die beiden Männer nachweislich noch miteinander gefrühstückt.

Berücksichtigen müsse man ebenso den psychischen Zustand des Täters, der immer wieder drogenbedingte psychotische Schübe [4] gehabt haben soll. Der medizinische Gutachter hatte dem Angeklagten aber dennoch volle Schuldfähigkeit bescheinigt.

Der Angeklagte, Russlanddeutscher aus Kasachstan, kam als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland. Er habe eine „schwierige Persönlichkeit“, sei aber zuvor ohne nennenswerte Straftaten gewesen und aktenkundig nicht auffällig, so der Richter.

Das tatsächliche Tatmotiv konnten die Richter nicht eindeutig eruieren. Möglicherweise hätten Geld, Drogen und die Eifersucht des Angeklagten eine Rolle gespielt. Dieser hatte während seiner beiden Ehen stets ein Verhältnis seiner jeweiligen Frau mit dem Opfer vermutete, was beide Ex-Frauen in einer früheren Anhörung dem Gericht jedoch glaubhaft widerlegen konnten.

Die Kammer kam zu dem Schluss, dass der Angeklagte, bei dem zur Tatzeit Kokain Konsum nachgewiesen werden konnte, am Tag der Tat persönlichkeitsbedingt einen „emotionalen Durchbruch“ wegen seines Drogenkonsums und Schlafentzug erlitten habe.

Dass der Mann seinen Freund aber auf äußerst brutale Art getötet habe, stehe außer Zweifel. Notwehr sei eine Schutzbehauptung des Angeklagten, betonte der Richter.

Man habe eindeutig feststellen können, dass das Opfer auf dem Rücken lag – von einem Angriff offenbar überraschend zu Fall gebracht – als es vom Täter ins Gesicht, an den Hals und in die Genitalien getreten wurde.

Stampfschritte auf den genannten Körperteilen mit Schuhabdrücken des Angeklagten hätten dies bewiesen. Ein eindeutiger DNA-Nachweis von der blutigen Hose des Anklagten komplettierte die Beweisführung.

Dennoch sei so mancher Sachverhalt lückenhaft geblieben, sagte der Richter. Und Lücken dürften eben nicht mit Vermutungen ausgefüllt werden, man müsse sich mit dem zufrieden geben, was beweisträchtig festgestellt worden sei. Es gelte in einem solchen Fall immer: In dubio pro reo (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“).

Blitzangriff auf den Angeklagten

Nach der Urteilsverkündung kam es im Saal zu Tumulten und Schlägereien. Ein Angehöriger des Opfers sprang auf den Tisch des Angeklagten und griff diesen an – der Saal mit den etwa 30 meist türkischstämmigen Zuschauern explodierte.

Männer rangelten miteinander, schubsten und schrien, manche versuchten, den Angreifer zurückzuziehen. Der Tumult entwickelte sich völlig unübersichtlich. Frauen weinten, die Justizbeamten kämpften darum, die Situation wieder in den Griff zu bekommen.

Letztendlich gelang es den Beamten, den zornigen Verwandten des Opfers zu überwältigen und mit Handschellen auf dem Fußboden zu fixieren. Er wird wohl mit einem gerichtlichen Nachspiel rechnen müssen.

Die aufgebrachte Menge wurde von den Justizbeamten nach dem Vorfall zügig hinaus bugsiert. (cli)

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