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Tag der offenen Gesellschaft in Kandel und Demo von „Frauenbündnis Kandel“: „Kurz“-Gespräch mit politischem Gegener

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Blick auf das „Plätzel“ mit der Tafel zum Tag der offenen Gesellschaft.
Fotos: Pfalz-Express/Licht
Fotogalerie am Textende

Kandel – Die Bürgergemeinschaft Kandel hatte am Samstag zusammen mit dem Bündnis „WIR sind Kandel“ zum Tag der offenen Gesellschaft eingeladen – und Viele kamen.

Auf dem „Plätzel“ hinter der St. Georgskirche standen bunt geschmückte Tische und Bänke, man aß, trank und unterhielt sich im Schatten der großen Linde.

Das Bündnis steht für eine offene und tolerante Gesellschaft. Die Stimmung war augenscheinlich gut, die Gespräche angeregt. Die Teilnehmeranzahl zu schätzen ist schwierig, weil im Lauf des Tages Leute kamen und gingen. Um die Mittagszeit waren etwa 50 bis 60 Personen dort.

Nahezu jeder hatte etwas zu essen mitgebracht und so bleib genug übrig für Überraschungsgäste und Spontanbesucher ohne Proviant.

Demo-Teilnehmer: „Viele kritische Fragen“

Einige Meter weiter auf dem Marktplatz versammelten etwas über 100 Anhänger des „Frauenbündnisses Kandel“ um Initiator Marco Kurz, der die Versammlung als Gegendemonstration angemeldet hatte.

Sie trugen Plakate, auf denen die Namen von Frauen und Mädchen standen, die mutmaßlich von Migranten getötet wurden. Später zogen sie durch die Hauptstraße und skandierten „Gebt auf eure Kinder acht, Merkel ist noch an der Macht“ oder „Kandel ist Deutschland“.

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Klaus H., ein Demonstrant des „Frauenbündnisses Kandel“, der von Bad Bergzabern nach Kandel gekommen war, sagte dem Pfalz-Express, er nehme teil, weil es in der Asylpolitik „sehr viele kritische Fragen“ gebe.

Er sei nicht „rechts“, nein, das gewiss nicht. Aber die Versäumnisse im BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) seien nicht mehr hinnehmbar, die „täglichen Meldungen über Migrantenkriminalität“ erschreckend. „So viele handwerkliche Fehler, Skandale, eine schlechte Asylpolitik“ – da müsse man etwas dagegen tun, meint Klaus H.

„Falscher Weg“

Unten auf dem Plätzel hörte man andere Töne. Zwar sehe man durchaus, dass Einiges schief gelaufen sei beispielsweise bei Asylanträgen. Aber alle Flüchtlinge über einen Kamm zu scheren, die Taten Weniger auf alle Zuwanderer auszubügeln und diese zu instrumentalisieren sei von Grund auf falsch, erklärte eine Teilnehmerin dem Pfalz-Express.

Nah beieinander und meilenweit entfernt

Später rückten Mitglieder von „Kandel gegen Rechts“,  von „antifaschistischen Gruppen“ (im Sprachgebrauch allgemein „Antifa“ genannt) und die Demonstranten um Marco Kurz auf dem Marktplatz in Hör- und Sichtweite zusammen.

Die einen sangen die „Internationale“ und „Ihr könnt nach Hause gehen“, die anderen konterten mit „Kümmern Euch eure Kinder nicht?“ oder „Dummköpfe“.

PEX fragte Marco Kurz, was er sich von den Demonstrationen verspricht, was er von den Gegendemonstrationen hält und ob Bürgermeister Poß nicht die falsche Adresse für Rücktrittsforderungen ist.

PEX wies zudem darauf hin, dass der Verbandsbürgermeister die Flüchtlinge zugeteilt bekommen hatte (nach dem Königsteiner Schlüssel, Anm.d.Red.) und gar nicht anders hätte handeln können.

Poß hatte stets darauf geachtet, die Asylbewerber über die ganze Verbandsgemeinde zu verteilen, um keine Massenunterkunft errichten zu müssen und um eine Ghettoisierung mit möglichem Gewaltpotenzial zu vermeiden.

Was will Kurz in Kandel?

Diese Frage wird von vielen Kandeler Bürgern immer wieder gestellt. Marco Kurz sagte, er sehe die Kundgebungen wie ein „Buch, das ein Ende haben muss.“ Er hoffe, dass die Demonstrationen in Kandel nicht dauerhaft notwendig seien. Solange aber die Forderungen des „Frauenbündnisses Kandel“ nach Konsequenzen aus der Tötung von Mia V. [3]nicht erfüllt würden – so lange wolle er weitermachen.

Lehrern, Bürgermeistern oder Verwaltungsangestellten, die mit dem mutmaßlichen Täter vor der Tat befasst waren, wirft Kurz vor, die Gefährlichkeit und das tatsächliche Alter von Abdul D. nicht erkannt und keine Altersgutachten angefertigt zu haben (Abdul D. wurde in den Akten als 15-Jähriger geführt. Ein späteres Gutachten [4] ermittelte ein höheres, wenn auch kein exaktes Alter [5]).

Auch die Probleme, die Männer aus einer komplett patriarchalisch ausgerichteten Kultur mitbrächten, seien ignoriert worden.

Die Gegendemonstranten registriere er nicht wirklich. „Sie nehmen ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahr.“ Das Zeigen des „Stinkefingers“ von Seiten der Gegendemonstranten sei indes nicht dienlich.

In der Gruppe der Kurz-Gegner ist man gleichermaßen hartnäckig. „So lange er kommt, sind wir auch da.“ Man wolle Gesicht zeigen, den öffentlichen Raum nicht „Rechtspopulisten überlassen, die rassistische Ansichten verbreiten.“

Auch ein oder zwei Mitglieder der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ habe man – wieder einmal – unter Kurz´Anhängern ausgemacht. Erst knapp eine Woche zuvor hatten zwei Fotojournalisten in einem Bildvortrag [6] den Kandeler Demos eine Sogwirkung für Rechtsextreme aus ganz Europa bescheinigt.

Die Entwicklung gehe generell in Richtung „offene Gesellschaft“, so ein Sprecher von „Kandel gegen Rechts“, “ aber sie arbeiten dagegen.“ Sicher seien auch nicht alle Demo-Teilnehmer rechter Gesinnung im üblichen Sinn. „Aber sie laufen mit ihnen.“ Deshalb müsse man sie wohl auf eine gewisse Art und Weise auch dazu zählen.

Persönliches Gespräch gewünscht

Den Wunsch eines von „Kandel gegen Rechts“-Mitglieds, den „Frauenbündnis Kandel“-Frontmann Marco Kurz persönlich zu sprechen, übermittelte der Pfalz-Express. Kurz sagte zu und begab sich in den Kreis seiner Gegenspieler.

Eine Sprecherin sagte zu Kurz, er habe nicht das Recht, hier in Kandel zu sein. Das habe er sehr wohl, antwortet Kurz. Ein anderer wollte wissen, warum Kurz und seine Anhänger nicht in Neustadt demonstrierten, wo der mittlerweile des Mordes angeklagte Afghane gewohnt hatte. Kurz sagte, dass Mia ihren Mörder in Kandel kennengelernt habe.

Ein Sprecher der „Kurpfälzisch Kurfürstlichen Antifa“ warf Kurz vor, „fremdenfeindliche Alibiveranstaltungen“ abzuhalten und nur zu demonstrieren, wenn der Täter ein Ausländer sei. Kurz schlug vor, die Liste Deutscher und ausländischer Täter nächstes Mal zu vergleichen. Der „Antifa“-Sprecher nannte Kurz einen „Populisten der schlimmsten Sorte“.

Die Diskussion wurde besonders von Seiten der „Antifa“ hochemotional geführt. Als zwei Frauen aus den verschiedenen Gruppen wegen Foto-Aufnahmen aneinander gerieten, ging die Polizei dazwischen, die Diskussion löst sich auf. Die bislang einzige direkte Begegnung zwischen den beiden Parteien – man ist geneigt, sie verfeindet zu nennen – hatte etwa fünf Minuten gedauert.

Die Kundgebung auf dem Marktplatz war danach zu Ende, auf dem Plätzel saß man noch länger beisammen, genoss Essen und Gespräche mit Gleichgesinnten.

Das „Frauenbündnis Kandel“ kündigte an: „Wir kommen wieder“. Seine Gegner werden wieder da sein: „Keinen Fußbreit den Faschisten.“ In Kandel geht es weiter wie gehabt. (cli/aktualisiert) 

Anmerkungen der Redaktion: 

  1.  Leider können wir dieses Mal wegen technischer Probleme kein Videomaterial bereitstellen.
  2.  Der Pfalz-Express berichtet von Ereignissen nach bestem Wissen und Gewissen neutral, beschreibend und ohne Meinungsfärbung, damit sich Leser, die nicht vor Ort waren, ein Bild machen können. Einen Anspruch auf Vollumfänglichkeit gibt es nicht, da unsere Mitarbeiter nicht die komplette Veranstaltung von der ersten bis zur letzten Minute begleiten konnten.
  3.  Kommentare werden nur veröffentlicht, wenn sie respektvoll und argumentativ sind, sich auf das Thema beziehen und – falls Fakten aufgeführt werden –  diese korrekt sind.
  4. Einige Fotos wurden nachträglich auf Wunsch der abgebildeten Person gelöscht.

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