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AfD-Chef Jörg Meuthen in Jockgrim: „EU muss reformiert werden“

Wahlkampfveranstaltung in Jockgrim: V. li.: Jörg Meuthen, Heiko Wildberg, Matthias Joa, Uwe Junge.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Jockgrim – Wenn AfD-Politiker sich ankündigen, ist Gegenprotest meist nicht weit. So auch am Samstagabend in Jockgrim, wo sich etwa 40 Aktivisten gegenüber des Bürgerhauses versammelt hatten.

Erwartet wurde ein AfD-“Hochkaräter“, der Bundesvorsitzende und Europa-Abgeordnete (EFDD) Prof. Jörg Meuthen. Der AfD-Landesvorsitzende Uwe Junge, der südpfälzische AfD-Bundestagsabgeordnete Dr. Heiko Wildberg und der Landtagsabgeordnete für den Kreis Germersheim, Matthias Joa, komplettierten das Quartett.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren unauffällig, aber hoch, die Polizeien von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beiderseits zuständig. Meuthen und Junge betraten das Gebäude von mehreren Personenschützern begleitet durch einen Seiteneingang. Im Innern angelangt, warfen sie durch ein kleines Fenster einen Blick auf die Demonstranten. Meuthen interessierte sich für die Kandeler „Omas gegen Rechts“, von denen er schon gehört hatte.

Joa: „Mehr hochqualifizierte Migranten“

Im Saal warteten fast 400 Personen und begrüßten die AfD-Politiker mit donnerndem Applaus. Den Anfang in der „AfD-Hochburg des Westens“ (Joa) machte Matthias Joa, der erneut den Ablauf des Demokratiefests in Wörth [1] im Januar kritisierte. Joas Rede in Wörth wurde damals durchgehend von Pfeif- und Trillerkonzerten begleitet. Den Veranstaltungsort habe er nur mit Polizeischutz erreichen können, sagte er.

Seinen Vortragsfokus in Jockgrim legte er auf auf das Thema „unqualifizierte Migration“ und der seiner Meinung nach damit verbundenen finanziellen und demografischen Probleme auf lange Sicht. Hochqualifizierte Fachkräfte würden wegen schlechter Bezahlung und Förderung ins Ausland abwandern, während un- oder minderqualifizierte Migranten einwanderten.

Man brauche aber dringend hochqualifizierte Einwanderer, ebenso leistungsfähige Schulen und „keine Stuhlkreise“. Deutschland verliere zudem komplett den Anschluss an die Zukunftstechnologien.

Wildberg: „Enteignung schafft keine Wohnungen“

Heiko Wildberg („bei dem vollen Saal können sich die anderen Parteien gleich zehn Scheiben abschneiden“) widmete sich der Alterssicherung, der Wohnungspolitik, der inneren Sicherheit und dem Klimawandel. Letzterer sei unzweifelhaft da, aber er sei nicht menschengemacht, meint Wildberg. Wer das nicht so sehe, werde sehr schnell als „Klimarassist“ angesehen. Diesbezüglich sei er gelassen – auch was die Bezeichnung „Rechtspopulist“ angehe. „Ich bin sogar promovierter Rechtspopulist“, feixte Wildberg unter dem Gelächter des Publikums.

Enteignungen von Wohnungskonzernen lehnt er strikt ab, plädiert dafür für Wohnungsneubau: „Durch Enteignung schaffe ich keinen einzigen Quadratmeter neuen Wohnraum.“

Die Polizei müsse gestärkt („Sicher leben dürfen ist eine der Kernaufgaben unserer Partei“) und die Bundeswehr besser ausgerüstet werden, sagte Wildberg. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) „schlendert von Skandal zu Skandal“ und erfahre keinerlei Konsequenzen.

Junge: „Deutschland noch zu retten?“

Bei Uwe Junge wurde es richtig dramatisch. „Ist Deutschland noch zu retten?“ hatte er sich als Titel für seine Rede ausgesucht. Eine verbale Salve nach der anderen feuerte der Oberstleutnant a.D. in Richtung der anderen Parteien. Die „Eliten“ hätten den Respekt vor der Volksmeinung verloren, sicherten sich ihre Pfründe mit hohen Posten („vom Kreissaal über den Hörsaal in den Plenarsaal“).

Es sei an der Zeit, dass man die „vaterlandslosen und pflichtvergessenen Typen“ durch demokratische Wahlen aus dem Amt jage. Es müssten „gute patriotische Demokraten sein, die in den Parlamenten dienen und nicht nur verweilen.“

Die AfD bekenne sich zu einer reformierten EU, ebenso zu einer Einbindung in eine reformierte Nato, aber klar sei auch: Ohne Einbindung Russlands könne es keinen dauerhaften Frieden geben.

Junge sprach zudem von einem Sicherheitsproblem im Land. Deutschland sei nicht so sicher, „wie es uns die Verantwortlichen weis machen wollen“, sagte er und nannte dazu einige Zahlen. Die Polizei schiebe im Übrigen 1,4 Millionen Überstunden vor sich her. Man habe einen Kontrollverlust im Land, weil „rot-grüne Ideologen ein Problem mit staatlicher Autorität haben.“ „Rot-Grün“ bezeichnete er als „handfeste Beobachtungsfälle“. Den Kampf gegen den linken und den rechten Extremismus werde man „auf allen Ebenen fördern“.

Junge sprach außerdem ebenso wie Joa von einem „doppelten Migrationsproblem“ (Abwanderung Fachkräfte, Zuwanderung ungelernter Kräfte). Auch eine „schleichende Islamisierung Europas“ müsse verhindert werden.

Meuthen: „Opa gegen Links“

AfD-Chef Jörg Meuthen bewies durchaus Entertainment-Qualitäten, spickte seine fast einstündige Rede zur EU immer wieder mit Witzen, ironischen Anspielungen und Wortspielen.

Meuthen ist der letzte verbliebe von insgesamt ursprünglich sieben AfD-Abgeordneten im Europaparlament und hofft nun auf einen großen Wahlerfolg seiner Partei bei der Europawahl am 26. Mai.

Der Einstieg: „Der Opa gegen Links“ erzählt jetzt mal den Omas gegen Rechts da draußen ein bisschen was“. Im Gegensatz zu den von politischen Gegnern behaupteten Gerüchten sei die AfD nämlich keineswegs ein „Dexit-Partei“. Meuthen nannte exemplarisch Manfred Weber [2], den Spitzenkandidaten der EVP. Offenbar litten viele Parteien an „Leseschwäche“: „Ein Blick in unser Parteiprogramm reicht.“

Die AfD stehe sehr wohl zur Europäischen Union, so Meuthen. Man strebe jedoch eine Reformation an „Haupt und Gliedern“ an. Erst wenn das überhaupt nicht möglich sei, sehe man einen „Dexit“ als letzte aller Möglichkeiten an. Damit müsse man drohen, „wenn man so einen Laden reformieren will.“

Von „Hofschranzen und einer permanent umerziehenden EU-Kommission“ war die Rede. Meuthen schoss sich ein wenig auf Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Manfred Weber (der Kommissionspräsident werden möchte) und Junckers Stellvertreter Frans Timmermans (PvdA/SPE, Erster Vizepräsident in der Kommission Juncker) ein. Juncker sei meist „unpässlich“, Weber verrate die deutschen Energieinteressen, indem er im Fall seines Wahlsiegs das Nord Stream II Projekt [3] beenden wolle und Timmermans sei eh ein verbohrter Ideologe, so Meuthen sinngemäß.

In der „Brüsseler Blase“ passierten die unglaublichsten Dinge wie beispielsweise die Eingabe einer Grünen-Abgeordneten, nach der Frauen bei der Klimagerechtigkeit benachteiligt seien und die Gendergleichheit darunter leide. Die Abgeordnete habe die Zustimmung der anderen Parteienvertreter erhalten, was er, Meuthen, zuerst nicht habe glauben können. „Das war wie bei der ´Versteckten Kamera`“.

Verordnungswut kritisiert

In der Folge unterhielt er die Zuhörer mit Anekdoten über EU-Verordnungen wie die zehnseitige „Pizza Napolitana-Verordnung“, die binnenmarktkonforme Schnullerketten-Verordnung oder die „Verordnung zu elektrischen Leitfähigkeit des Honigs“ („Ich lerne ständig etwas dazu“).

Für außerordentliche Heiterkeit sorgte die europäische „Kondom-Verordnung“, nach der ein Kondom ein Fassungsvermögen von fünf Litern Flüssigkeit haben muss („Das scheint mir etwas überdimensioniert“). „Hperbürokratismus“ sei das, so Meuthen, der mehr schade als nutze, weil wirklich wichtige Dinge auf der Strecke blieben. Weiter kritisierte er die neue Datenschutzgrundverordnung [4] („macht im Alltag wahnsinnig“) und den Uploadfilter-Beschluss.

„Arbeitsmarkt nicht europäisch regeln“

Verordnungen zum Arbeitsmarkt sieht der Ökonom Meuthen in der Zuständigkeit der entsprechenden Mitgliedsländer besser aufgehoben. Die Gründe für Arbeitslosigkeit seien im Osten Deutschlands andere als beispielsweise in Südspanien und müssten mit jeweils eigenen passenden Mitteln bekämpft werden.

„Keine europäische Armee“

Einer europäischen Armee erteilte Meuthen eine Absage. Im Schluss bedeute eine gemeinsame Armee, dass sich Deutschland an deren Einsätzen beteiligen müsse, ohne gleichberechtigt zu sein. „Herr Macron teilt sicher nicht die Schlüssel zu seinen Atomraketen mit uns.“ Wenn man bedenke, „welches Chaos die Franzosen in Libyen angerichtet haben“, könne Deutschland froh sein, nicht mitgemacht zu haben.

Der AfD wird oft vorgeworfen, Ängste zu schüren. Meuthen drehte den Spieß um und warf den Grünen ihrerseits vor, eben das zu tun, nämlich eine „Klimaangst“ zu hypen. Die Grünen lebten praktisch davon, anderen Angst zu machen, so Meuthen. Greta Thunberg [5] (16-jährige schwedische Klimaaktivisten) werde dermaßen instrumentalisiert, dass es schon fast Kindesmissbrauch sei.

Am Ende bekräftigte Meuthen seine Absicht, eine Allianz mit den rechten Parteien anderer europäischer Länder weiter zu schmieden. Viele hätten sich bereits angeschlossen, man sei nicht allein.

Zum Schluss der Veranstaltung beantworteten die vier Politiker noch Fragen aus dem Publikum. Von den Kandidaten für die ebenfalls am 26. Mai stattfindenden Kommunalwahlen [6] wurde ein Gruppenfoto auf der Bühne geschossen. (cli)

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag dient allein der Information. Unsere Artikel beschreiben Ereignisse in ihrem Ablauf und geben nicht die Meinung der Redaktion wider.

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