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1. Mai-Feier in Kandel mit Ministerin Bätzing-Lichtenthäler: „Toleranz im Namen und Menschlichkeit im Herzen“

V.li.: Hellgard Penno (Organisator) und Ralf Köhler (beide IG Metall Neustadt), Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, SPD-Bundestagsabgeordneter Thomas Hitschler , Kandels Stadtbürgermeister Günther Tielebörger und Inge Heimer von den „Omas gegen Rechts“.
Fotos: Pfalz-Express/Licht
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Kandel – Europa, der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und Rechtspopulismus standen im Fokus der Maifeier des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Das Motto: „Europa. Jetzt aber richtig!“ 

Gefeiert wurde der Tag der Arbeit an der Grillhütte mit der rheinland-pfälzischen Arbeits-, Gesundheits- und Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), dem SPD-Bundestagsabgeordneten Thomas Hitschler, Ralf Köhler von der IG Metall Neustadt, Stadtbürgermeister Günther Tielebörger (SPD) und den Bündnissen „Kandel gegen Rechts“, WIR sind Kandel“ und den „Omas gegen Rechts“.

Tielebörger: „Flagge zeigen“

Tielebörger appellierte, am 26. Mai zur Wahl zu gehen (Europa-Wahl und Kommunalwahlen). Europa habe Einfluss auf die Politik vor Ort. Der Rechtsruck in Europa müsse endlich gestoppt werden, sonst bedeute es das Ende Europas. 70 Jahre Frieden dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden.

In Kandel habe man ja selbst „rassistische Parolen bis zum geht-nicht-mehr erlebt“, sagte Tielebörger. Rollläden runter und abwarten sei keine Option. „Wir müssen Flagge zeigen und denen, die aus dem rechten Sumpf kommen, sagen, wo sie hingehören.“

Hitschler: „Schöne Sonntagsreden reichen nicht“

„Wir brauchen die Gewerkschaften, um uns Politikern Dampf zu machen“, lobte Thomas Hitschler die Arbeit des DGB. Der Kampf um Arbeitnehmerrechte gehe stets weiter, es gebe immer etwas zu verbessern bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung.

In der EU habe man viel erreicht, vor allen Dingen ein friedliches Miteinander und grenzüberschreitende Arbeitserleichterungen. Deswegen müsse Europa gegen Nationalisten und Rechtspopulisten aufstehen. Als wichtigen Stabilitätsfaktor sieht Hitschler die Bekämpfung besonders der Jugendarbeitslosigkeit in manchen Ländern der EU.

An die DGB- und Bündnisvertreter gewandt, rief Hitscher: „Schön, dass es Euch gibt“, denn „schöne Sonntagsreden“ reichten nicht aus, den Populisten entgegen zu treten. „Raus auf die Straße“ sei der richtige Weg.

Er sei entsetzt gewesen, sagte Hitschler, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Dr. Heiko Wildberg auf der letzten Wahlkampfveranstaltung der AfD in Jockgrim [1] gesagt habe, man könne mit der Bundeswehr im derzeitigen Zustand „nicht einmal Luxemburg angreifen“. Das sei abscheuliche Rhetorik der 30er und 40er Jahre, die tief blicken lasse.

Bätzing-Lichtenthäler: „Blaues Unwetter“

Ministerin Bätzing-Lichtenthäler ging kurz auf die Anfänge der 1. Mai-Bewegung ein, die allgemein auf das Jahr 1886 datiert werden. Damals hatte die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zu einem Generalstreik am 1. Mai aufgerufen. Die Australier waren jedoch noch schneller: Dort fanden schon am 1. Mai 1856 Massendemonstration mit der Forderung zum Achtstundentag statt.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler

Der Tag sei schnell von den Nationalsozialisten missbraucht worden, sagte Bätzing-Lichtenthäler. „Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften in Deutschland gleichgeschaltet, die Gewerkschaftshäuser gestürmt und die Vermögen beschlagnahmt.“ Heute sei der 1. Mai auch ein Tag gegen Faschismus und Nationalismus und ein Tag der Weltoffenheit.

Sie dankte ebenfalls – und explizit auch im Namen der Landesregierung – den Bündnissen in Kandel für ihre “Haltung und ihr Selbstbewusstsein. Bleibt weiter so aktiv“, so die Ministerin. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten hätten weder in Kandel noch in Rheinland-Pfalz noch in Deutschland etwas verloren und wollten nichts anderes, als „Angst und Schrecken“ zu verbreiten.

Björn Höcke (Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag) habe den „Blauen Frühling“ ausgerufen, aber der sei nichts anderes als ein drohendes blaues Unwetter, donnerte Bätzing-Lichtenthäler unter großem Beifall.

Rechtsextremismus sei leider in der Gesellschaft mittlerweile weit verbreitet, sagte sie und verwies auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Und wo Hass geschürt wird, da brennen auch Flüchtlingsheime.“ Die Reaktionen in Kandel stimmten jedoch zuversichtlich. Zwei wichtige Instrumente gegen den Rechtsruck seien Zusammenhalt und „zur Wahl gehen, denn Rechtsextreme wollen spalten.“

Es lohne sich, über die EU zu reden oder auch zu streiten, so Bätzing-Lichtenthäler weiter. „Immer im Bewusstsein, das gemeinsam zu tun.“ Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, die Abschaffung von Folter und Todesstrafe – das alles sei nicht vom Himmel gefallen, sondern hart erkämpft. Im Bereich Arbeit gebe es aber noch ordentlich „Luft nach oben“.

Die Ministerin schloss mit einem Zitat von Willy Brandt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.“

Köhler: „Tradition des Antifaschismus“

„Wir stehen in der Tradition des Antifaschismus“, betonte Ralf Köhler von der IG Metall Neustadt, der die Veranstaltung auch moderierte. „Für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, gleich welcher Herkunft, Religion oder Hautfarbe.“ Gerade jetzt, wo „andere für eine exklusive Solidarität werben“, sei diese Haltung besonders wichtig. Köhler danke ebenso wie alle Redner vor ihm den Kandeler Bündnissen: „Ihr habt Toleranz im Namen und Menschlichkeit im Herzen.“

In Sachen Arbeit kämpfe man immer weiter dafür, dass die Menschen ein gutes Leben und eine faire Rente erwarten dürften.

Bündnisse halten zusammen

Hitschler und Bätzing-Lichtenthäler mit Vertretern von „WIR sind Kandel“.

Sabine Langer von „Kandel gegen Rechts“ rief unter anderem dazu auf, die parlamentarische Demokratie wieder mehr zu nutzen und bestehende Parteien eventuell zu reformieren, um so den Populisten die Chancen zu nehmen.

Jutta Wegmann von „WIR sind Kandel“ sagte, dass die Bündnisse zusammen agierten, mache Mut. Auch viele junge Leute beteiligten sich am Kampf gegen Rechts. Dem DGB dankte sie für die regelmäßige Unterstützung bei den Kundgebungen gegen das „Frauenbündnis Kandel“. Und Europa dürfe nicht den „Demokratiefeinden und Rassisten überlassen werden“, so Wegmann weiter.

Monique Dinies, ebenfalls von „WIR sind Kandel“, mahnte zur Vorsicht. Noch sei es nicht Zeit, aufzuatmen in Kandel: „Es ist noch nicht vorbei.“ Dinies wies auf Veranstaltungen in den nächsten Wochen hin wie beispielsweise der Vortrag von AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber am 3. Mai in der Stadthalle [2] in Kandel.

Die Veranstaltung an der Grillhütte war gut frequentiert. Darben mussten die Besucher nicht, es gab Deftiges, Süßes, Flüssiges und Informatives an diversen Ständen. DJ Andy unterhielt mit musikalischen Ohrwürmern aus den letzten Jahrzehnten. (cli)

 

 

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